Ich hatte gehofft, diesen Blog nicht schreiben zu müssen. Krebs ist nach wie vor kein Thema, aber Anouks Leben schwebt leider wieder in Gefahr.
Nicht nur aus emotionaler Sicht , sondern auch aus therapeutischer Sicht macht es Sinn, den Blog fortzuführen. Wir sind so empirisch unterwegs, dass jede Veränderung mit Argusaugen beobachtet und idealerweise dokumentiert wird.
Wir kommen leider nicht in ruhige Gewässer.
Im Januar durften Anouk und ich für 3 Wochen auf der Intern 5 in der Hauner einchecken, weil sich an ihrem Zustand nichts verbessert hat. Wenigstens nicht isoliert. 2 Wochen iv antibiose. Nichts gebracht. Experimentieren mit Schüttelweste, Cough assist etc. Es folgten ein neues Gerät namens Mukostar, interessante Treffen mit dem Erfinder aus Hamburg und Kampf mit der Krankenkasse.
Wir hatten das Gefühl, dass es Anouk mit dem Mukostar besser geht. Der Kortisonstoß am Ende unseres Aufenthalts hat uns dann überraschenderweise einige schöne Tage verschafft. An zweien brauchte sie sogar keinen bzw nur sehr wenig Sauerstoff.
Zusätzlich hat man im Krankenhaus an der Ernährung geschraubt, da sie trotz der ewigen Bemühungen und Reinzwängen von Sondennahrung nicht zugenommen hatte.
Wir haben herausgefunden, dass Anouk deutlich weniger spucken muss, wenn Nachts ihr gastraler Schenkel von der jet-PEG offen ist und an einem offenen Ablaufbeutel hängt.
Wenn Anouk schlecht wird, läuft so die Galle direkt in diesen Beutel und wird logischerweise so auch nicht erbrochen.
Mittlerweile bekommt sie nachts 800mL hochkalorische Nahrung in den Dünndarm via Pumpe sondiert und sie nimmt zu.
Nachteil: sie hat Nachts ständig Stuhlgang, was bei ihr Übelkeit auslöst, Hustenattacken und natürlich Windelexplosionen. Wenn wir Glück haben, müssen wir nur 3mal die Nacht wach werden. Mit Pech jede Stunde. Das zehrt. Pflegedienst kommt für mich immer noch nicht in Frage: ich kann nicht gerade dann, wenn mein Kind mich am meisten braucht, es ihr schlecht ist und Angst hat zu ersticken sagen: "Mama hat jetzt Feierabend, da kümmert sich jemand anderes um dich".
Mitte Februar bekam Anouk wieder Kopfschmerzen. Gerade nach dem Kindergarten schrie sie oft die Heimfahrt über.
Erst an der NIV konnte sie sich schnell erholen. Dazu kam der höhere Sauerstoffbedarf. Also ab in die Ambulanz für eine BGA (Blutgasanalyse) und Röntgen.
Das Ergebnis war ernüchternd. Trotz der ganzen Therapien sah die Lunge genauso aus wie vorher. Wir hatten erwartet, dass sich durch die Wundermaschine Mukostar irgendetwas ändert. Vllt Ein paar Bereiche aufgelockert werden. Das Röntgenbild war genauso beschissen wie vorher. Bei der BGA hatte sie zwar auch hohen pCO2 (62) aber zumindest nicht schlechter als die Woche vorher im Krankenhaus.
An diesem Tag redete unser Arzt Dr. G. zum ersten Mal von einem "wir sind froh, wenn wir Anouks Lungensituation stabil halten und auf Wachstum hoffen können". Das klang anders als das bisherige: "Sie wird ein Leben ohne Sauerstoff oder Beatmung führen...es wird lange dauern, aber daran glauben wir."
Die erste Enttäuschung.
Die zweite kam eine Woche später:
Anouk ging es noch schlechter. Die Fortschritte in ihrer Motorik, wie sich hinstellen oder an Möbeln entlanghangeln, waren alle wieder weg. Anouk wollte und konnte nicht mehr gehen/stehen.
Die Kopfschmerzen nahmen zu.
Was wir bisher mit der Beatmung in den Griff bekommen haben, hat nicht mehr geholfen.
Mo, 03.03.25
Die Kontrolle ergab einen pCO2 von knapp 80.
Durch Prof. R. und Herrn G. konnten wir dem Intensivstation Aufenthalt mit der Highflow (oder auch HFNC) entgehen.
Wenn Anouk innerhalb der nächsten zwei Stunden an der HFNC wieder einen normaleren pCO2 und keine Kopfschmerzen mehr hätte, dürften wir heim.
Während wir so warteten, meinte Herr G., dass das kein gutes Zeichen ist.
"Wofür?" wollen wir wissen. Es folgte ein langes Frage/Antwort Spiel. Zusammengefasst heißt es:
Wenn die vernutete Krankheit "bronchiolitis obliterans" wirklich so schnell fortschreitet, könne man nichts mehr machen. Anouk würde noch vor der Einschulung versterben.
Irgendwann sitze ich weinend im Flur und Herr G. erklärt mir, dass er es nicht bis zum äußersten gehen lassen würde. Dass die moderne Medizin viel möglich mache, aber wir nicht iwann vor der Entscheidung stehen sollen den Stecker zu ziehen.
Ein Satz brannte sich ein. Auf meine Frage: "Ich werde sie verlieren, oder?" kam ein "Die Wahrscheinlichkeit ist nicht gerade klein, dass das passieren wird".
Zwei Stunden später war der pCo2 wieder bei 55 und Anouk hatte keine Kopfschmerzen mehr. Als der Bescheid über zwei nachgewiesene Coronaviren kam, war ich unfassbar erleichtert. Es gab damit eine Erklärung, warum es Anouk so schlecht ging. Vielleicht lag das alles nur an den Viren?
Anouk bekam dann noch den nächsten Kortisonstoß und ab da ging es steil bergauf.
Die darauffolgenden Tage fühlten sich irreal an. Montags noch halb tot, Dienstag das blühende Leben.
Do, 06.03.25
Bei einem erneuten Telefonat mit Herrn G. über Anouks Zustand, betonte er wieder die akute Lebensgefahr. Auch mein Einwand, dass durch den Virusnachweis doch alles doch besser aussieht, half nicht. Nach dieser extremen Verschlechterung am Montag wagt er keine Aussage mehr zu machen, ob das "nur" die Viren waren. Wir täten es genau richtig, wenn wir viele schöne positive Erlebnisse (wie letzten Freitag beim Zirkus Krone) machten. Er versuche Prof. A. zu erreichen um mit Ihm zu besprechen, ob jetzt nicht doch eine Immunsuppression mit Ruxolitinib indiziert ist.
Fr, 07.03.25
Seit dem Telefonat mit Herrn G. ging mir ein Gedanke nicht aus dem Kopf. Er fragte mich, wie traumatisch der Montag für mich gewesen sei. Per Email antwortete ich ihm, dass es in den letzten 2,5 Jahren schon so einige Traumata gab, aber es dafür kein Ranking gibt. Schlimm ist Schlimm. Ich hätte mir im Nachhinein gewünscht, dass wir den Inhalt des Gespräches von dem Virusabstrich abhängig gemacht hätten.
Daraufhin meinte er, dass er davon ausgegangen ist, ich wüsste von der potentiell tödlichen Komplikation der Stammzelltransplantation. Wir sollten also dringend darüber reden, was das bedeutet.
Ich will nicht jeden Tag daran erinnert werden, wie krank mein Kind ist. Ich will nicht immer dieses "Aber" hören.
"Anouk kann es schaffen, *aber* man mag sich bei den Lungenbildern kaum vorstellen, wie das gehen soll". Das war damals eins der vielen Gespräche mit Frau V. aus dem LAF, worauf ich irgendwann beschloss, nur noch bei den Gesprächen mit Prof. A. anwesend zu sein. Ich brauche den Fokus auf: Anouk kann es schaffen. Punkt!
Also schrieb ich ihm eine Liste von Fragen, die mich beschäftigen. Danach möchte ich nicht mehr über Anouks Tod sprechen. Es kommt wie es kommt.
Diese Liste war lang und hart, aber ich musste beispielsweise wissen, ob bei einer weiteren Verschlechterung ein Tracheostoma unumgänglich sei oder ob sie im Falle des Falles ruhig einschlafen kann. Ich möchte nicht, dass sie Panik bekommt weil sie erstickt.
Der neue Plan ist alle 2 Wochen Kortisonstoß und nach 3 Zyklen dann CT. Je nach Ergebnis bekommt sie Rituximab oder eben nicht.
So, 8. März 25
Seit gestern hab ich das Gefühl, dass es ihr wieder schlechter geht. Sie atmet angestrengter. Letzte Nacht brauchte sie mehr O2. Sie hat wieder weniger Power und ich mache mir große Sorgen.
Mo, 09.03.25
Anouk ist Nachts stündlich aufgewacht. Hustenanfälle, übelkeit,..
Die Atmung war so angestrengt, dass ich Anouk von halb 2 bis halb 6 an der NIV hatte. Sie hat sich eh ständig die hfnc maske abgezogen und keinen bock mehr.
