Weil jedes Update an Jeden Zeit kostet. Ich möchte euch trotzdem weiterhin an Anouks Geschichte teilhaben lassen.
14. November. Erste MRT Kontrolle. Bis dahin würde ich unser Leben wieder planen können.
Es kommt anders als gedacht.
Beginn: Di, 19.09.23. Wir sind in Fiumaretta di Ameglia. Gestern angekommen. Anouk ist quengelig. Sie übergibt sich im Supermarkt. Bini wartet am Parkplatz, ich kaufe schnellstmöglich Lebensmittel für uns ein.
Rede Abends mit Bini: "Durch diese ganze Geschichte bin ich total hypochondrisch. Mein erster Gedanke beim Erbrechen war: Hirntumor. Metastasen. Völlig verrückt."
Mi, 20.09.23
Anouk isst aber muss sich weiterhin ab und an übergeben. Magen-Darm?
Trotzdem gehen wir mit ihr an den Strand. Sie spielt eifrig im Sand.
Do, 21.09.23
Anouk liegt nur herum. Mag nicht mehr. aufstehen. Nur auf den Arm. Schlafen. Odansetron (Anti-brech-mittel aus chemozeiten) hilft nicht.
Würde gerne nach Hause, dass ich am Freitag noch zum Kinderarzt kann. Der kennt uns. Ich möchte nicht zum Notdienst am Wochenende. Ich wollte nie wieder ein Krankenhaus betreten. Übertreibe ich? Nachts wacht sie oft auf, übergibt sich, weint und schläft wieder ein.
Fr, 22.09.23
Ich bin nicht mehr zu halten. "Wir fahren".
Ich wollte nicht in Italien zum Arzt gehen. Mit ihrer Krankengeschichte wären wir sicher im Krankenhaus gelandet. Ich will nur noch nach Hause. Bini und Jakob sind irritiert von meiner Hysterie. Ich packe alles zusammen. Ferienhaus so weit aufräumen. Müll weg. Gino Gassi und ab nach Hause.
7h +x weil ständig Stau. Zusätzlicher Nervenkitzel durch EPC Warnleuchte und ruckelndes Auto. Suchen verzweifelt eine Werkstatt in der Nähe. Kaum waren wir dort, Motor aus. Motor wieder an. Kein ruckelndes Auto mehr. Fahren wieder zurück auf die Autobahn. Wir haben keine Zeit für Reparatur. Wir fahren, soweit es mit der Karre eben geht.
Anouk ist lethargisch im Kindersitz. Spucken. Schlafen. Fahren ohne Pause direkt nach Penzberg. Kinder ins Bett, Auto grob ausräumen.
Ich lege mich zu Anouk ins Bett. Ich gehe morgen auf jeden Fall zum Bereitschaftsdienst.
Sa, 23.09.23
Jakob will mit und ist weinerlich. "Es ist nur ein Arzttermin. Die Chemozeiten sind vorbei. Wir sehen uns nachher".
Anouk ist dehydriert. Elektrolyte entgleist. Stationäre Aufnahme. Ich breche in Tränen aus. So viele Erinnerungen kommen hoch. Zugang. Infusion. Ärzte. Krankenhausbett.
Nach der Infusion soll es ihr schnell besser gehen. Rede mir ein, dass dieser Krankenhausaufenthalt ja ganz anders ist und wir am Sonntag wieder heim können.
Übelkeit wird besser, dafür kommt auf einmal Durchfall. Spricht ja für die Gastroenteritis. Müssen Geduld haben.
Die Nachtschwester verabschiedet mich. "Bis morgen". Wollte noch erwidern, dass wir morgen Abend nicht mehr da sind.
So, 24.09.23
Es geht ihr kaum besser. Immer noch spucken. Monitor bimmelt ständig wegen zu niedriger Herz und Atemfrequenz. Ärztin meint, wir müssen wahrscheinlich bis Dienstag bleiben. Wieder Jakob enttäuschen. Flashback. Wegen meiner Sorgen wollen sie morgen mit der Haunerschen telefonieren.
Nachts läuft Zugang para. Neuer Zugang.
Ständige Blutgasanalysen mit Fingerpieksen. Reinzwängen von Kaliumlösungen (oral). Ständiges Umziehen/ Bett Beziehen. Sie spuckt so viel. Nicht mal Wasser wird behalten.
Mo, 25.09.23
Werden zur Haunerschen in die Tagesklinik überwiesen. MRT-Slot spontan verfügbar. Fahren mit Blaulicht und Martinshorn.
Ein paar bekannte Gesichter. Geben mir Mut.
Wieder Blutabnehmen. Ihr Zugang tut ihr weh. Alles was reingespritzt wird, wird mit Schreien quittiert.
MRT. Narkose. Sie wehrt sich. Propofol durch den Zugang muss ihr höllisch weh getan haben. Dazu Didi raus, weil Narkosemaske. Sie weint bitterlich und ruft Mama. Nach 2 Minuten schläft sie. Es soll ne halbe Stunde dauern. Vllt auch eine Stunde. Ich warte.
Wortfetzen dringen an mein Ohr. Hektische Telefonate. Ich bin nervlich durch. Weine. Gehe zum Fenster und starre in den blauen Himmel. Schreibe euch die Updates. Wieder weinen.
Onkologin steht vor mir. Die Hirnhäute sind wohl etwas heller, aber man kann jetzt noch nicht sagen, was es ist. Sie ist da, um eine Lumbalpunktion zu machen.
Liquor ist klar (bei großer bakterieller Infektion wäre es wohl eitrig) und sie haben auf den ersten Blick sowohl im Kopf als auch im Rückenmark keine Raumforderung gesehen! Es ist noch nicht ganz vom Tisch, ob es Metastasen sind. Sie schauen sich das noch genauer an. Damals hieß es auch erst "keine Metastasen" und dann auf einmal schon.
Liquor geht ins Labor und wir sollten abends einen Befund haben, zumindest vom liquor. Es muss nicht zwangsläufig etwas mit dem Sarkom zu tun haben. Es kann auch sein, dass sie wie ein normal gesundes Kind sich einen fiesen Infekt geholt hat. Eventuell virale meningitis.
Werden auf die Intern 4 verlegt. Noch kein Zimmer frei. Warten in einem Behandlungsraum.
Es kommt ein Arzt von der Intern 4 und irgendein Professor.
Der meinte, dass er nicht von Meningitis ausgeht, weil sie gar kein Fieber hat.
Konkrete Fragestellung ans Labor ist: "Sind Tumorzellen im Liquor"
Laut dem Professor hatte Anouk zu hohen Hirndruck, was auch die Übelkeit machen kann. Müsste jetzt etwas besser sein, weil ja etwas Liquor abgenommen wurde.
Er ist sich nicht sicher, ob heute das Ergebnis noch kommt.
Beziehen das Zimmer auf der Intern 4.
Sehe Besoffene vorm McDonalds. Theresienwiese ist nicht weit.
Weine und Weine. Sie wollen wieder Blut abnehmen.
Freue mich aber, dass es Anouk etwas besser zu gehen scheint. Sie isst endlich etwas: 1 Schokobon und schaut Connie. Wieder etwas wacher.
Werden dann spontan auf die Intern 3 gelegt. Onkologie. Da wären wir besser aufgehoben. Haben dafür einen Patienten verlegt.
Fahre mit der Ärztin das Krankenbett rüber. Aufzug, Glasübergang, links:
Welcome Back Intern 3.
Blut abnehmen. Neuer Zugang. In der Ellenbeuge. Wird geschient, dass Anouk den Arm nicht so abknicken kann. Hoffen so, dass der Zugang so länger hält. Wenigstens weint sie nicht mehr bei Infusion. Der schmerzende Zugang wurde entfernt.
Abends kommt Frau B. (Oberärztin der Onko) noch herein.
Es sind zu viele Zellen im Liquor. Welche Zellen wissen sie nicht. Entzündungszellen oder Tumorzellen. Sie hätte auf Viruszellen getippt. Bakterielle Infektion ist eher ausgeschlossen, weil Anouks Liquor klar war und sie kein Fieber hat.
Die Hoffnung auf nen Virus schwindet. Die ersten häufigsten Erreger wurden getestet und alle waren negativ.
Morgen bekommen wir den Zellausstrich vom Liquor.
Ich hoffe unendlich, dass sie keine Tumorzellen finden. Therapie wäre dann nur noch Bestrahlung möglich, ohne Rücksicht auf Entstellungen. Es ist Hölle. Einfach nur Hölle.
Di, 26.09.23
Wenn die Psychoonkologin mit der Ärztin reinkommt, weiß man schon Bescheid.
Die Zellen sehen nicht gut aus. Gar nicht. Es ist sehr wahrscheinlich ein Rezidiv. Untypisch. Aber was war an ihrer Erkrankung schon typisch. Finalbefund kommt durch die Pathologie heute spät nachmittag.
Dann erst wird der nächste Weg besprochen. Sie bekommt Mittel gegen den Hirndruck. Es hilft. Sie ist schon viel wacher, isst etwas und kann sogar wieder lächeln. Es ist so unfassbar. Meine Babymaus…
Wenn es bestätigt wird, gibt es wieder Ganz-Körper pet ct zum Staging. Hicki- Anlage. Planung der Bestrahlung.
Bini und Jakob sind da und bleiben auch über Nacht. Ich will nicht mehr alleine sein.
Pathobefund ist noch nicht da, weil -surprise surprise- sich die Pathologen wieder nicht einig sind. Das lässt hoffen.
Ebenso wie die Aussage, dass es komisch ist, dass es Anouk so viel besser geht.
Sie lächelt wieder, brabbelt, isst Fleisch und trinkt. Sie war auch den ganzen Tag wach ohne Mittagsschlaf und hat sich Connie und Co angeschaut. Das wäre gestern gar nicht möglich gewesen. Im Prinzip war sie seit Donnerstag nur apathisch im Bett. Ich bekomme wieder Hoffnung. Dabei möchte ich gar nicht mehr hoffen. Es ist verrückt wie sich gefühlt alles wiederholt.
Dass Bini und Jakob hier übernachten, hilft mir sehr. Es fühlt sich "normal" an. Total verrückt.
Mi, 27.09.23
Anouk hat schlechte Laune. Nachts ist sie total ausgeflippt, weil sie keine Windel tragen wollte, oder weil sie ihr dreckiges Shirt wiederhaben wollte….Es ist schön zu sehen, dass sie wieder so Energie hat aber nachdem alle hier so nachfragen, bekomme ich Angst, dass ihr "Temperament" irgendeine Metastase im Hirn ist.
Das Weinen hat mir wieder alles vor Augen geführt. Sie will den Zugang nicht, sie will nicht ständig Blutdruck und Fieber messen. Sie will nicht täglich mehrfach "nur kurz am Finger gepiekst" werden. Ich werde sauer. Und die Angst vor dem "Tiefschlag" lauert. Die Hoffnung hat sich in mir breit gemacht, dass es doch ein Virus ist. Weil wieder alles so unklar ist. Es ist wie damals. Das Zittern, das Hoffen. Die Hiobsbotschaften durch die Ärzte.
Heute werde ich auch nichts anderes tun, als auf die Ärztin zu warten.
Jakob langweilt sich. Er ist ja auch hier isoliert. Der Plan "alle 4 beisammen" klappt wohl auch nur bedingt. Ich will nur nach Hause.
Anouk hat Clostridien und bekommt wieder Vancomycin.
Lieber Gott, falls es dich wirklich gibt, dann bitte, bitte beschütze meine Maus und lass uns endlich Familie sein. Sie hat so viele Schmerzen und Qualen in ihren jungen Jahren erlitten. Es reicht.
Mir fehlt die Kraft. Ich mag nicht mehr organisieren.
Der Witz ist ja mal wieder: man muss einfach funktionieren.
Wie sehr wünschte ich mich zurück wieder an den Gardasee, wo meine Mäuse pool nass den Animateur staunend beobachtet und versucht haben zu "Socu Socu Bacci Bacci Vira" mitzuklatschen.
Halb 4 und immer noch nichts. Anouk sind 2 Zugänge para gelaufen. Sie wollten einen neuen Zugang legen und haben Emsa Pflaster zur Betäubung geklebt.
Stunden später heißt es erst, dass die Ärzte schon kommen. Und dann kommt die Schwester, tut die Pflaster weg und sagt, dass wir dann erst abends nen neuen Zugang fürs Medikament brauchen. Sonst bräuchte sie keine Infusionen mehr.
Anouk hat auch kleine vereinzelte Bläschen bekommen. Ich bekomme gerade viel zu viel Hoffnung, dass es doch nur ein Virus ist.
Bini meinte, dass sie vllt die Hicki-Anlage planen. Und dass es deswegen nicht mehr so dringlich ist.
Oder dass sie das Medikament mit dem Virus eh absetzen, weil es doch Tumorzellen sind. Ich werde total wahnsinnig. Mein Kopf explodiert und ich habe einfach Angst vor dem Tiefschlag. Genau wie damals.
Halb 6. Immer noch nichts. Gehe auf den Klinikspielplatz mit Jakob. Es ist so viel einfacher wenn man zusammen ist. Ich kann endlich frische Luft schnappen.
Kaum war ich draußen, kam Frau B. rein. Endlich mal gute Nachrichten: die Pathologen gehen von Lymphozyten aus = Infektion und keine Tumorzellen.
ABER: es wurde nur ein Tumormarker im Liquor gemessen und sie hätte gern mehr, um auf Nummer sicher zu gehen. Also morgen nochmal Lumbalpunktion, ZVK legen (weil sie keine Vene mehr finden) und wieder abwarten.
Do, 28.09.23
Maus ist erst um 12 Uhr in den OP gefahren. Sie hatte so Hunger, musste aber nüchtern bleiben.
Abends wurde noch versucht, ihr einen neuen Zugang am Kopf zu legen. Erste Seite nicht geklappt, auf der anderen Seite ging es dann. Sie weinend am Kopf auf meinem Schoß festzuhalten, war wieder ein Moment, auf den ich gern verzichtet hätte.
Auch wurden ein paar Bläschen aufgestochen und ebenfalls zur Diagnostik verschickt. Nachts ist ihr Zugang wieder para gelaufen. Anouk hat geweint und wollte ihr Netzhäubchen, was sie als Schutz tragen musste, runterziehen. Da sie die Alternative , eine Woll-Mütze auch nicht tragen wollte, durfte sie dann auf meinem Arm schlafen, damit der Zugang gesichert ist.
10 Minuten später hatte sie eine riesen Beule. Zugang wieder kaputt.
Heute versuchen sie eine Picc-line zu legen. Das wäre ein Zugang mit dem sie nach Hause könnte. Falls das nicht klappt, bekommt sie einen ZVK und muss für die Therapiedauer (je nachdem ca. 10 Tage) komplett stationär bleiben.
Sie wissen aber immer noch nicht, was es ist. Gerade war die Virologin da und hat uns über unseren Urlaub ausgefragt, mit was Anouk alles Kontakt hatte.
Ich hoffe so sehr, dass sie bald wissen, was es ist und dass da nicht doch noch wieder ein Krebsverdacht um die Ecke kommt. Diese Gefühlsachterbahn möchte ich nie wieder erleben müssen. In einem Moment plane ich die letzten Monate ihres Lebens, im anderen ist es "nur" eine Meningitis.
Vielleicht haben wir mal Glück und die Picc-line funktioniert und sie darf wieder heim..idealerweise könnten wir die Therapie sogar beim Kinderarzt machen.
Ok. Der Typ da oben ist ein…
Es ist kein Rezidiv. Es ist Leukämie.
Verifizierung erfolgt morgen.
Vllt. War es doch kein Sarkom und sie wurde falsch therapiert.
Um das Wirrwarr mal zusammenzufassen:
Die Oberärztin meinte vorgestern, dass die Zellen gar nicht gut aussehen und sie von einem Rezidiv ausgehen. Pathologie sagte gestern, dass es Viruszellen sind. Entwarnung und Freude.
Frau B.wollte zur Sicherheit dann nochmal punktieren und ein FACS laufen lassen.
Heute kommt Dr. Br. und sagt, es sieht nach AML aus.
Es gibt ganz seltene Fälle, dass es sich nicht im Blut zeigt. Und ihr solider Tumor kann auch durch eine AML entstanden sein. Sie war ja inital CD34 negativ und es kann sein, dass auf Grund dessen Leukämie gleich ausgeschlossen worden ist. Dabei gibt es eben Fälle, die trotz CD34 negativ trotzdem Leukämie haben.