Als ich Anouk aus dem Kindergarten holte, hat sie wieder mehr Sauerstoff gebraucht. Beim anschließenden Einkaufen kam das Kopfweh wieder. Ich bin nach Hause gerast und sie wieder an die Hfnc genommen. Fand sie doof. Anschließend Physio. Auch dort extrem angestrengte Atmung und keine Möglichkeit Anouk zu motivieren. Nach Hause musste ich mit maximalem Sauerstoff fahren. Gleich wieder an die niv/mukostar/ Inhalation. Seitdem ich weiß, wie es ausgehen kann, könnte ich beim Anblick von Anouk nur weinen.
Ich will sie nicht verlieren.
Mi, 12.03.25
Die Nächte sind eine absolute Katastrophe. Wenn es gut geht, dann müssen wir nur 3mal wach werden. Bei der Nacht wie heute, hab ich nach dem 8ten mal aufgehört zu zählen. Hustenanfall, stuhlgang, Beschwerden über die HFNC Maske, Nahrungsgepiepse oder sie verlangt mehr Sauerstoff obwohl ihre Sättigung tiptop ist. Ich muss unbedingt erfragen, woran das liegen konnte.
Anouk war heute beim Ostheopaten und ich glaube es hat ihr gut getan.
Heute kam die neue Maske für die HFNC und vllt hilft es ihr besser, wenn die Dinger, die in die Nase ragen, doch länger sind.
Ich hatte die Teile analog zu ihrer Sauerstoffbrille gekürzt, weil es sie so gestört hat. Letztendlich hat sie die Teile nicht mehr in der Nase sondern knapp davor festgehalten. Aber vllt ist das das i-tüpfelchen was die HFNC effektiver macht. Gestern und vorgestern hat sie trotz HFNC Nutzung über Kopfweh geklagt.
Eventuell können wir den nächsten Kortisonstoß früher machen.
Ich merke wie gut mir der Blog tut und bin froh, wieder zu schreiben. Auch wenn ich eigentlich gehofft habe, keinen dritten Teil zu benötigen.
Danke an alle, die für Anouk beten, an sie denken und uns das Gefühl geben, nicht alleine mit der Sch**** zu sein.
Mo, 17.03.25
Nach Rücksprache mit Anouks Arzt haben wir schon am Samstag mit dem zweiten Kortisonstoß angefangen. Es ist unglaublich, was dieses Zeug bewirkt. Sie ist super aktiv (krabbeln, hinstellen), versucht immer mehr zu laufen und legt bei den Wutanfällen eine noch größere Energie an den Tag. Die Sauerstoffbrille wird öfters mal aus Wut weggeschleudert und Anouk hat trotzdem noch Luft einem hinterherzukrabbeln und sich weiter zu beschweren.
Sie redet mehr und kann auf einmal Seifenblasen machen?!
Ich frage mich wieso das Kortison iv damals nicht so einschlagend gewirkt hat. Hat man die Wirkung nur an der Bildgebung festgemacht und nicht gesehen, dass vllt das Kortison Anouk vor einer Verschlechterung bewahrt hat?
Eigentlich hätten wir heute wieder einen Termin in der Ambulanz gehabt. Leider ist unser Arzt krank, daher wirds wohl erst Freitag was werden. Die Hauptfrage ist wie immer: wie geht es weiter? Dauerhaft Kortison? Doch Ruxolitinib? Wobei ich beim Ruxolitinib schon etwas säuerlich bin, wenn ich überlege, dass wir im Juli letzten Jahres darüber geredet hatten und sie meinten, dass bräuchte Anouk nicht. Sie hätte keine chronische GvHD.
Durch mein Bauchgefühl und von unsere lieben Betreuerin vom Kinderhospiz bestärkt, wollte ich heute eigentlich vor allem die Sondenentwöhnung besprechen. Denn: Ich weiß, dass Anouk das schaffen kann. Ich weiß, dass sie es spüren muss um zu kapieren was Hunger und was satt ist. Und nachdem alle angefragten Helferlein / Insitutionen wie Notube oder die Entwöhnungsexpertin von der TU (daher keine Bereitschaft zur Kooperation mit der LMU…) sich nicht daran trauen, mache ich es eben alleine. Das einzige was ich heute im Zuge dessen besprechen wollte, welche Medikamente nicht nüchtern eingenommen werden sollten oder ob man da was umstellen/ beachten muss.
Eigentlich war die Abmachung, dass wir das Thema bis Ende April vertagen, schauen, dass Anouk bis dahin ordentlich zugenommen hat und dann einen Plan mit den Gastros machen.
Aber nachdem ich am Wochenende 4 Stunden am Stück erholsam und mit Anouk eingekuschelt schlafen durfte, weil ich vergessen hatte die Nahrungspumpe einzustellen, ist meine Überzeugung noch mehr gewachsen, es zu wagen. Bini und ich sind mit den Nachtschichten am Limit, eine Betreuerin kommt für mich nachts nicht in Frage und ich weiß einfach, wie viel besser unsere Nächte ohne Sondennahrung wären. Ich habe mir lange Vorwürfe gemacht und mache sie teilweise noch immer, dass ich damals nicht noch mehr auf mein Bauchgefühl gehört habe. Ich war in der Lage das ganze Drama zu verhindern, aber hab mich einfach nicht auf mein Bauchgefühl alleine verlassen wollen. Was ich in dieser ganzen Zeit gelernt habe: Ich hab ein verdammt gutes Bauchgefühl was Anouk angeht. Daher gehe ich dem dieses Mal nach. Trotz Widerstände.
Ich möchte dieses Thema dennoch mit unserem Arzt persönlich besprechen und nicht via Email oder Telefon klären. Mal sehen, ob ich bis Freitag noch durchhalte oder schon vorher die Entwöhnung starte.
Gerade noch eine Mail von unserem Arzt bekommen: egal ob Anouk Ruxolitinib oder Dauerkortison bekommt, sie wird wieder extrem infektanfällig sein. Zitat “Ich denke, sie sollte dann zuhause bleiben, wenn Infekte rumgehen”.
Wann hat denn nicht irgendein Kind im Umfeld irgendwas?
Seit Corona haben wir (bis auf wenige Wochen ausnahme) diese beschissene Isolation von unserem Umfeld. Wieder diese ganzen Einschränkungen ertrage ich nicht mehr.
Di, 18.03.25
Bini und ich haben gestern noch entschieden, einfach mal die Sondierung zu pausieren um zu sehen was passiert. Zurück können wir ja immer noch. Der Zeitpunkt ist gerade einfach ideal, weil die Kinder im Kindergarten gemeinsam Frühstücken und Mittagessen und alle sich mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen. Nachts hat sie auf einer sehr langsamen Rate noch 250 mL Wasser jejunal sondiert bekommen.
Ich hoffe so sehr, dass sie bald Hunger und Durstgefühl entwickelt und es vllt. einfach mal einfach gehen kann.
Die Nacht war in den Phasen, wo Anouk geschlafen hat super. Ich hatte 3,5h Schlaf am Stück ohne Unterbrechung. Fühle mich daher wie im Urlaub. Kein Aufwachen wegen Übelkeit, oder wegen Stuhlgang, kein unruhiges Hin und Herwerfen / Aufsetzen/ Hinlegen.
Dafür aber kickt seit Sonntag Abend das Kortison rein. Anders kann ich mir diese krassen Wutanfälle nicht erklären. Man merkt richtig, wie die Gefühle Anouk überrennen und sie selber nicht weiß was los ist. Selbst wenn ich ihr das gegeben habe, was sie wollte, war das auch falsch und sie wollte das haben, worüber sie sich die ganze Zeit ursprünglich beschwert hat. Das geht über eine Stunde lang. Dauergeschrei.
Mitten in der Nacht wollte sie runter ins Wohnzimmer und daraus entstand zwischen 2 und halb 4 ein Dauerwutanfall.
Da wir ja auch viel von ihr verlangen (Mukostar, Umstellen auf NIV mit Inhalation, dann Maskenwechsel auf HFNC) ist jeder Therapieversuch ein Kampf.
Auch interessant: Anouk ist ja viel zu klein mit ihren 3,5 Jahren und liegt unter der 1er Perzentile. Laut Gastroenterologen ist das unwichtig, wie groß sie ist, hauptsache, sie hat das Gewicht einer 3,5 Jährigen. Nun ja: 12,9 kg auf 86 cm. Ab 13 kg ist Anouk offiziell adipös.
Und dann habe ich gestern folgendes recherchiert und bin nur noch wütend:
Das Wachstumshormon Somatropin, welches primär für das Längenwachstum zuständig ist, wird Nachts in der Phase vom Tiefschlaf ausgeschüttet.
Wegen dieser beschissenen Sondierung kommt sie ja nie in den Tiefschlaf.
Es war gestern schon sehr eindrücklich: Mit Sondierung hat Anouk einen Puls von 120 beim “schlafen”. Ohne Sondierung entspannte 75 bpm. Und alle wundern sich warum sie nicht wächst… Ich kann mir nur an den Kopf greifen und hoffe, die Sondenentwöhnung gelingt uns.
Do, 20.03.2025
Gestern war der mit Abstand schönste Tag seit.. ich weiß nicht mehr. Nicht Mal nach Hicki-Ex bei der Jejunalsondenlegung ging es ihr so gut.
Statt der Grenze von 50 mL kann ich ihr jetzt locker 250 mL Wasser gastral sondieren ohne Reflux, Übelkeit, Erbrechen, Hustenanfall. D.h. das nächtliche wassersondieren habe ich gestern auch einstellen können. Ergebnis: Kein einziges Mal Windelwechseln! Kein Auslaufen! Der Hammer.