Ich habe damals Prof. F. extra angesprochen, dass ich glaube, dass beim Sarkom fehldiagnostiziert worden ist. Es gab damals schon so viele Ungereimtheiten. Er meinte, es ist gesichert, dass sie ein Sarkom hat. Mein Bauchgefühl wollte die Proben noch zu einer anderen Pathologie schicken, was mir ausgeredet worden ist.
Alle die Monate waren umsonst!
Man kann auch keine Chemo : "anrechnen". Sie müsste dann komplett das AML Protokoll durchlaufen. Je nachdem 5 Monate +×.
Morgen wird nochmal Knochenmark punktiert, je nachdem haben wir morgen gleich die gesicherte Diagnose oder müssen noch auf die Referenzpatho abwarten.
Ich finde es extrem krass, dass sowas passieren kann und dass meine Tochter dafür büßen muss.
Das Schlimmste ist: egal wen ich verklage (und ich werde alles dafür tun, dass die Verantwortlichen Pathologen zur Rechenschaft gezogen werden!): Anouk wird wieder durch die Hölle müssen. Mit einem durch die vorherigen Chemo extrem geschwächten Körper.
Wir müssen uns jetzt auch erstmal auf einen längeren Krankenhausaufenthalt einstellen. Anouks Zellzall im Liquor ist von Montag auf heute drastisch gestiegen. Sie darf so nicht nach Hause.
Die OP zur Katheteranlage war dann auch umsonst.
Morgen bekommt die Pathologie eins auf den Deckel und sie sollen noch andere Färbungen durchführen.
Ich fühle mich wie in einem absolut schlechten Film.
Ich packe keine Trennung von meinen Kindern mehr. Das halte ich nicht aus.
Fr, 29.09.23
Lumbalpunktion, Knochenmarkspunktion.
Dr. Br. steht im Zimmer und fragt, ob jemand von unserem Bekanntenkreis nach Essen fahren könnte. Wenn sie vor 15 Uhr die tagesfrische Liquorprobe haben, könnten sie auch nochmal gleich nachschauen. Die haben scheinbar ein anderes FACS?
Wie surreal ist es: Bini und Dr. Br. schauen bei googlemaps und der Bahn wie man am schnellsten nach Essen kommt. Wir hätten den Zug in 5 Minuten nehmen müssen. Ok. Das klappt nicht.
Parallel versuchen wir Anouks Liquor auf eigene Kappe noch woanders analysieren zu lassen. Haben uns jetzt ne Probe vom Liquor in Formalin abfüllen lassen. Alle anderen Proben sind ja schwierig:
Im Blut ist nichts zu sehen, vom soliden Tumor ist ja nichts mehr da.
Jetzt kam Dr. Br. rein, dass wohl noch ungefärbte Objektträger von ihrem Primärtumor vorhanden sind. Diese werden jetzt auf AML-Marker nachgefärbt.
Im Nervenwasser wurde es jetzt bestätigt: Es ist AML. Fuck.
Der Klinikdirektor war auch schon da. Der ahnt schon, was das für hohe Wellen schlagen wird. Die Pathologen haben mind. 1 x komplett fehldiagnostiziert. Wenn Anouk mit ihrer Diagnose nach Hause geschickt worden wäre, wäre sie wahrscheinlich in nem Monat schon tot.
Nächste Woche ist Hicki-Anlage. Ich bin so enttäuscht und wütend, dass ich noch gar nicht richtig über die Diagnose weinen kann.
Fakt ist aber: das alles hätte ihr erspart werden können. Ich hoffe, wir sind nicht zu spät mit der Therapie. Schließlich war es erst nur im Gesicht und jetzt hat es ins ZNS gestreut. Die hellen "entzündeten" Stellen der Hirnhäute sind wohl auch Tumorzellen.
Auch steht eine Stammzellentransplantation im Raum.
Sie rotieren, um den "Fehler" gut zu machen. Und egal wie viel Geld und Annehmlichkeiten man mir bieten würden: Anouks Chancen geheilt zu werden, sind durch diesen "Fehler" reduziert. Das werde ich Ihnen nie verzeihen. Nie.
Sa, 30.09.23
4:34 Uhr, Anouk bekommt wieder Blutdruck gemessen. Windel wechseln, sie weint. Sie weint asymmetrisch. Ihre rechter Mundwinkel und Auge bleiben starr. Arzt kommt. Er geht nicht von einem Schlaganfall aus. Mir ist schlecht.
Irgendwas stimmt nicht.
Dr. Br. (Onkologe) und Neurologe wurden hinzugezogen. Es kann sein, dass "nur" der eine Nerv betroffen ist, was zu ihrer Grunderkrankung passen würde. Das wäre auch rückläufig. Nichtsdestotrotz wollen sie nichts übersehen, ob es im schlimmsten Fall doch ein Schlaganfall ist. MRT wird organisiert. Ich weiß nicht, wann dieser Albtraum endlich ein Ende hat.
Kurz vor 7 Uhr morgens die Entwarnung: Kein Schlaganfall. Nervenwasser wurde auch punktiert. War wieder klarer als gestern. Gestern wurden ihr ja auch gleich 3 Chemotherapeutika ins Nervenwasser gespritzt. Herr Br. vermutet, dass der hohe Zellzerfall durch die wirkende Chemo den Gesichtsnerv reizt.
Ich hoffe, dass das bald wieder weg ist.
Es macht mir so Angst, sie so zu sehen.
So, 01.10.23
Anstrengende Nacht. Ständiges Blutdruckmessen, Reinzwängen von Vancomycin mitten in der Nacht (gegen Clostridien- wirkt aber nicht. Haben schon einen Test auf Resistenz abgegeben.) Anouk sagt immer "Mag nis". Sie hat keine Lust mehr, dass sie ständig was über sich ergehen lassen muss. Sie weint viel. Immer noch einseitig.
Immerhin gab es keine neuen Zwischenfälle und es geht ihr immer besser. Aufstehen mag sie aber immer noch nicht.
Hab mich heute in die Kapelle zurückgezogen. Da ist niemand und man kann in Ruhe weinen. Es lag ein Buch da. So viele Lobpreisungen an den Herrn.
Von mir hat er einen anderen Text bekommen. Wie kann er nur diese Grausamkeiten zu lassen, wenn es ihn denn gibt und er so liebevoll ist?
Bini und ich sind erschöpft. Wir fühlen uns überfahren. Das Aufwachen und das Realisieren ist am schlimmsten.
Mo, 02.10.23
Anouk musste heute früh wieder spucken.
Ansonsten geht's ihr gut. Sie langweilt sich sehr und ich hoffe wir dürfen bald mal raus. Es sieht ganz nach Stammzellentransplantation aus. Ein krasser Weg liegt vor uns.
Es hat nicht mal richtig angefangen und ich mag jetzt schon nicht mehr. Bini bekommt wieder seine Ausraster, Jakob will heim, aber nur mit Mama.
Ich hab den Geschäftsführer des Münchner Leukämie Labors Herr Haferlach um Hilfe gebeten. Wir haben heute Anouks damalige Pathobefunde durchgesprochen. Er kann sich nicht vorstellen, dass sich so viele Pathologen unabhängig voneinander geirrt haben. Es besteht die Möglichkeit, dass die Chemo, die Anouk damals erhalten hat, AML ausgelöst hat. Das kommt vor, allerdings etliche Jahre nach Behandlung. Er hat in seinen 40 Jahren erst einen Fall gehabt, wo 4 Wochen nach therapieende AML diagnostiziert wurde. Alles unklar.
Ich muss die Genanalyse abwarten. Dort war damals alles negativ. Falls sie jetzt irgendwelche Brüche im Genom zeigt, bedeutet das, dass die Pathologen sich nicht geirrt haben, sondern Anouk tatsächlich 2 Krebserkrankungen in kürzester Zeit bekommen hat.
Sobald ich neue Befunde bekomme, kann ich diese wieder mit Herrn Haferlach besprechen. Darüber bin ich sehr dankbar.
Ich war gerade mit Jakob in München shopping. Es fühlt sich alles wie in einem schlechten Film an. Wir stehen immer noch unter totaler Fassungslosigkeit und versuchen nur noch, Stunde für Stunde zu leben.