Ich hab Anouk gestern aus dem Kindergarten abgeholt und sie saß da am Tisch mit den anderen Kindern, Tomatensoßenverschmiert und ein breites Grinsen im Gesicht. Ich hatte Freudentränen in den Augen. Es waren defintiv mehr als 2 Nudeln (wie damals an ihren “guten” Tagen). Am Nachmittag hatte Anouk das allererste Mal Besuch von einer Freundin. Sie hatte sich mit ihr angefreundet und hatte sie einladen wollen. Freunde hatte Anouk bislang nie gehabt. Spielpartner waren auch nicht vorhanden. Und gestern war das unfassbar schön zu sehen. Am Schluss waren die beiden Mädels noch auf unserer “Schiffschaukel” im Garten und beide haben aus vollem Herzen gelacht. Ich weiß nicht, wann ich dieses Geräusch in den letzten 2,5 Jahren gehört habe.
Abends waren wir zur Feier des Tages noch beim Wirt. Anouk hat 2 Scheiben Schweinsbraten verdrückt. Sie hat gestrahlt und der Lolli zum Nachtisch war auch nur noch lecker.
Sie will mehr laufen und verrückterweise verbraucht sie gerade weniger Sauerstoff, obwohl der Kortisonstoß schon seit Montag vorbei ist. Die anderen Male war der Stoß genau für jeweils einen Tag (an Tag 2) deutlich merklich. Dann war sie wieder auf dem absteigenden Ast. Man merkt förmlich wie gut es ihr tut, dass sie in den Tiefschlaf kommt. Dass sie nicht jeden Tag mit Übelkeit und Erbrechen zu tun hat. Dass sie Freunde am Essen entwickeln kann. Ich bin so unfassbar glücklich! In meinen Augen kann dann mit der Stoßtherapie fortgesetzt werden und eine Umstellung auf Ruxolitinib oder Dauerkortison ist aktuell nicht nötig. Hoffnung. Morgen ist der Termin mit Anouks Arzt in der Hauner. Er weiß ja noch nichts von der spontanen Sondenentwöhnungsaktion und ich freue mich wie ein Schnitzel ihm unter die Nase zu reiben, dass ich verdammt nochmal recht hatte. Und ich endlich den Mut hatte, mich gegen die Ratschläge/ Empfehlungen durchzusetzen und so reich damit belohnt wurde.
Vllt kann sie ja jetzt endlich wachsen. Vllt kann die Entzündung etwas eingebremst werden und vllt darf sie auch älter als 6 Jahre alt werden.
Vllt. können wir ja doch irgendwann mal in den Urlaub fahren. Vllt können Bini und ich wie geplant ab Mai beide für 20h arbeiten. Es wäre so so schön!
Anouk wacht nachts immer noch oft auf, oft schreiend gefolgt von einem Wutanfall. Aber gestern habe ich gemerkt, dass es aus einem Traum heraus war. D.h. sie kommt wirklich in den Tiefschlaf. Und vllt. darf sie den Horror auch endlich mal etwas verarbeiten. Und 3,5 Stunden schlaf am Stück ist eh schon der pure Luxus.
Daumen drücken, dass jetzt endlich endlich endlich mal der Wendepunkt kommt!
Sa, 22.03.25
Natürlich ging es nach diesem
Bombastischen Start nicht so weiter...
Anouk hat den darauffolgenden Donnerstag zwar Interesse am Essen gehabt, aber wieder nur wie ein Võgelchen gepickt. Ein Haps und Schluss.
Abends wollte sie unbedingt Nudeln und hat dann keine einzige gegessen.
Freitag war sie iwie sehr knatschig und weil Jakob rumgehustet hat, hab ich beide Kinder daheim gehabt.
Bei Jakob ists wohl Heuschnupfen, der ist sonst fit wie ein Turnschuh.
Dafür war die Nacht wunderbar. Von gestern auf heute ist sie nur für 10 Minuten für einen Wutausbruch wach gewesen und hat die restliche Zeit seelig und tiefenentspannt an der HFNC geschlafen. Vllt lag es an dem Vomex, was primär gegen Übelkeit hilft und den Schlaf anregt. Das hatte sie "damals" bekommen, damit sie nachts vom sondieren nicht ständig wegen Übelkeit aufwacht.
Anouk ist dann zwar nicht mehr so oft aufgewacht, dafür hat sie im Schlaf gespuckt. Wegen der Aspirationsgefahr hatten wir es wieder schnell abgesetzt. Aber jetzt ist es ein gutes schlafmittel.
Ansonsten geht es Anouk gut, sie ist gut drauf, wach, agil, aber man merkt, dass sie abgenommen hat.
An sich war das einkalkuliert aber ich hab natürlich Sorge, dass sie es nicht schafft sich selbst zu ernähren. Eigentlich würde ich sagen "sie nimmt sich schon was sie braucht", aber diese ärztlichen Kontrollen machen mir so Druck. Dabei sind es einfach auch ihre Gene.
Jakob isst noch heute wie ein Spatz! Aber da sitzt mir nicht ständig jemand im Genick.
Belag von 3 Ecken Pizza zu Mittag. Reicht das?
Do, 27.03.25
Ein ewiges Auf und Ab.
Ein Tag überrascht sie mich und isst für Ihre Verhältnisse sehr gut..und kurz darauf gibt es wieder nur Häppchen.
Dazugekommen sind leider Bauchweh und wieder das zittern und verkrampfen beim Stuhlgang, obwohl der Stuhl weich ist.
Ich hoffe sehr, dass das nicht wieder so eine große Baustelle wie im Sommer 23 wird. Da wusste ja auch keiner genau was los und sie hat jedes Mal gezittert, geschrien und geweint. Damals hat auch gar nichts geholfen, bis sie dann seit der Transplantation und der Sondierung Dauerdurchfall hatte. Ich hoffe sehr, dass sich das einrenkt. Im Nachhinein dachte ich, dass die Schmerzen damals mit dem Rezidiv einhergingen, weil sich gerne ja auch gerne AML Zellen im Darm breit machen. Dass es jetzt wieder so zu sein scheint, beunruhigt mich etwas und vor allem frustriert es mich. Wieder neue/alte Baustellen. Im Moment ist Anouk auch so extrem auf mich fixiert, dass ich sie am besten immer mit auf Toilette nehme, damit sie keinen Nervenzusammenbruch bekommt.
Geht leider Nachts nicht ohne weiteres, da sie ja an einigen Gerätschaften hängt.
Daraus resultierten bereits so einige Wutanfälle.
Saxophonunterricht musste ich daher gestern auch absagen. Ich möchte jegliche Provokation vermeiden. Seit der sondenentwöhnung mache ich auch alle Nachtschichten, weil sie sonst nachts noch mehr ausrastet. Immerhin wird sie nur noch 1x Nachts wach.
Dennoch bleibe ich dabei, dass die Sondenentwöhnung wichtig und richtig ist. Ich hoffe Dr. G. sieht das am Freitag auch so. Er weiß ja immer noch nichts von meiner Aktion, weil er seit 2 Wochen krank ist.
Sa, 29.03.25
Gestern war endlich der Termin mit Herrn G. Ich kam mir vor wie beim Beichten als ich das von der Sondenentwöhnung erzählt habe. "Da haben Sie ja ganz schön ne Bombe platzen lassen".
Das "Sie hatten wohl recht", war aber ein besonders schöner Satz. Ich muss nur zusehen, dass Anouk ein stabiles Gewicht bekommt. Aktuell ist sie ja im Abnehmen und nachdem sie heute so viel Stuhlgang hatte, befürchte ich, dass die gestern gewogenen 12,5 kg eher deutlich weniger sind. Ich weiß nicht, was ich machen sollte, falls sie keine Stabilität erreicht. Nächtliches Sondieren kommt für mich auf jeden Fall nicht mehr in Frage. Das setzt mich schon wieder so unter Druck, dass ich den Druck an Anouk weitergebe. Auch nicht gut. Jetzt hatte ich ihr Butter und Duocal untergemischt. Bauchweh deswegen oder wegen der Verdauung? Es ist zum mäusemelken.
Prof. A. kam gestern auch dazu um zu überlegen, wie wir weitermachen. Weil das Kortison ja aktuell eine deutliche Besserung macht, machen wir mit den Stößen noch drei weitere Male weiter. Normalerweise läuft es bei einer Bronchiolitis obliterans (BO) so ab, dass man wohl 6 Stöße gibt und die BO dann idealerweise ausbrennt. Man hat zwar den irreversiblen Schaden der Lunge, aber erhofft sich dann eine Besserung über die Zeit mit dem Wachstum. Bei Anouk ist es sehr schwierig vorherzusagen, ob sie auf dem stabilen Ast oder dem sich verschlechternden Ast sitzt. Normalerweise kann man den Verlauf einigermaßen abschätzen, wenn man einen Lungenfunktionstest machen könnte. Dafür ist Anouk leider zu klein. Zudem kommt, dass ein winziger Infekt Anouk sehr schnell ans Limit bringen kann. Das haben wir ja leider vor 3 Wochen spüren müssen, als es ihr so mies ging und ihre eine sehr kurze Lebenserwartung vorhergesagt wurde.
Die Infektanfälligkeit nimmt mit den Cortisonstößen leider zu und das für danach geplante Ruxolitinib haut wohl noch mehr rein.
Als im Zuge dessen das Thema Kindergarten/Lebensqualität aufkam, hat Herr Gothe ganz klar auf seine Arztrolle verwiesen. Es ist wohl immer Abwägungssache ob ich meinem Kind dem Risiko einer Infektion aussetze und ihr damit ein einigermaßen normales Leben ermögliche..Oder um sie zu schützen zu Hause lasse. Diese Entscheidung müssen wir alleine treffen. Er als Arzt kann uns nur darauf hinweisen, dass wir darauf achten sollen.
Was die Kindergartenbesuche angeht, sehe ich also schwarz für die Wintermonate.
Auch nicht gerade erbaulich war der Satz von Prof. A.: "..Man muss auch sagen, dass Ruxolitinib nicht so hohe Erfolgsaussichten hat..aber das liegt wohl an der Krankheit an sich".
Wir haben heute auch die harten Themen besprochen. Falls es Anouk wie letzten Montag gehen sollte und man das CO2 nicht rausbekommt, wäre der nächste Schritt die Intubation auf der KIPs. Wenn es einen Virusnachweis oder Infektanzeichen geben würde, würde man hoffen, dass sich mit dem Überstehen des Infekts die Situation beruhigt. Allerdings kann es genauso gut sein, dass es eine BO bedingte Verschlechterung ist und sie nicht mehr extubiert werden kann.
Das heißt genau dann wären wir in der Situation zu entscheiden, wann man den Stecker zieht.
Wir können auch die Intubation auf der KIPs ablehnen. Die Entscheidung ist massiv schwierig und verdeutlicht mir wieder, dass eine Patienten-Verfügung einfach nicht die Situation abbilden kann, wie sie dann wirklich ist. Man braucht Gottvertrauen.
Wenigstens ist der Tod nicht qualvoll: es wäre kein Problem der Oxygenierung d.h. sie hätte nicht das Gefühl zu ersticken, sondern würde durch das steigende CO2 immer müder werden und letztendlich einschlafen.
Im Zuge dessen, sollen wir demnächst ans Palliativteam angebunden werden, dass die bereits Bescheid wissen und im Falle des Falls dann parat stehen.
Noch erwähnenswert ist, dass die Lungentransplanteure in Hannover auch nach 2 Jahren Rezidivfreiheit schon transplantieren, wenn die behandelnden Onkologen die Rezidiv Wahrscheinlichkeit auf unter 10% einschätzen. Das wäre bei Anouk nach 2 Jahren wohl der Fall. Ich weiß nicht ob ich diesen Weg gehen möchte und hoffe sehr, dass ich mich nicht entscheiden muss.
Heute geht's Anouk schlechter. Bauchweh, verlangen nach mehr Sauerstoff und bereits um halb 10 so müde, dass sie wieder schlafen will. Ich hoffe auf den 4ten Kortisonstoß am Montag.
Do, 03.04.2025
Kortison. Was für ein gutes und gleichzeitig teuflisches Zeug.
Anouk braucht weniger Sauerstoff (1l statt 2-3l) hat dauernd Hunger und isst unglaubliche Mengen (heute alleine 200 g schokobons). Alles sehr positiv. Ich hoffe der Appetit und auch der Durst halten noch länger an. Dann mach ich mir keine Sorgen zwecks der Sondenentwöhnung. Wobei sie ja eigentlich schon sondenentwöhnt ist. Nur ihr Gewicht sollte stabil bleiben und besten Falls etwas nach oben gehen. Falls Anouk weiter abnehmen sollte muss sie letztendlich doch wieder sondiert werden.
Aber ihre Laune...
Wow. Man kann es ihr nicht recht machen, sie explodiert in wenigen Sekunden und hat permanent eine Nölton drauf. Ich versuche gelassen zu bleiben aber die Reserven sind langsam aufgebraucht. Eine Pause wäre schön, aber die aktuell einzige Möglichkeit wäre Reha oder Urlaub im Hospiz.
Ich weiß, dass Kinderhospize anders sind als Erwachsenen Hospize. Ich weiß, dass viele Familien dort eine Auszeit nehmen, weil es oft die einzige Möglichkeit ist, irgendwie Entlastung zu erfahren.
Aber alleine das Wissen über den Abschiedsraum. Die Vorstellung zu entspannen, während nebenan vllt eine Familie gerade trauert..
Nein. Soweit bin ich noch nicht.
Bini und ich überlegen einen Wohnwagen zu kaufen. Eigentlich finde ich es viel zu überteuert und denke an die vielen tollen Ferienunterkünfte, die man sich in den nächsten Jahren/ Jahrzehnten von dem Geld mieten kann.
Aber wenn ich allein an Anouks ganze Gerätschaften und Zubehör wie Filter und Schläuche denke, kann ich mir nicht vorstellen wie wir sonst mal einen Tapetenwechsel erfahren dürfen. Selbst Tagesausflüge sind ja schon schwer machbar für uns. So hätten wir unsere mobile Intensivstation dabei.
Weit weg fahren können wir auch nicht, weil Anouk zur Zeit immer in der Nähe des Krankenhaus sein sollten. Also ist es dann auch egal, wenn wir mit 100 km/h über die Autobahn juckeln.
So, 06.04.25
Was für ein schönes Wochenende geht zu Ende:
Nach fast 2,5 Jahren Stillstand ist meine kleine Maus auf 87cm gewachsen. 1 cm im letzten Monat!. So viel Hoffnung ist damit verknüpft. Wachstum! Ihre einzige Chance! Ich bin so dankbar, dass Gott mir die Stärke für die Sondenentwöhnung gegeben hat und den Mut auf mein Bauchgefühl zu hören
Mittlerweile ernährt Anouk sich von Schokobons, aber das ist mir aktuell noch egal. Hauptsache sie kommt auf ihre Kalorien.
Wenn sie in 2 Wochen gewichtstechnisch immer noch stabil ist, werde ich etwas ändern (müssen). Sie isst nach wie vor selectiv eher Kleinigkeiten und mag keine Stunde nach dem Essen wieder trockenes Toast und Schokobons. Ich möchte nicht wieder in den Kreislauf des Daueressens reinkommen. Wenigstens konnte ich mich beim nächtlichen "ich will jetzt essen" durchsetzen. Nachts wird geschlafen. Punkt.
Tagsüber hatte Anouk kurzzeitig schon Momente ganz ohne Sauerstoff. Wie happy sie auf dem Küchenthresen ohne Sauerstoff saß und genüsslich Waffelteig geschleckt hat :-) Zwei Tage während des Kortisonstoßes hat sie sogar nachts keinen Sauerstoff gebraucht. Leider ist der Trend seit Absetzen des Kortisons wieder rückläufig. Ich wünschte es gäbe eine Heilungsmöglichkeit der bronchiolitis obliterans. Sowohl die Kollegen aus Hannover (Hauptteansplanteure für Lungen) als auch in London von der Lungentagung sehen in Anouks CT Aufnahmen die BO bestätigt.
Vllt sollte Anouk doch wieder Azithromycin nehmen? Andererseits fördert das wieder die Leukämie...
Wie soll das alles nur weitergehen?
Do, 17.04.25
Die Zeit vergeht wie im Flug und ich komme kaum zum Schreiben. Es gibt viele schöne Momente in denen ich die Zukunft plane mit Arbeit, Urlaub und Hoffnung. Es gibt viele anstrengende Momente, in denen Anouk an mir klebt und mir keinen Moment der Ruhe gönnt. Es gibt Momente, die mich an meine Grenzen bringen, z.B. als Jakob weinend vor mir stand, weil er schon so lange nachts keine Mama zum kuscheln hatte und mich sehr vermisst. Währenddessen klammerte sich Anouk an mich und weinte bitterlich weil sie auch Mama braucht.
Anouks Gewicht ist soweit stabil, aber beim Essen wird sie immer horkliger. Ich bin mir sicher, dass wir das mit der entsprechenden Erziehung schon hingekommen könnten. Aber ich habe keine Lust auf noch mehr Drama. Also heißt es Schokobons, Pizza, Käsekuchen und seit neuestem Toast mit Erdbeermarmelade.
Letzten Freitag hatten wir wieder Kontrolle in der CHA. Zitat: "wow, hat Anouk eine kräftige Stimme bekommen". Mein kleiner Wutzwerg hatte schnell keine Geduld mehr und hat es jeden wissen lassen, wie doof sie das alles findet. Irgendwann hat Anouk sich wieder den Sauerstoff runtergerissen und ist weggekrabbelt. Ich fand es sehr amüsant zu sehen, wie überrascht Ärzte und Schwestern waren. Normalerweise sitzt Anouk puzzelnd/ malend auf meinem Schoß bzw ist wie in trance am Handy. Es war ein durch ihr Dauerschreien ein sehr anstrengender Termin, aber auch sehr positiv. Vllt braucht Anouk auch gar keinen Sauerstoff mehr und sie nimmt ihn nur aus Gewohnheit? So viel Hoffnung.
Genau wie nach dem letzten CHA Termin ging es Anouk am Wochenende dann aber schlechter. Vermutlich weil die Kortison Wirkung wieder zurückgeht. Mit viel Vorfreude auf eine noch stärkere Besserung (und gleichzeitig der Angst vor dieser unglaublich anstrengenden Zeit, wenn sie wieder mit allem überfordert ist, nur noch an mir klebt und in Nullkommanichts auf 180 ist) hat sie von Montag bis Mittwoch den insgesamt 5ten Stoß bekommen. Vermutlich hat sie sich aber auch parallel einen Infekt zugezogen und hustet trotz des Stoßes wieder sehr viel, braucht wieder mehr Sauerstoff und zeigt wieder das "KIPs-Stöhnen". Dieses Auf und Ab, das Hoffen und Freuen um dann wieder enttäuscht zu werden ist so frustrierend. Luftschloss bauen und wieder abreißen. Wieder und wieder...