Die Studienleitung in Essen für AML möchte die Genanalyse noch abwarten, bevor sie sich für ein Therapieprotokoll festlegen. Wir müssen also länger bleiben. Nach Hause dürfen wir nicht, weil Anouk durch den Befall des ZNS auch krampfen könnte. Daher ist sie nach wie vor rund um die Uhr am EKG.
Die Nachfärbung des letzten Tumorpräperates ihres damaligen "Sarkoms" ergab, dass die anderen AML Marker auch nicht überexprimiert waren. Sprich es erhärtet sich der Verdacht, dass Anouk unfassbares Pech hatte.
Aber ich glaube noch nicht daran. Schließlich hat die Pathologie, die es vergeigt hatte, die Nachfärbungen gemacht. Wäre ich in ihrer Situation würde ich auch alles daran setzen, dass die Nachfärbung negativ ist.
Di, 03.10.2023
Wir dürfen immer noch nicht raus spazieren gehen. Wenigstens wurde die Isolation aufgehoben. Endlich auf den Flur. Endlich ins Spielzimmer. Und mir wird bewusst, dass Anouk fast die Hälfte ihres Lebens im KH verbracht hat. Als sie reinkam, war sie noch ein Baby. Mittlerweile ist sie schon eine richtige kleine Persönlichkeit.
Anouk geht es von Tag zu Tag besser. Sie ist eigentlich wie früher. Außer, dass sich an ihrem Gesicht nichts verändert. Ich will das ganze Lächeln meiner Maus wieder. Nicht nur die Hälfte. Donnerstag bekommt sie wieder Lumbalpunktion und Chemo ins Nervenwasser. Je nachdem, wie es ihr danach geht und wie schnell die Genanalyse ist, können wir eventuell sogar für ein paar Tage heim. Mir fehlt unser zu Hause. Mir fehlt Gino.
Ich kann irgendwie nicht mehr weinen und fühle mich einfach betäubt. Bini gehts auch so.
Obs an dem Stress liegt oder an der Schlafsituation: Wir haben ständig Kopfschmerzen.
Mi, 04.10.23
Endlich wieder “Normalität” auf Station. An den Feiertagen und am Wochenende ist das immer wie ausgestorben. Der “Trubel” tut mir gut.
Anouk hat heute schon 2 schöne Bilder in rot gemalt. Ich hatte heute schon ein langes Gespräch mit Frau B. Es wird jetzt die Genanalyse der AML abgewartet und dann die Therapie gestartet. Es gibt mittlerweile 3 Theorien:
Initialdiagnose war falsch und es war von Anfang an AML
Initialdiagnose war richtig und sie hat unfassbar viel Pech, dass sie jetzt AML hat.
Sie hat eine genetische Disposition und ihre zelleigenen Reparaturmechanismen funktionieren nicht richtig. Dann würde sie immer wieder Tumore bekommen. Ich hoffe so sehr, dass es das nicht ist.
Es steht auch wieder Bestrahlung des Schädels im Raum.
Uns bleibt nichts anderes übrig, als im Moment zu leben. Tag für Tag.
Wir freuen uns über jede Ablenkung. Sei es Jakob zu entführen und mit ihm was schönes zu machen. Oder mit Bini oder mir ne Runde um den Block zu gehen. Einen Kaffee zu trinken. Oder über belanglose Dinge zu quatschen. Wir dürfen nur nicht krank werden, alles andere ist egal. Durch die aufgehobenen Coronaregeln, dürfen wir auch Besuch empfangen. Nur Kinder unter 14 Jahren müssen dann vorher von nem Arzt kurz angeschaut werden, damit keine Krankheiten auf die Station kommen. Wer auch Ideen hat, wie wir die Mäuse noch beschäftigen können, Spielzeugideen etc, nur her damit. Mittlerweile ist es mir sogar egal ob es plastikscheiß ist oder ob es notwendig ist. Hauptsache Ablenkung. Beide hängen mittlerweile so viel vor der Glotze.
Ich hab keine Ahnung, wie das alles weitergehen soll. Aber im Moment sind wir 4 zusammen und es geht uns “gut”.
Anouk bekommt jetzt 3 Tage lang hochdosis Cortison i.v. Das soll ihrer Gesichtslähmung entgegenwirken. Dann dürfen wir wahrscheinlich zum Wochenende heim. Vor Montag würde eh nichts mehr passieren. Ich freue mich so auf zu Hause und hab gleichzeitig Angst vor Blicken oder Kommentaren. .
Do, 05.10.23
Lumbalpunktion, Chemo ins Nervenwasser. Statt initial 1300 Zellen/MüL nur noch 8 Zellen pro MüL vorhanden. Zeug wirkt.
Fascialisparese (ihre halbseitige Gesichtslähmung) ist immer noch unverändert.
Pet CT soll auch bald gemacht werden. Ich habe bedenken, dass ihr "Schmerzgedächtnis" beim Stuhlgang in Wahrheit auch Tumorzellen im Darm sind.
Eine Mitpatientin mit AML hatte das auch.
Fr, 06.10.23
Endlich geht's heim.
Müssen noch Notfallmedikament für potentiellen Krampfanfall besorgen.
Anouk hat noch einen zweiten Katheter unter die Haut geschoben bekommen, über den wir ihr jetzt täglich Blutverdünner spritzen müssen. Die PICC line im Arm birgt das Risiko für Thrombosen. Nächste Woche kommt dann der Hicki rein.
Dienstag sind wir wieder stationär. Ich hoffe, dass wir am Montag erfahren, wie lange der Aufenthalt sein wird.
Es ist nach wie vor alles so unklar. Sie hat nur 6% Blasten im Knochenmark. Erst ab 20% gilt eine Leukämie gesichert. Bis 5 % ist ganz normal. Bekommen auch nächste Woche ein pet CT um zu sehen, wo noch überall Leukämiezellen sind.
Ihre Schmerzen beim Stuhlgang wurden ja erst als Mukositis im Darm und nach der Chemo als "Schmerzgedächtnis" abgestempelt. Es kann aber eben auch von der Leukämie kommen.
Fahren jetzt als erstes zu Foundation Medicine und geben Anouks fixierten Liquor ab.
Sa, 07.10.23
Ich konnte nur schlecht schlafen. So viele Gedanken in meinem Kopf. Ich habe gerade eine Email formuliert und an Anouks Ärzte geschickt:
Lieber Herr Br.,
Mein Kopf rattert.
Ich weiß, dass ich kein Arzt bin und meine Aufgabe darin besteht, Anouk zu begleiten und ihr beizustehen. Ich hoffe Sie verstehen, dass ich aus den gegeben Umständen wenig Vertrauen in die Medizin habe und in Zukunft mehr auf mein Bauchgefühl höre werde. Es lag ja leider zu oft richtig.
Mein Sohn hat seit gestern Mittag einen blutigen Lippenrand. Meine Lippe brennt und spannt gerade ebenfalls wie bei einer Herpes Infektion.
Anouk hatte ja Bläschen am Körper und sehr positiv auf das Virusstatikum angesprochen obwohl keine Viruserkrankung bestätigt wurde?
Wie kann das sein?
Ich bitte Sie inständig nochmal in alle Richtungen zu denken. Wir wissen beide, dass Anouk "one in a million" ist...
Symmetrischer Tumor.
Tumor spricht überraschend gut auf Chemotherapie an und schmilzt förmlich in sich zusammen.
Knochenmark und Liquor initial negativ.
Unklarer Metastasenbefund:
Im pet CT wurde erst Entwarnung gegeben, dass keine Metastasen vorhanden wären. Dann hieß es, an den ventralen Rippen wäre eventuell doch etwas sichtbar. Bei dem Kontroll pet CT war es auf einmal weg. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Wortlaut: "Es ist schwer zu sagen, ob das wirklich eine Metastase war. Da -wasauchimmer es war- nicht mehr da ist und somit auf die Chemo angesprochen hat würden wir es wohl eher als Metastase werten".
Alle Genmarker negativ.
Anouk galt bei Abschlussuntersuchung im August tumorfrei.
Mir ist schon klar, dass wenig vereinzelte Tumorzellen nicht dargestellt werden können und eine einzige Tumorzelle reicht um wieder komplettes Chaos zu verursachen.