Seit gestern ist auch ihr jet-PEG Button zum Sondieren undicht und wir können sie daher nicht so gut mit Wasser vollpumpen. Es läuft dann alles wieder neben dem Button raus und Anouk sitzt mit nassem Shirt da.
Wir konnten den Arzt nicht erreichen und hoffen, dass wir noch vor den Feiertagen eine Möglichkeit finden das zu beheben.
Di, 22.04.25
Am Karfreitag ist Bini mit Anouk zur Notaufnahme um die jet-PEG ziehen zu lassen und eine neuen PEG-Button zu legen. Es ist alles nur noch rausgesuppt und wir hatten Sorge, dass sich das Stoma entzündet, wenn ständig magensaft rausläuft.
Jetzt ist das Ding wieder dicht und das jejunale sondieren nicht mehr möglich. Hätten wir den jet-Peg-button 1:1 tauschen wollen, hätten wir Anouk in Narkose legen müssen. Das wollten wir nicht, daher ist ab jetzt "nur" noch gastrales sondieren möglich. Anouks Gewicht ist immer noch gleichbleibend, aber ich glaube ich werde erst entspannt sein, wenn sie 10 cm gewachsen und 2 kg schwerer ist.
Anouks Laune ist soweit ganz gut, allerdings geht die Atmung wieder schwerer und sie braucht weiterhin Sauerstoff.
Das CO2 von der BGA war zwar etwas höher als beim letzten Mal, aber immer noch weit weg vom höchstniveau.
In der Notaufnahme wurde auch ein Abstrich von Anouks Hals gemacht. Leider konnte keiner Erreger nachgewiesen werden, was mir wieder Angst macht. Kommt die Verschlechterung jetzt doch durch die Krankheit BO? Dabei hustet Jakob grad auch etwas mehr. Hat der kortisonstoß schlimmeres verhindert oder hat er nichts mehr gebracht?
Heute fühlte ich mich wieder hoffnungsloser und bin viel in mich gekehrt. Mag aber auch an dem morgigen Geburtstag von Jakob liegen. Mein kleiner Großer wird 6 Jahre alt. Ich hatte immer gedacht, wir hätten alle noch so viel Zeit Unternehmungen/ Urlaube außerhalb der Schulferien machen können. Familienzeit verbringen, wenn die Eltern noch die liebsten Spielpartner sind.
Aber mit Anouk ist leider so vieles nicht möglich/ möglich gewesen.
Wir werden sehen.
Freitag sind wir wieder in der Hauner. Eventuell gibt's noch ein Röntgen.
Ich hab leider keine Ahnung wie wir jetzt dann weitermachen /weitere stöße mit Kortison ja/nein/ CT? etc. und bin mir sicher, dass die Ärzte auch keinen Peil haben.
Sa, 26.04.25
Weil Anouk durch den produktiven Husten sicher noch einen Infekt hat, wird das Röntgen verschoben, bis es Anouk wieder "gut" geht. Vllt sieht man ja dann eine Verbesserung im Röntgen? Oder überhaupt irgendetwas, was irgendwie hilfreich ist.
Die letzten Tage ab Mittwoch ging es Anouk wieder etwas besser. Sie hustet zwar viel, aber sie ist gut drauf. Der nächste Kortisonstoß wird noch etwas verschoben. Geplant ist, die Stöße so lange zu geben, bis keine Verbesserung mehr erreicht werden kann. Da man vom letzten Stoß nicht weiß, ob er was gebracht hat, weil Anouk zeitgleich einen Infekt bekommen hatte, schauen wir mal was der nächste bringt. Weil das Kortison ja auch nicht ganz ohne ist, versuchen wir die Abstände zwischen den Stößen wieder etwas zu verlängern. Also noch eine Woche abwarten und dann gibts nach Rücksprache den nächsten Stoß.
Ruxolitinib wird vorerst nicht gegeben. Da Anouk seit Sondierungsende auf dem aufsteigenden Ast sitzt, probieren wir es ohne. Schließlich kauft man sich mit Ruxo eine Menge Nebenwirkungen ein, die wir nicht haben wollen. Und offensichtlich ist der Erfolg auch nicht so besonders.
Es wird also weiter auf Sicht gefahren. Alle 2 Wochen CHA. Regelmäßiger Austausch über den aktuellen Zustand. Hoffen, Bangen, Freuen, Verzweifeln,... das übliche Programm. Ab Mai gehöre ich offiziell der arbeitenden Bevölkerung an. Dann wird erstmal der Rest-Urlaub bis Mitte Juni abgebaut. Ich freue mich einerseits, habe aber auch Sorge ob ich dem ganzen Stand halten kann.
Sa, 26.04.25
Weil Anouk durch den produktiven Husten sicher noch einen Infekt hat, wird das Röntgen verschoben, bis es Anouk wieder "gut" geht. Vllt sieht man ja dann eine Verbesserung im Röntgen? Oder überhaupt irgendetwas, was irgendwie hilfreich ist.
Die letzten Tage ab Mittwoch ging es Anouk wieder etwas besser. Sie hustet zwar viel, aber sie ist gut drauf. Der nächste Kortisonstoß wird noch etwas verschoben. Geplant ist, die Stöße so lange zu geben, bis keine Verbesserung mehr erreicht werden kann. Da man vom letzten Stoß nicht weiß, ob er was gebracht hat, weil Anouk zeitgleich einen Infekt bekommen hatte, schauen wir mal was der nächste bringt. Weil das Kortison ja auch nicht ganz ohne ist, versuchen wir die Abstände zwischen den Stößen wieder etwas zu verlängern. Also noch eine Woche abwarten und dann gibts nach Rücksprache den nächsten Stoß.
Ruxolitinib wird vorerst nicht gegeben. Da Anouk seit Sondierungsende auf dem aufsteigenden Ast sitzt, probieren wir es ohne. Schließlich kauft man sich mit Ruxo eine Menge Nebenwirkungen ein, die wir nicht haben wollen. Und offensichtlich ist der Erfolg auch nicht so besonders.
Es wird also weiter auf Sicht gefahren. Alle 2 Wochen CHA. Regelmäßiger Austausch über den aktuellen Zustand. Hoffen, Bangen, Freuen, Verzweifeln,... das übliche Programm. Ab Mai gehöre ich offiziell der arbeitenden Bevölkerung an. Dann wird erstmal der Rest-Urlaub bis Mitte Juni abgebaut. Ich freue mich einerseits, habe aber auch Sorge ob ich dem ganzen Stand halten kann.
Do, 01.05.2025
Seit 4 Tagen sind wir Besitzer eines Wohnwagens aka mobile Intensivstation und haben heute das Glück gehabt noch einen Stellplatz im Allgäu zu ergattern.
Wir haben 80 kg Flüssigsauerstoff dabei, die Beatmung, den Luftbefeuchter, Aeronab und diverse Medikamente. Ich habe beide Kinder zusammen noch nie so glücklich gesehen. Diese Aufregung wegzufahren! Und dann noch in einem Haus auf Rädern schlafen! Es ist so schön, diese strahlenden Kinderaugen zu sehen und gleichzeitig wird mir wieder bewusst, auf wie viel sie schon verzichten mussten. Nicht einmal ein Tagesausflug war bislang drin.
Anouk hat gleich Kontakt geknüpft und mit einem Jungen 30 Minuten in der Korbschaukel verbracht. Sie haben beide so viel gelacht und gekichert, weil Anouk so viel Schmarrn geredet hat "Ich bin ein Bananenbroooot". Es war herrlich sie in Interaktion mit anderen Kindern sehen zu können. Ihren offenen und lustigen Charakter zu erleben. Anouk zu erleben, wie sie ist. Ohne Schmerzen, Müdigkeit, Übelkeit und Luftnot.
So viel Lebensfreude.
Mo, 05.05.2025
Das verlängerte Wochenende war so schön. Und das nach Hause kommen auch. Es braucht gar keine weite Reisen um dieses Urlaubsgefühl zu erleben. Die letzten Tage waren wir einfach nur Campingplatzbewohner. Ja, mit einem behinderten Kind, aber es fühlte sich so an, als ob das nicht mehr das Zentrum unseres Lebens wäre. Wir fokussierten uns nicht auf Atemfrequenzen, Sauerstoffbedarf, Nahrungs-/ Flüssigkeitsaufnahme, Gewichtsverlauf etc. wir fokussierten uns auf das Wesentliche: Kann ich das Leitungswasser trinken? Wo spüle ich ab? Wie funktioniert eine Campingtoilette und wie schaffe ich es mit frischer Luft zu schlafen und gleichzeitig nicht zu erfrieren?
Wir waren endlich Familie und freuen uns alle schon auf das nächste Mal Camping.
Kaum zu Hause geht alles wieder weiter wie davor. Warten auf den Anruf vom Arzt um Anouks Zustand zu besprechen und zu entscheiden ob der nächste Kortisonstoß ansteht. Dafür treten wieder all die Dinge wie Gewicht, Atemfrequenz etc in den Vordergrund.