Dennoch ist es für mich schlecht vorstellbar, dass sich -unter laufender Chemotherapie- eine entartete Zelle aus dem Knochenmark woanders gemütlich machen kann.
Ich befürchte, dass wir irgendetwas übersehen.
Kann es sein, dass Anouk irgendeine seltene Autoimmunerkrankung hat?
Damals war sie stark erkältet und hatte ja dann die symmetrische Raumforderung in den Nasen-Nebenhöhlen.
Könnte das Erbrechen nicht doch viral bedingt sein und auf Grund der überschießenden Zellantwort sich als AML zeigen? Ich weiß, dass die Tests alle negativ waren. Aber vllt war die Viruslast zu gering?
Nicht zuletzt: Bitte machen Sie meine Tochter wieder gesund! Sie ist das wundervollste kleine Mädchen der Welt.
Viele Grüße,
Ich kann es einfach nicht begreifen, dass Anouk wieder durch die Chemohölle muss. Es muss eine Erklärung für all das geben. Ich bin ja bereit noch einmal diesen krassen Weg zu gehen, wenn ich wüsste, dass die Ursache bekämpft wird. Das Gefühl hab ich aktuell nicht.
Jakob spielt gerade im Indoorspielplatz und es fühlt sich exakt so an wie damals: lauter fröhliche Kinder. Und schon wieder bin ich ohne Bini und Anouk alleinerziehend hier. Dabei hätte Anouk sicher Spaß gehabt. Wann darf sie endlich Kind sein?!
Mo, 09.19.23
Warten auf Infos.
Heute ist irgendwie ein trauriger Tag. Hab Jakob heute noch zum Kindergarten gebracht. Das letzte mal, als ich da war, waren wir voller Vorfreude auf den Urlaub. Wir hatten eine Zukunft!
So schnell kann sich alles wieder ändern.
Die einzige Freude spüre ich, wenn meine Mäuse lachen. Wenn Bini lacht. Wenn Gino dem Ball hinterher rennt.
Es sind die kleinen Dinge, die zählen.
Ich genieße es, Anouk über die Brust zu streicheln. Bald ist da wieder der Hicki.
Ich genieße es, mit Anouk einkaufen zu gehen. Bald geht das wieder nicht.
Es ist so frustrierend.
Anouk hasst die Heparinspritze. Wenn ich daran denke, dass sie heute wieder so schreit..das Zeug brennt extrem und es dauert mind. 30 Minuten bis wir sie einigermaßen beruhigt haben und sie nicht mehr versucht, ihren "Mini-Zugang" für die Spritze herauszuziehen.
Noch keine Ergebnisse aus Essen. Telefoniere lang mit Frau B. Sie stimmt mir zu, keine systemische Chemo zu starten, ehe wir nicht die Genanalyse haben.
Mittlerweile hoffe ich, dass Anouk damals ebenfalls AML hatte. Falls es 2 verschiedene Krebserkrankungen wären, geht sie stark von einer Prädisposition aus.
Da in unserer bisherigen Prädispositionsanalyse nichts rausbekommen ist, kann es auch gut sein, dass Anouk eine Genmutation hat, die man noch nicht kennt.
Meine liebe Babymaus. Ich weiß, dass du unfassbar besonders bist. Aber bitte dann nicht so besonders…
Theoretisch hätten wir morgen stationär gemusst. Da die Ergebnisse noch nicht da sind und Anouks letzte LP + Chemo letzte Woche Donnerstag war, können wir also bis Donnerstag warten. Ein paar Tage Aufschub. Freue mich sehr darüber!
Frau B. meinte heute am Telefon zu mir, dass sie noch nie so eine hohe Zellzahl im Liquor gesehen hat. Wie kann sie innerhalb von 6 Wochen von Tumorfrei zu so einem Zustand kommen?!
Mi, 11.10.23
Gerade mit Herrn Br. telefoniert.
Im Knochenmark waren ja nur 6-7 % Blasten zu sehen. Die Molekulardiagnostik hat einen ganz normalen Befund gegeben! Es kann sein, dass der Wert vllt unter die Nachweisgrenze gefallen ist, weil eben zu wenig Blasten erkennbar waren. Es wird das ganze Knochenmark verwendet und eben nicht nur die Blasten…
Sowohl Hannover als auch Essen hat kein validiertes System um Liquor zu analysieren?! Sie machen es trotzdem, es hat aber wohl 15 Anrufe von Herrn Br. und auch den Anruf aufs Privathandy eines Arztes gebraucht, um sie zu überreden, Anouks Liquor trotzdem zu untersuchen.
Wir brauchen die Genanalyse! Sonst verweigere ich nicht nur die systemische Therapie, sondern eben auch die Studienzentrale. Dann gibt es keine Therapieempfehlung.
Wir wissen also mal wieder, dass wir nichts wissen.
Morgen nur ambulanter Termin in der OTK mit LP und KP. Dann kann man vllt sehen, ob die Blastenanzahl im Knochenmark angestiegen ist. Das Material wird dann ebenfalls wieder zur Genanalyse verschickt.
Die Hickianlage habe ich auch verschoben. Solange alles so unklar ist, lasse ich nur das absolut Nötigste an Anouk vornehmen.
Herr Br. teilt meine Meinung bezüglich Prädispostion. Wenn der Primärtumor kein AML ist, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sie eine hat und wir nicht wissen, was für eine.
Noch dazu (und das hatte ich vollkommen verdrängt) könnte es dann sein, dass auch Jakob diese Prädispostion hat.
Do, 12.10.23
Anouk wollte gestern Abend nix essen und war ab halb 5 morgens so unfassbar knatschig und ist durchgehend am herumwüten. Nichts ist ihr recht. Und ich verstehe teilweise gar nicht was sie will.
Dann musste sie in der früh spucken und jetzt ist sie ganz müde.
Bei einem normalen Kind würd ich sagen "alles ok". Bei ihr bekomme ich wieder Angst. Wenigstens können sie den Druck im Liquor auch gleich mitmessen.
Jakob ist heute beim ambulanten Termin dabei. Weiß eh keiner, wie lang das heute wieder dauert.
Blasten im Knochenmark bei mittlerweile 15%.
Hannover hat eben einen Vorbefund mündlich gegeben. Im Liquor konnte man schon einen typischen AML Genbruch erkennen. Translokationspartner ist aber noch unbekannt. Es zeigt gerade alles auf AML. Dabei hatte ich bei der negativen Genanalyse von gestern wieder gehofft. Es ist zum kotzen.
Sa, 14.10.23
Anouk baut weiter ab. Mag kaum essen, hat Durchfall und ist schlecht drauf.
Auch ihr Gangbild ist wieder schlechter geworden. Obs an der intrathekalen Chemo liegt?
Wir haben noch nicht mal richtig angefangen und ich mag jetzt schon nicht mehr.
Anouks Auge wird etwas rot. Mich wundert es eh, dass sie so lange ohne Blinzeln wunderbar zurechtgekommen ist. Die Gesichtslähmung ist nach wie vor unverändert.
Jetzt gibt's noch Augentropfen. Findet sie auch doof.
Mich macht das alles so wütend. Wie oft musste ich sie in der letzten Zeit quälen?
Gestern habe ich ihr alle Pflaster/ Druckverbände abgemacht und den subkutanen Zugang gezogen. Hat eh nichts mehr gebracht. Sie sagt nur noch "Aua-Weh". Trotz Pflasterlöser hat sie so unfassbar geweint.
Donnerstag war Anouks Picc-line schon so schlecht rückläufig, dass ich die Ärztin gebeten habe ihn zu ziehen. Es würde wahrscheinlich am Montag eh nicht mehr gehen und sie deswegen täglich mit Heparin zu ärgern habe ich nicht mehr eingesehen. Blut bin ich mittlerweile gewohnt, aber als dieser sehr lange Schlauch aus Anouks Arm gezogen wurde, ist mir schon etwas anderes geworden.
Mit etwas Glück bekommt sie am Dienstag den Hicki.
Ich habe den Ärzten nochmal eine Mail geschrieben, weil jetzt, wo die Blasten angestiegen sind, wirklich jeder Tag zählt.
Es ist etwas frustrierend, dass ich ständig hinterher sein muss. Aber mein Vertrauen ist halt wirklich futsch.