Ich versuche unseren Sauerstoffversorger zu erreichen um den mobilen Sauerstoffkonzentrator zu besprechen. Denn erst am Wochenende, mit dem riesigen 45 L Tank und der daraufprallenden Sonne ist mir wieder eingefallen, dass das ganze auch in die Luft gehen könnte. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Zudem drängt sich mir immer mehr auf, wie wichtig es für Anouk wäre am Meer zu sein. Da der Tank nur für eine Woche reicht, würde das knapp werden. Dazu gesellen sich noch schön finanzielle Sorgen. Unser Auto wurde mit der Fahrt ins Allgäu bereits an seine Grenzen gebracht. PS ist nicht gleich PS. Unser Benziner hat einfach einen zu schlechten Wirkungsgrad.
Da kratzen wir unser Erspartes für den Wohnwagen zusammen (in der Hoffnung, dass die Sanierung des Daches unseres knapp 100 Jahre alten Häuschens doch noch länger warten kann) und dann das. Ich bin meinem und Binis früheren Ich so unfassbar dankbar, dass wir immer so sparsam waren, weil wir nach über einem Jahr krankengeld immer noch in der Lage waren unser Haus zu halten und einen Wohnwagen zu kaufen. Das ist jetzt aber dann doch etwas zu viel.
Mi, 14.05.25
Wir dümpeln vor uns hin.
Am Freitag hatte Anouk wieder Termin in der Hauner.
Wir haben entschieden, dass wir ihr den nächsten Kortisonstoß erst dann geben, wenn ihr Infekt durchgestanden ist. Das Kortison unterdrückt das Immunsystem sehr stark. Beim letzten Stoß trat keinerlei Besserung ein und ihr "kleiner" Infekt ist dann ziemlich groß geworden. Deshalb wollen wir es erst wagen, wenn sie "fit" ist. Also sollte ich mich melden, wenn es Anouk besser geht. Oder wenn es ihr schlechter geht. Dann bekommt sie auch Kortison. Im Grunde genommen sagt das schon alles über die Therapie-Möglichkeiten aus.
Am Montag hat Anouk eine doppelte Dosis Immunglobuline bekommen und das tat ihr sichtlich gut. Es geht ihr jetzt schon viel besser, daher starten wir heute wieder mit Kortison. Das heißt heute Abend bis Samstag werde ich wieder ein tod-unglücklichliches und hochagressives Mädchen ertragen müssen, was ständig Hunger hat, aber nicht weiß worauf.
Mir graust es vor den kommenden Tagen und gleichzeitig wächst wieder die Hoffnung, dass der Stoß vllt noch mal eine Verbesserung bringt. Ich würde mir so so so sehr wünschen, dass wir vom Sauerstoff wegkommen.
Es ist aber genauso gut möglich, dass wir schon am Limit angekommen sind und man keine Verbesserung mehr bewirken kann.
Heute beginnt der 6te und theoretisch letzte Stoß. Praktisch wollen wir die Stöße aber so lange machen, bis sich gar nichts mehr tut.
Im Rahmen dessen haben wir Nachts noch einmal ihre Atemfrequenz und ihre Sättigungsabnahme bei fehlendem Sauerstoff dokumentiert um einen Vergleich zu haben. "Besser" und "schlechter" sind leider keine griffigen Parameter um Anouks Zustand beschreiben zu können.
Die Ärzte aus Hannover (die Experten, die die meiste Erfahrung mit Schwerst-Lungenkranken Kindern haben und die einzigen sind, die transplantieren) bestehen auf ein anschließendes CT. Ihrer Meinung nach sollte man nochmal nachschauen. Für sie ist es immer noch komisch, dass Anouks damalige CT Bilder nicht so richtig mit dem Bild einer Bronchiolitis obliterans übereinstimmen und hoffen, dass es jetzt eindeutiger ist.
Meine und glücklicherweise die von Anouks Arzt ist jedoch anders: wenn die Bildgebung keinerlei therapeutische Konsequenz hat, kann man sich den Aufwand (fürs erste) sparen.
Gestern haben wir wieder unser Auto aus der Reparatur bekommen. Das Einspritzventil wurde erneuert und ich hoffe, dass sich das positiv auf die nächste Fahrt mit dem Wohnwagen auswirkt.
Wir können es kaum erwarten wieder loszuziehen und hoffen, dass wir bald eine flexiblere Sauerstoffversorgung bekommen als jetzt. Ohne Angst zu haben in die Luft zu fliegen.
Geduld ist das Motto des Tages. Geduld mit der Krankenkasse für die nur teilweise Kostenübernahme der Familientherapie. Geduld mit der Firma WKM zu unserer Sauerstoffversorgung. Geduld mit den Sanitätshäusern, die mit Geräten für Kinder ziemlich überfordert zu sein scheinen. Wir wollen für Anouk einen sogeannten Posterior-Walker. Also ein Rollator, der das ganze Gestänge hinten und nicht vorne hat. Allerdings brauchen wir auch eine Aufhängung für die Sauerstoffflasche. Das ist wiederum so selten, dass das scheinbar nur als Sonderanfertigung geht.
Geduld.
Sa, 17.05.25
Man sollte den Tag nicht vor dem Abend loben. Erst waren wir überrascht, wie "gut" Anouk den Kortisonstoß wegsteckt. Ja, sie war knatschiger und hungriger aber kein Vergleich zu den letzten Stößen.
Vielleicht lag es aber auch daran, dass wir entspannter waren. Hatten wir ja diesmal mehr Pause zwischen den Stößen und daher auch mehr schöne Tage mit Anouk.
Freitag kam dann die Wende. So viele Tränen. Nachts durfte ich alle 1,5 h aufstehen, weil sie ganz dringend Hunger hatte. Und unfassbar viel Durst. Seitdem wird im Wechsel gegessen und geschlafen und dazwischen geweint.
Vorhin saß sie am Tisch und ich fragte warum sie denn schon wieder weint. Daraufhin vergräbt sie den Kopf in ihre Hände und schluchzt; "ich weiß nicht".
Der Husten ist auch wieder mehr geworden. Ein Infekt der wieder aufgeflammt ist?
Ich mach mir Sorgen wegen ihrer Müdigkeit. CO2 zu hoch? Ich wünschte ich hätte ein Gerät um eine BGA machen zu können.
Sie hat auch ein paar Mal wegen Kopfweh geklagt, aber hat sich mit Händen und Füßen gegen die Hfnc gewehrt. Als ich ihr sagte, dass die Hfnc gegen Kopfweh hilft, meinte sie auf einmal sie hätte kein Kopfweh mehr...
Mein schlaues Mädchen. Also gibt es "nur" Mukostar (Glücklicherweise haben wir ein schnell ein Ersatzgerät bekommen. Das andere war nämlich kaputt) und die NIV. Komischerweise will sie nur an das mobile Gerät und nicht an das bessere, welche die Atemluft besser befeuchtet. NIV allerdings macht ihr wieder mehr Bauchweh und Übelkeit, sodass wir öfters wieder den Ablaufbeutel an die PEG hängen müssen. Dann fließt aber ein Teil ihres Essens wieder raus...
Hab ich schon erwähnt, dass die PEG auch generell wieder undicht ist?
Hachja. Immer ist etwas. Wenigstens war der Vormittag sehr schön, als ich mich mit lieben Arbeitskolleginnen nach langer langer Zeit endlich wieder getroffen habe. Solche Momente geben so viel Kraft.
Den Rest des Tages verbringe ich mit Anouk zwischen Küche und Bett. Ich hätte gerne auch mehr Zeit mit Jakob, aber aktuell möchte ich nicht noch mehr Tränen bei Anouk provozieren. Hoffentlich wird die Nacht und der morgige Tag besser.
Sa, 24.05.25
"Nein, du kriegst keinen Sauerstoff". Klingt absurd, aber ja, mittlerweile streite ich mich mit Anouk, weil sie aus Gewohnheit bei jeglichem Hustenreiz Sauerstoff verlangt. Trotz guter Sättigung. Dabei regt sie sich teilweise so auf, dass sie dann doch wieder Sauerstoff braucht.
Das gute ist: Die eigentlich benötigte Menge an Sauerstoff ist weniger geworden. Hat der letzte Kortison-Stoß also doch was gebracht? Diese Frage wird mir am Montag sicherlich auch wieder in der Hauner gestellt und ich kann sie mal wieder nicht beantworten.
Sie braucht weniger Sauerstoff, hat aber wieder deutlich mehr trockenen Husten.
Man kann aber sagen: Anouk geht es soweit wieder ganz gut. Sie ist aktiv, will viel Laufen und immer öfters nur an einer Hand. Die Kortison-Verzweiflungs-Ausbrüche wurden wieder durch normale sturköpfige Trotzanfälle ersetzt. Der Inhalt mag sich teilweise von den Wünschen einer "normalen" Dreijährigen unterscheiden ("Ich will Saaaaaaaaauerstoff"), aber im Grunde genommen ist wieder alles beim alten.
Ich bin so dankbar, dass ich gestern ein Bild gestalten durfte: Wie war die Situation im August letzten Jahres und wie ist es heute? Das hat mir die Augen geöffnet, wie viel sich in der Zeit getan hat.
Zusammengefasst kann man sagen: Damals war es düster und einsam. Jeder kämpfte für sich. Und wir waren nicht mit der Welt verbunden. Eine Krankenhausblase, die sich nur auf Anouk fokussierte.