Ich stecke mittlerweile schon so tief im Geschehen, dass ich auch nur mit Fachwörtern um mich werfe. Um alle wieder ins Boot zu holen:
Hier eine Übersicht mit den aktuellen Fragestellungen und den Analysen, die bisher gemacht wurden:
1. Primärtumor:
Frage: War es damals eine unerkannte AML?
• Oberflächenmarker für Sarkome liefern unklare Befunde
• keine Sarkom Typischen Gene
• Liquor und Knochenmark initial tumorfrei, danach keine Kontrolle mehr.
• Abschluss petCT mitte August: Tumorfrei
• keine Oberflächenmarker von AML Zellen
• Genanalyse auf AML Gene durch LMU Patho: warten auf Befund
2. Prädisposition:
Frage: Haben wir unseren Kindern blöde Gene vererbt, die zu häufigen Krebserkrankungen führen?
• Genanalyse auf 600 Prädispositionen negativ
• genauere Genanalyse (Array) steht noch aus
3. Sekundärtumor
Frage: Ist es AML?
Liquor:
• zu viele Zellen --> Start Chemo ins Nervenwasser
• Oberflächenmarker negativ.
• neue Liquorprobe: Oberflächenmarker positiv
• Genanalyse Essen/ Hannover: warten auf Befund
• Genanalyse Foundation Medicine: warten auf Befund
Knochenmark:
initial nur 6-7% verdächtige Zellen, jetzt 15%:
• erste Genanalyse: keine AML Gene
•l0 zweite Genanalyse: warten auf Befund.
Frage: Wo haben sich die Krebszellen sonst noch breit gemacht?
• PetCT steht noch aus (Probleme mit dem Darm)
• Sono Leber und Milz steht noch aus ( zu hohe Leberwerte)
Vorbereitung auf eventuelle Stammzelltransplantation
• Blutprobe: Analyse von Anouks Zellmerkmalen steht noch aus
• Blutprobe: Analyse von Bini/ Jakob/ Mir zur Spendersuche steht noch aus.
So, 15.10.23
Ich kann nicht schlafen. Zu viele Gedanken. Der Rotwein und das extreme Süßigkeitenfrustfuttern tun ihr Übriges für eine entspannte Nacht.
Und: Halsweh.
Nein, krank sein geht jetzt nicht. Das geht ja schon als "normale" Mutter nicht. Aber in der Situation? Ich könnte heulen. Ich brauch doch alle Energie für meine Familie.
Endlich alle im Bett. Sind alle erkältet. Bini, Jakob, Anouk und ich. Hoffentlich können wir trotzdem zusammen bleiben. Morgen ist OTK Kontrolle und ggf. Sono und Aufklärung für Hicki-Anlage.
Ich kann nicht mit. Zahnfüllung ist rausgebrochen und ich hoffe auf einen Termin beim Zahnarzt morgen. Die nächsten Tage sind ja dann wahrscheinlich mit Krankenhaus verplant.
Langweilig wirds definitiv nicht.
Mo, 16.10.23
Kontrolle in der OTK. Anouks Blutwerte sind ok und die hohen Leberwerte sind auch rückläufig. Sono vom Bauch gab nichts auffälliges (außer wieder sehr viel Luft im Darm. Vllt kommt daher das Bauchweh?). Scheinbar sind Leber und Milz auch nicht vergrößert.
Ich trau dem Braten nicht und warte lieber das petCT ab.
Eigentlich wäre morgen stationäre Aufnahme und Hicki-Anlage gedacht. Hab am Nachmittag alles gepackt, um dann zu hören, dass es wohl ein Notfall gab und unser Eingriff auf Mittwoch verschoben werden musste. Bin ganz dankbar um den Tag Aufschub. Ich hab so keine Lust auf Klinik.
Anouk isst nach wie vor schlecht und klagt über Bauchweh, aber wenigstens ist sie heute Abend wieder richtig aufgeblüht und hat herumgealbert.
Di, 17.10.23
Wir packen und bereiten alles vor, als wenn wir in den Urlaub fahren würden. Nur leider ist das Ziel nicht so toll..
Morgen um halb 8 bekommt die kleine Maus ihren Hicki. Im Anschluss erfolgt dann wieder Knochenmarkspunktion (KP) und Lumbalpunktion (LP) mit Chemo.
Wir sollen uns mal auf 10 Tage Krankenhaus einstellen.
Mir graut es und gleichzeitig bin ich so dankbar, dass wir alle zusammen reingehen. Alleine ertrage ich das nicht mehr.
Anouk ist gerade in einer sehr anstrengenden Dickkopfphase und es ist nicht leicht ruhig zu bleiben, wenn ich weiß, was sie morgen alles über sich ergehen lassen muss. Ich kann keine Tränen mehr sehen. Ich würde ihr am liebsten alles zu Füßen legen, aber das klappt auch nur bedingt.
Es ist so verrückt. Noch im Sommer 2022 habe ich ständig gesagt, dass ich unser Glück gar nicht fassen kann. Wir haben unser Traumhaus gefunden, ich hab mir meinen größten Kindheitstraum mit einem eigenen Hund verwirklicht, wir haben 2 "gesunde" Kinder, beide einen guten Job bei einer tollen Firma. Der Arbeitsweg führt mit dem Fahrrad durch einen schönen Wald, ich kann die Berge von meinem Balkon sehen und bin immer wieder überwältigt, wie schön es hier ist.
Und dann hat sich die Hölle aufgetan. Es ist immer noch schön hier, aber ich kann es nicht mehr unbeschwert genießen. Es ist, als ob man ein tonnenschweres Gewicht mit sich rumschleppt:
Tausend Gedanken an die nahe und ferne Zukunft, die ich immer wieder unterbrechen muss mit "..Falls Anouk da überhaupt noch lebt".
Wieso ist das Leben so schwer?
Mi, 18.10.23
Was für ein anstrengender Tag.
Ich kann grad gar nicht alles gescheit zusammenfassen. So viele Infos.
AML ist gesichert.
Aktueller plan:
2 heftige Chemoblöcke stehen an. Da Anouk eh schon so infektanfällig war, geht die Ärztin davon aus, dass wir die meiste "Erholungszeit" im Krankenhaus verbringen werden. Dauer: 2-3 Monate
Danach wird das Knochenmark komplett platt gemacht und sie bekommt eine Transplantation. 6 Monate nach der Transplantation wird erst der Hicki entfernt, da sie in der Zeit noch viel Medikamente brauchen wird. Weitere 9 Monate Ausnahmezustand.
Es ist immer noch sehr unklar, ob es ein Rezidiv ist. Es gibt noch eine Analyse die aussteht. Wenn die positiv ist, dann ist das Rezidiv gesichert. Wenn nicht, dann muss man gut abwägen.
Jakob sollte am besten über die Winterzeit nicht in den Kindergarten gehen, damit er nix anschleppt.
Sie hoffen auf Jakob als Spender.
Sie müssen aber abwägen, ob (falls es doch kein Rezidiv war sondern eine neue Krebserkrankung) vllt doch ne Prädisposition vorliegt und sie dann doch lieber Jakob als Spender nicht nehmen. Alles noch unklar.
Falls Jakob Spender wird, würde ihm auch Knochenmark entnommen werden. Viele Blutabnahmen etc. Kein leichter Weg für ihn.
Achja, und da Anouk ja nach wie vor zu wenig Blasten im Knochenmark hat (waren wieder rückläufig..) und im ZNS alles plattgemacht wurde, kann man Therapieerfolg auch schlecht messen.
Wie sollen wir das alles nur schaffen?
Der Hicki liegt nicht mal 24 h und schon hat die Maus Fieber. Dienstarzt kommt.
Do, 19.10.23
Pflasterwechsel vom Hicki war heute besonders schlimm. Die Fäden waren mit den Pflastern verklebt. Sie hat so geweint. Ich konnte nicht anders und musste mitweinen, während ich Anouks Arme festgehalten habe. Bini hat mir parallel die Tränen abgewischt, damit die nicht in die Wunde tropfen. Teamarbeit.
Es wurde heute schon die Wangenschleimhaut von Anouk abgenommen um das Material für die genauere Tumorprädispositionsanalayse (Array CGH) abzuschicken.
Nachher wird uns noch Blut abgenommen für die Spenderanalyse.