Und jetzt kann ich mit Stolz sagen: "Wir sind eine Familie". Mit anderen Anforderungen, Bedürfnissen und Ansprüchen an das Leben. Aber eine Familie. Wir gehen Hand in Hand durchs Leben, statt einsam im Einzelkämpfermodus.
Es gibt viele Momente, in denen ich glücklich bin. Teilweise glücklicher als früher. Denn jetzt kann ich auch spüren, was wirkliches Glück bedeutet. Und wie wertvoll diese Momente sind.
Das alles zeigt mir, wie sehr wir alle an dieser Scheiße gewachsen sind und darauf bin ich verdammt stolz.
Mo, 26.05.25
Heute Morgen haben wir mit Anouks Arzt telefoniert um den neuesten Stand zu besprechen. Weil wir alles telefonisch klären konnten, konnten wir daher den Termin heute sausen lassen. Ich habe mich so sehr über die 2,5h geschenkte Zeit gefreut, in der ich alleine Frühstücken konnte und nicht mich gleich zum Kindergarten abhetzen musste.
Weil Anouk aber in der Nacht von Sonntag auf Montag auf einmal wieder deutlich mehr Sauerstoff benötigte, werden wir die nächsten Tage noch dem Arzt Bericht erstatten. Bei einer weiteren Verschlechterung müssen wir natürlich in die Hauner.
Nach einem hin und her haben wir uns entschieden in 2 Wochen noch einen weiteren Kortisonstoß zu wagen. Anouk geht es tendentiell besser und das könnte am Kortison liegen. Oder an den vielen anderen Faktoren wie soziales Leben (Anouk hat zum ersten Mal einen Kindergartenfreund besucht), dem guten Essen (Papa hat Schweinsbraten gemacht und Anouk hat heute 5! Scheiben davon gegessen) oder dem vermehrten Schlaf. Seitdem Anouk insgesamt weniger Sauerstoff braucht und daher weniger gedoped ist, braucht sie wieder Mittagsschlaf und das tut uns allen richtig gut.
Vielleicht liegt es aber auch an Gott. Obwohl meine Mäuse (noch) nicht getauft sind, durften sie am Sonntag beim Tauferinnerungsgottesdienst dabei sein und wurden von der Pfarrerin gesegnet.
Heute Abend hat Anouk das erste Mal so richtig mit ihrem Bruder gespielt bzw. er mit ihr. Ich war so gerührt davon. Nicht nur, dass Anouk endlich fit genug ist, um mit ihrem Weihnachtsgeschenk zu spielen (Ein Hot-wheels-parkdeck) sondern auch, dass es Interaktion gibt. Dass Jakob Interesse zeigt. Dass er mit ihr redet. Ich glaube im tiefsten Inneren mag er sie vllt. doch.
Morgen hat Anouk ihre erste therapeutische Reitstunde und ich freue mich sehr darauf. Zum einen bin ich gespannt, wie es ihr gefällt und zum anderen freue ich mich sehr, selbst mal wieder auf einem Pferd sitzen zu dürfen. Schließlich muss ja jemand den Sauerstoff tragen und das geht nur im Rucksack versteckt, weil alles andere das Pferd verunsichern würde.
Do, 05.06.25
Wir schlängeln uns weiter durchs Leben. Wir genießen die Höhen und ignorieren weitestgehend die Tiefen.
Anouk hatte eine tolle erste Reitstunde. Weil ihr das "große" Pony doch zu groß war, saß sie schlussendlich auf einem kleinen süßen Pony namens "Idefix", was schon bei meinem Anblick drohte zusammenzubrechen. Daher durfte ich das Tierchen "nur" streicheln. Das Zusammen mit Anouks riesigem Stolz und ihrem Gekicher war definitiv Balsam für unser beider Seelen. Wir werden das bei Zeiten wiederholen, aber leider ist die Stunde nicht so ganz günstig, als dass es wöchentlich drin wäre.
Unser Wochenende am Waginger See war traumhaft. Tapetenwechsel, nette Menschen, neuer Input und die ständig frische Luft tun uns allen gut. So wahnsinnig es war sich einen Wohnwagen zu kaufen, so viel hat es sich jetzt schon gelohnt. Diesmal hatten wir einen kleineren Sauerstoffkanister dabei, was um einiges praktikabler war und für ein Wochenende auch ausreichend.
Die letzten 2 Wochen hat mich unser Hilfsmittelversorger ganz viele Nerven gekostet.
Da wird immer gegen die Krankenkassen gehetzt, dass diese so langsam und kompliziert wären. Dabei ist es die Firma selbst, die alles aufs maximalste verzögert hat. Frei nach dem Motto: "Verlasse dich und du bist verlassen" habe ich die Sache letztendlich doch selbst in die Hand genommen und siehe da: wir haben seit heute einen mobilen Sauerstoffkonzentrator und sind damit weitestgehend unabhängig vom Füllstand unseres Sauerstofftanks. Ein weiterer Schritt Richtung Freiheit. Somit können wir in der zweiten Pfingstwoche doch noch mit dem Wohnwagen an den Caldonazzo See fahren. Wir lassen nichts anbrennen, was uns schöne Momente bescheren kann.
Anouks Hustenanfälle sind teilweise wieder stärker geworden. Es ist so schön sie wieder mehr lachen zu hören, aber zu jedem Lachflasch gesellt sich ein fieser Hustenanfall und der Bedarf an mehr Sauerstoff. Eventuell liegt es an der nicht so effizienten Therapie mit dem Mukostar. Das Gerät macht uns technische Probleme. Glücklicherweise kommt nächste Woche der Erfinder aus Hamburg bei uns vorbei und löst hoffentlich das Problem. Mit 80 immer noch so aktiv zu sein finde ich sehr bewundernswert.
Heute hat Anouk auch wieder über Kopfweh geklagt. Das Zusammen mit dem Fakt, dass sie seit Monaten immer noch exakt 11,5 kg wiegt, nicht zunimmt und daher auch kein (Lungen)-wachstum zu erwarten ist lässt die Sorgenfalten wachsen. Aber es bringt nichts sich verrückt zu machen. Es kommt wie es kommt.
Anouk will weiterhin viel Laufen, aber klagt ganz oft über "Aua Füße" und kommt nicht weit. Sobald Gewicht auf ihre Füßchen kommt, verkrampfen sie und gehen automatisch in die Spitzfußposition. Es erfordert sehr viel Geduld, bis Anouk sich die Füße massieren lässt und sie kurzfristig wieder mehr mit den Fersen auf den Boden kommt.
In solchen Momenten versuche ich mir immer wieder bewusst zu machen, dass Anouk letztes Jahr nicht einmal stehen konnte und übe mich in Dankbarkeit.
Der Countdown zum Arbeitsstart läuft. Ab dem 23. Juni gehöre ich wieder etwas mehr zur "normalen" Gesellschaft und mit jedem Tag wächst meine Sorge vor dem was kommt. Es ist schon schwer, seine Erwartungen an sich und seine Arbeit in ein Teilzeit-Fenster zu packen. Dazu kommen aber jetzt schon zig Termine an denen ich in der Arbeit sagen muss "Da kann ich nicht". "Da komme ich erst ab Mittag" oder "An dem Tag kann ich nur 1,5h arbeiten".
Gepaart mit meinem nervigen Impostor-Syndrom ist das keine besonders gute Kombi.
Do bzw. Fr, 13.06.25
Weil Anouk nur mit mir Mittagsschlaf macht, bin ich also wieder mal um halb 2 Uhr morgens hellwach. 3 Stunden Mittagsschlaf sind definitiv zu viel (für mich).
Eigentlich wollten wir diese Woche Mittwoch bis Freitag den nächsten Kortisonstoß geben. Allerdings hat Anouk wieder produktiven Husten entwickelt, sodass ich mich nicht traue das Immunsystem durchs Kortison weiter zu drücken. Also wird die ganze Aktion nach unserem Urlaub stattfinden. In letzter Zeit ist sie auch wieder sehr Mamabedürftig (also noch mehr als sonst), weinerlich und müde. Ich schätze bzw. hoffe, dass das vom Infekt kommt.
Insgesamt ist Anouks Zustand weiterhin sehr variabel. Mal braucht sie kaum Sauerstoff, mal reichen ihr 5L nicht. Mal sagt sie, sie hat Kopfweh aber verweigert partout die HFNC, obwohl sie weiß, dass es ihr hilft. Mal schafft sie keinen Meter an der Hand zu gehen und mal flitzt sie mit dem Einkaufswagen durch den ganzen Edeka. Ich werde aus meiner kleinen Maus einfach nicht schlau. Auch das Essverhalten schwankt sehr.
Gestern hatte Anouk einen Termin beim Kinderzahnarzt. Sie isst zu viel süßes /Weizenprodukte
und Banane ist wohl für die Zähne eines der gemeinsten Obstsorten.
Auf meine Frage, was ich denn ihr geben kann was hochkalorisch ist und trotzdem gesund kam ein: Vollkornprodukte. Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Ich bin froh, wenn ich irgendwas in dieses Kind bekomme und bin happy wenn sie aktuell lieber Kaba als Wasser trinkt. Aber nein, ist ja alles Falsch.
Ja, Zähne sind wichtig. Aber auch Wachstum ist wichtig. Die Lunge ist wichtig. Anouks Lebensfreude ist wichtig.