Jakob mag keinen Pieks. Ich weiß nicht, ob ich hoffen soll, dass er als Spender passt oder nicht.
Ergebnis der Translokationspartner ist da:
Der erste Tumor in Anouks Gesicht war kein klassisches Sarkom, sondern kam von der AML.
Nach Rücksprache mit dem Studienleiter werden wir den Therapiestrang mit dem "GO" Antikörper nehmen.
Da besteht eine 4 prozentige Gefahr, dass sie eine VOD nach der Transplantation entwickelt. Kann man behandeln, aber würde nochmal einen 6 Wöchigen vollstationären Aufenthalt nach der Transplantation nach sich ziehen. Nur her damit. Ich wohne eh schon halb hier.
Haben mit der Ärztin gesprochen, wie man Jakob darauf vorbereitet. Also warum er gepiekst wird und was eventuell auf ihn zukommt.
"Die meisten Kinder freuen sich helfen zu können".
Jakob nicht.
Fr, 20.10.23
Blut abnehmen war schrecklich für Jakob. Er wollte nicht und ich bin einfach über seine Wünsche hinweggegangen. Ich hatte ihm erklärt, dass wir mit dem Test seine Superpower testen lassen. Dass er vllt sogar stärker ist als Paw-Patrol und Batman zusammen. Dass wir das wissen wollen. Wenn er die Superpower hat, kann er ganz viel Gutes tun.
Er hatte so Angst. Er wollte nicht.
"Jakob, wir müssen das wissen!". Festhalten. Dann hat es nur an der Hand geklappt, an der es ja per se mehr weh tut.
Ich sitze wieder in der Kapelle. Eigentlich war das ein Ort der Ruhe. Jetzt unterhalten sich 2 Frauen über ihren Dienstplan.
Ich muss nachdenken. Jakob hat heute früh geweint und meinte, dass er heim will. Er vermisst sein Spielzimmer. Er vermisst zu Hause. Ich erklärte ihm, dass wir das machen können. Aber dass er dann da mit Papa bleibt. Und dass wir auch wie damals mal tauschen können. Aber dass ich nicht die ganze Zeit bei ihm sein kann.
Wieder Tränen. Ich fühle mich zerrissen.
So wie es aktuell läuft, klappt es nicht auf Dauer. Die Seelsorgerin sagt mir, ich muss Tag für Tag leben. Es gibt keine Ideallösung. Jeden Tag kann man sich umentscheiden. Wie kann ich meinen Kindern so Halt geben?
Ich sage meinen Mäusen ehrlich, dass ich auch nicht weiß wie es weitergeht.
Ich suche nach Antworten. Ich suche nach Zeichen. Irgendwo habe ich gehört, dass Gott mit einem durch die Bibel spricht. So stehe ich hier jeden Tag in der Kapelle und schlage die Bibel auf.
Wenn es ihn gibt, soll er sich doch bitte zeigen. Ich will Glauben. Ich will durch diese Situation getragen werden und vertrauen darauf haben, dass alles gut wird.
Anouk hatte gestern Nacht auf 39,5 gefiebert. Mal sehen, ob sie das geplante pet CT durchziehen oder ob die Anästhesisten lieber abwarten.
Sie ist erst für 11 Uhr geplant und hat jetzt schon nach Apfelsaft geschrien. Es gibt nur Wasser. Oder Tee.
Für ein "normales" Kind schon nicht leicht. Aber für die kleine Dickschädelmaus ist es pure Folter. Wie ähnlich wir uns sind. Wir beide haben einen sehr starken Willen und bei einem Nein gilt "Jetzt erst Recht".
petCT wurde durchgeführt mit 2 h Verspätung. Aber egal, die Ergebnisse sind toll. Nirgendwo ist was zu sehen. Nicht mal im Knochenmark, was ja die "Geburtsstädte" der AML ist.
Wir müssen trotzdem das Knochenmark platt machen. Zu groß ist das Risiko.
Heute beginnt der erste Tag der Chemo. 7 Tage.
Anouk hat übrigens wieder clostridien…
Sa, 21.10.23
2. Chemotag. Cytarabin läuft gerade. Anouk fiebert immer wieder auf. Sie isst wenig. Durchs wässern ist wieder Akkordwindelwechseln angesagt.
Mich macht es so wütend, was die kleine Maus über sich ergehen lassen muss. Neben den zig Infusionen (Chemo, antibiose, NaCl und wechselweise paracetamol und novalgin zur Fieberreduktion) muss sie noch 3× tgl. Pilzprophylaxe, 3x tgl fidaxomycin (wegen clostridien) mo und do 2x tgl cotrim zur Lungenentzündungs- Prophylaxe schlucken und alle 6 h werden ihr recht gewaltsam die Augen getropft. Gerade eben wurde sie wieder aus dem Schlaf und die Augen auf gerissen. Nebenbei noch alle 30 Minuten Blutdruckmessen, mind. 3x pro Schicht Fieber messen, 2x tgl Blutabnahme, 2x tgl wiegen…
Sie hängt an der sättigung, am ekg, an der Blutdruckmanschette und natürlich an der mehrfach verzweigten Infusion und wickelt sich ständig ein.
Durchhalten.
Hab mich vorhin in der elternküche mit einer Patientin unterhalten. 4 Chemoblöcke. Mehr nicht?!
Wahnsinn, jetzt werde ich noch neidisch auf andere Onkokinder.
Bini hat vorhin mitbekommen, dass eine Mutter erzählt hat, dass sie zum ersten Mal nach 7 Monaten Therapie wegen Fieber herkommen mussten.
Meine Maus hat die A-Karte gezogen. Aber wenn es eine schafft, dann Anouk. Ich bin unfassbar stolz auf sie.
So, 22.10.23
Maus ist sehr platt und schwach. Schläft den ganzen Tag oder starrt vor sich hin.
Habe heute den Report von Foundation Medicine bekommen. Ich bin unfassbar beeindruckt und dankbar wie sehr Anouks Probe priorisiert wurde und wie viele Menschen sich dafür eingesetzt haben, dass ich dieses Papier in den Händen halten kann! Interessant finde ich folgenden Absatz:
"Patients with acute myeloid leukemia (AML) and genomics associated with adverse risk are unlikely to benefit from gemtuzumab ozogamicin (GO)
(NCCN AML Guidelines, v3.2022)174." auf Seite 5.
GO ist der Antikörper den Anouk morgen erhalten soll und alle CD33 Zellen plattmacht.
Das Medikament Midostaurin erscheint mir sehr vielversprechend. Ich hab keine Ahnung in wie weit so etwas mit einbezogen werden kann, aber ich hab die Frage an die Oberärzte weitergeleitet mit der Bitte das auch mit dem Studienleiter zu diskutieren.
Mo, 23.10.23
Anouk hat heute doch das GO bekommen. Die Studiendaten der Studienleitung für AML zeigt wohl, dass es doch bei Kindern wirken kann. Das Midostaurin wird mit der Studienleitung besprochen, eventuell Im nächsten Zyklus. Jetzt wäre es zu toxisch. Maus hängt seit Mittag um 12 an Chemo. Kurze Unterbrechung, weil sie dann doch wie erwartet auf das GO reagiert hat.
Im einen Moment hat sie noch mit der Musiktherapeutin auf Trommeln herumgeklopft, im anderen verdreht sie die Augen, sagt nur "Aua Weh" und will sich hinlegen. Dann ging schon das zittern los. Ihre Körpertemperatur ist Innerhalb von 15 Minuten auf 40°C hochgeschossen.
Neben paracetamol und novalgin gab es dann noch Morphin.
Kaum hat das zittern aufgehört, wurde die Chemo wieder gestartet. Es ist verrückt.
Jetzt liegt sie ganz erschöpft neben mir, ein coolpack auf der Stirn und schläft. Es war ein harter Tag.
Di, 24.10.23
02:56 Uhr. Anouks Blutdruck und Atemfrequenz sind gerade zu niedrig und die Ärzte hoffen jetzt, dass sie sich durch mehr Flüssigkeit wieder fängt.
In solchen Situationen bin ich einfach wieder unfassbar wütend, dass sie mein Kind falsch therapiert haben und jetzt "umsonst" meine Maus an den Abgrund treiben.
Das wäre alles nicht nötig gewesen, wenn sie zugehört hätten.