Manchmal bekomme ich den Eindruck, dass jedes einzelnde "Gewerk" vergisst, dass Anouk immer noch ein Mensch und keine Maschine ist. Medikamente, Mukostar, Inhalieren, HFNC, NIV, Massagen, Physioübungen, Atemübungen, gesunde und wertige Nahrung mit großen zeitlichen Abständen zum remineralisieren der Zähne.. was denn noch alles? Ich gebe mein bestes, aber mir wird immer wieder vermittelt "da geht doch noch mehr". Solche Termine machen mich wütend.
Jakob ist gerade auch sehr Mamabezogen und es tut mir in der Seele weh, wie oft ich ihn wegen Anouk vertröste. Sie macht es einem auch wirklich nicht leicht. Sie schreit mit einer Ausdauer, dass ich es dann nicht mal schaffe auf Jakobs Gefühle einzugehen. Ich versteh mein eigenes Wort ja selbst nicht, wenn Anouk wuttechnisch richtig loslegt.
Ab Samstag geht es mit unserem Wohni für eine Woche in den Urlaub an den Caldonazzo See. Viel Freude und auch etwas Sorgen. Akzeptiert sie den Sauerstoffkonzentrator? (Aktuell hasst sie das Teil, aber vllt ändert sich ihre Einstellung, wenn sie merkt, dasss es sonst keinen Sauerstoff gibt). Haben wir genug Leistung auf dem Campingsplatz, dass der Konzentrator auch seine Arbeit verrichten kann? Haben wir genug Schatten, dass uns das Gerät nicht überhitzt?
Mi, 18.06.25
Wie schön und wie anstrengend es ist mit beiden Kindern im Urlaub zu sein.
Physisch, weil ich Anouk viel tragen muss und leider nur ein Arm verfügbar ist, während der andere diesen unhandlichen Sauerstoffkonzentrator zieht. Immerhin funktioniert er trotz 31°C. Einen Tag lang hat sich Anouk geweigert den Konzentrator anzunehmen. Ein paar Wutanfälle später, will sie ohne ihn nicht mehr raus.
Aber vor allem ist es psychisch herausfordernder als ich dachte.
Ich hatte Angst vor diesem Urlaub. Vor Italien. Das letzte Mal endete in einem Albtraum. Diesmal ist es besser. Schritt für Schritt werden die alten Erlebnisse überschrieben. Wir waren vorgestern in einem italienischen Supermarkt. Ich weiß, dass der Besuch im italienischen Supermarkt damals nicht der Grund für Anouks Rezidiv war.
Und dennoch erinnere ich mich noch ganz genau wie Anouk auf einmal anfing zu spucken und Bini mit ihr zum Auto gegangen ist und auf Jakob und mich gewartet hat. Das war der Wendepunkt unseres Urlaubes und so war ich diesmal den ganzen Einkauf lang unfassbar angespannt. Obwohl ich wie gesagt weiß, dass Einkäufe in italienischen Supermärkten keinen Hirndruck machen.
Es gibt viele schöne Momente, weil Anouk teilweise unglaublich süß ist. Aber auch viele bittere Momente, wenn ich Einjährige rumwetzen sehe während meine Tochter nicht laufen kann.
Wenn die Kinder in der Minidisko tanzen und Anouk vor 2 Jahren körperlich wesentlich fitter war und mehr mitmachen konnte als jetzt.
Wenn ich Anouk vor die Wahl stelle: entweder rutschen oder Sauerstoff. Entweder Planschen oder Sauerstoff. Der Konzentrator ist einfach zu unhandlich.
Wenn Jakob zum Spielplatz los saust und Anouk immer warten muss, bis sich einer von uns erbarmt. Wenn die Kinder sie anstarren und ein kleiner deutscher Junge zum anderen Kind sagt: "komm lass uns gehen, die ist komisch".
Wenn Anouk sich daraufhin schämt. Das war das erste Mal, dass ich das gesehen habe. Verdammt tat das weh.
An manchen Tagen kann ich den Urlaub richtig genießen. Wärme. Sonne. Baden gehen. Aber es gibt hier leider doch so vieles was mich zum Nachdenken anregt. Wir sind tagaus tagein mit anderen Familien konfrontiert. Sehen wie es sein könnte. Was "normal" ist.
Ich mache mir mittlerweile auch Gedanken, ob Anouk vllt mental zurückgeblieben ist. Sie ist an sich ein schlaues Mädchen, aber wenn ich die anderen 3 Jährigen sehe, die ganze Sätze sprechen können, komme ich ins Grübeln. Im September wird Anouk 4 und der Abstand zwischen ihr und den Gleichaltrigen wird gefühlt immer größer statt kleiner. "Die holen das alles wieder auf", war der Standardsatz in der OTK. Aber wie lange dauert das? Wieso ist mein Kind immer noch so klein und leicht wie eine Eineinhalbjährige? Warum sind ihre Haare so flaumig, wie bei einem Neugeborenen? Warum läuft sie denn immer noch nicht? Warum spricht sie keine ganzen Sätze?
Warum spricht sie manche Wörter nur in Lauten nach und nicht korrekt? Vllt hat das eine Chemotherapeutikum doch einen Hörschaden verursacht? So viele Gedanken rasen durch meinen Kopf, dass ich zeitweise das Gefühl habe, dass er platzt. Ich bräuchte bitte Urlaub vom Urlaub. Oder besser gesagt: Urlaub von meinem Kopf.
Mi, 25.06.25
Tag 3 und damit letzter Tag dieses Kortisonstoßes. Ich glaube leider, dass Anouk noch zu infektig war als wir gestartet haben.
Nicht nur die Laune sondern auch ihr körperlicher Zustand ging bergab. Mehr Sauerstoff, deutlich produktiverer Husten. Wenigstens höre ich mit dem Stethoskop keine Verengungen mehr sondern nur ordentlich Schleim der hin und herbewegt wird. Eigentlich müssten wir viel mehr Inhalieren. Aber Anouk will partout nicht. Aktuell noch ein größerer Kampf als eh schon. Zumindest sind wir nach unserem Urlaub wieder voll dabei mind. 1h Mukostar am Abend zu machen. Ob der Stoß etwas gebracht hat? Schwer zu sagen. Aktuell sehe ich nur die Nebenwirkungen.
Anouks Arzt ist diese Woche noch im Urlaub, daher gibt es von der Seite auch nicht viel Neues zu berichten. Ich wälze mich durch Paper über Zusammenhänge zwischen Wachstumshormone und Krebs. Über Möglichkeiten die Hypophyse zu testen, um zu wissen ob Anouk überhaupt in der Lage ist diese Hormone zu bilden. Und über Diagnosekriterien zu bronchiolits obliterans (BO). Ich fände es wirklich schön, wenn wir zumindest eine Ahnung hätten was sie in der Lunge eigentlich hat.
Seit Mitte 24 gibt es eine neu überarbeitete Guideline zur Diagnose von BO. Ich muss Herrn G. unbedingt nach der "Lung clearance" fragen. Das wird bei pädiatrischen Patienten verwendet, die keine Lungenfunktionstests durchführen können, weil sie noch zu klein sind.
So langsam stört mich dieses "Wir machen so lange Kortisonstöße, bis sich keine weitere Verbesserung mehr zeigt". Es muss eine andere Lösung geben.
Heute hatte Anouk theoretisch therapeutisches Reiten. Aber Praktisch war nichts zu machen: Anouk hat nur nach Mama geweint. Jakob wollte nämlich unbedingt, dass ich bei ihm bleibe und mit ihm spiele. Er muss eh so viel zurückstecken. Als ich heute aus der Arbeit heimgekommen bin, saß er ganz leise in seinem Zimmer, hörte Wobiebox und flüstert mir zu, dass Papa und Anouk schlafen und wir leise sein sollen. Unfassbar wie brav er dann manchmal ist.
Anouk fand das natürlich mehr als doof und so wurde das Reiten boykottiert.
Heute war mein zweiter Arbeitstag und ich fühle mich psychisch so erholt. Ich kann mich aufs Lesen/ Mails/ Lernen konzentrieren. Ohne dass jemand schreit. Oder fragt, "wie lange noch"?
Ich habe keinen Mama-Tinitus mehr. Man lässt mich ausreden. Ich muss nicht überlegen wann ich strategisch am besten aufs Klo gehe ohne das Kind mit Beatmung mitzuschleppen. Ich habe ein Kaffeautomat, der auf Knopfdruck funktioniert und ich kann mein Mittagessen selbst aussuchen, muss nichts kleinschneiden oder 5 mal aufstehen weil etwas anderes gewünscht ist.
Dass das so möglich ist, verdanke ich Bini, der für die ersten zwei Wochen das zum Kindergarten hinbringen/ wieder abholen komplett übernimmt, dass ich keinen Zeitdruck habe und auch gemütlich in der Arbeit Netzwerken kann.
Und natürlich meinem Chef, der mich grad wirklich nur ankommen lässt.
Mein Kalender ist leer, die Schulungen mache ich in meinem Tempo...
Ich würde sagen: besser als Urlaub.
Mir ist klar, dass das nicht so bleiben wird und ich in spätestens 2 Wochen am umherhetzen bin. Aber bis dahin genieße ich es.
Was ich allerdings jetzt schon merke ist der Schlafmangel. Selbstverschuldet, weil ich abends das Gefühl habe zu wenig vom Tag/ von zu Hause gehabt zu haben und daher noch viel im Haus herumwusel.