Es ist so ein emotionales auf und ab. Erst denkt man, dass man sich mit der Situation "arrangiert" hat und dann tut sich wieder der Boden auf und man versinkt im Loch.
Seit einer halben Stunde starre ich auf den Monitor und hoffe, dass sich was tut.
Es dauert. Bini schläft. Es ist erstaunlich, dass er dann einfach weiterschlafen kann. Wahrscheinlich hätte er es nicht mal gemerkt, dass die Ärztin reingekommen ist, wenn ich ihn nicht geweckt hätte.
03.38 Uhr. Immer noch keine Besserung.
Es würde wohl Kortison helfen, aber das soll die Wirkung der Chemo reduzieren. Also weiter abwarten.
Hat sich dann weiterhin nicht viel getan, aber da Anouk stabil war, haben sie es so hingenommen. Heute gab's wieder Erythrozytenkonzentrat und sie durfte zum EKG und Herzecho. Das war sehr emotional für mich. Das letzte Mal als ich diese Herzgeräusche gehört habe und ihr Herz hab schlagen sehen war, als sie noch in meinem Bauch war.
Sie ist heute sehr sehr weinerlich drauf und einfach unfassbar fertig. Die Physiotherapeutin hat ihr eine coole Autorennbahn vorbeigebracht um sie etwas zu motivieren aufzustehen oder sich vllt hinzusetzen. Sie mag nicht. Dafür freut es Jakob.
Fr, 27.10.23
Anouk geht es deutlich besser. Mittwoch war Chemopause und hat ihr etwas Regenerationszeit verschafft. Sie setzt sich wieder selber im Bett auf und krabbelt von einem Bett aufs andere. Gestern gab es nochmal LP mit Chemo ins Nervenwasser und ein letztes Mal den GO-Antikörper. Diesmal hat sie nicht darauf reagiert. Darüber bin ich sehr froh.
Wenn Maus 24h fieberfrei bleibt, darf sie nach Hause. Ich hoffe so sehr, daß wir bald nach Hause und dort auch bleiben können. Da sie aber nach jeder Chemo aufgefiebert hat, befürchte ich, dass wir bald wieder hier sind. Vor den Fieberaufenthalten fürchte ich mich am meisten.
Das spontane aus dem Alltag gerissen zu werden. Auf eine andere Station verlegt zu werden. Stationen mit anderen Regeln, anderen Hygienestandards und auch anderer Empathie.
Jakob ist gerade sehr anstrengend und fordernd. Obs am ständigen Serie schauen liegt oder dass er mit der Situation überfordert ist?
Sa, 28.10.23
Sind natürlich immer noch im Krankenhaus. Gestern ist ihr CRP gestiegen, daher wollten sie Anouk nicht entlassen. Dabei ist eine bekannte Nebenwirkung des GO Antikörpers ein CRP Anstieg. Langsam nervt mich die Medizin. Es wird nur nach dem "wenn…dann" Schema behandelt. Deswegen sind wir ja überhaupt hier. Weil keiner Zeit hat, sich mit den Vorgängen im Körper auseinanderzusetzen. Den Körper als Ganzes zu betrachten und nicht nur einzelne Werte in irgendwelche Grenzen zu fassen. Anouk geht es immer besser. Und da ich mittlerweile weiß, wie kostbar jede Minute in Freiheit ist, nervt es mich noch mehr. Wir sind doch eh schon sehr bald wieder hier. Natürlich wurde uns gestern Honig ums Maul geschmiert: "Sie bleiben nur noch eine Nacht, und morgen früh geht es dann heim."
Jetzt wird es heute doch bestenfalls wieder Nachmittag, weil sie dann doch noch gerne die Visite abwarten würden.
Ich fühle mich wie ein Dampfkessel.
Nachts habe ich noch Artikel über die Stammzelltransplantationen gelesen.
Bei der "normalen" Chemo besteht noch Hoffnung, dass Anouk später eigene Kinder bekommen kann.
Bei der Chemo vor der Transplantation ist es gesichert, dass Anouk unfruchtbar wird. Das hat mich schwer getroffen. Ob es daran liegt, dass ich es ihr so wünschen würde, die Liebe zum eigenen Kind erfahren zu dürfen? Oder ob es das egoistische "ich will meine Gene weitergeben" ist?
Entlassung!
Dafür dürfen wir morgen wieder kommen für Tk (Thrombozytenkonzentrat). Aber immerhin. Eine Nacht in unserem Bett!
So, 29.10.23
Anouk ist seit heute früh im Hauner und wartet immer noch auf ihr TK! Die wussten schon gestern, dass sie eine Transfusion braucht, haben es aber wohl nicht für nötig empfunden, es schon zu bestellen. Ewiges warten aufs Blut abnehmen, ewiges warten auf die Blutwerte und ewiges warten aufs TK. Es ist 17 Uhr abends und es ist immer noch nichts da.
Anouk sitzt den ganzen Tag isoliert im Behandlungszimmer der Intern 3. Da hätten wir gestern auch gleich dableiben können. Dann hätte Anouk wenigstens ein Bett, in dem sie schlafen könnte. Ich bin so unfassbar wütend. Vor allem kenne ich meine Maus. Auf Stress und Müdigkeit reagiert sie mit Fieber. Würde mich nicht wundern, wenn sie dann am Schluss fiebert und doch dableiben soll. Die Klinik hat schon so viel Mist bei Anouk fabriziert, dass ich mittlerweile erwarte, dass sie alles in ihrer Macht stehende tun, dass es für sie so angenehm wie möglich ist. Tja, Pfeiffen bleiben eben Pfeiffen. Irgendwann platzen meine Arterien bei so viel Wut, die aktuell in mir steckt.
Mo, 30.10.23
Anouk läuft sehr staksig, aber mittlerweile traut sie sich wieder ein paar freie Schritte zu gehen. Sie ist soweit ganz gut drauf, auch wenn die Medikamentengabe nur noch Quälerei ist. Heutige Tagesration:
2× lungenprophylaxe,
3× pilzprophylaxe
3× allgemeines Antibiotikum
3× Antibiotikum gegen clostridien.
Meine Wut habe ich gestern in einer Mail an die Psychoonkologin rausgelassen. Schließlich ist sie ja dafür auch da. Das tat sehr gut. Im Schreiben ist mir vor allem bewusst geworden, worum es mir geht. Ich möchte eine ehrliche Entschuldigung hören. Ein Zugeben des Fehlers. Einen Versuch, es irgendwie wieder gut zu machen. Auch wenn Zeit und Gesundheit nicht käuflich sind, hätte ich mir doch sehr gewünscht, dass sie wenigstens alles in ihrer Macht stehende tun, dass Anouk wenigstens bei der jetzigen Therapie wie eine "Premium"patientin behandelt wird.
Die erste Anwaltskanzlei hat meine Mandatsanfrage wegen zu vieler Fälle abgelehnt.
Heute habe ich der Elterninitiative der Intern 3 geschrieben, ob sie schon einmal so einen Fall der Fehldiagnose hatte und/oder ob sie einen Tip für mich haben.
Weiterhin hab ich den aktuellsten Befund an Herrn Haferlach vom Münchner Leukämie Labor geschickt. Ich möchte seine Einschätzung zu dem Ganzen.
Morgen werde ich mich an meine Krankenkasse wenden und schon einige Unterlagen/ Dokumente zusammenstellen um bei der Bundesärztekammer ein Gutachten zu erwirken.
Leider habe ich keine Rechtsschutzversicherung, die das Medizinrecht abdeckt. Daher wäre die Bundesärztekammer ein guter Mittelweg, die eine kostenlose Einschätzung macht. Der Klageweg bliebe mir dann trotzdem noch offen.
Es ist verrückt, mit welchen Dingen ich mich gerade auseinandersetzen muss.
Heute ist die dritte Nacht zu Hause. Es ist so schön hier zu sein und ich will gar nicht mehr weg. Auch wenn es sehr sehr anstrengend ist, dass Jakob nicht in den Kindergarten gehen soll. Der Bursche ist nicht richtig ausgelastet und lässt uns das auch spüren.
Morgen heißt es wieder OTK, Blutkontrolle und Pflasterwechsel.
Di, 31.10.23
Sarah ist im Himmel.
Mi, 01.11.23
Der Tod von Sarah.
Die Mail von Herrn Haferlach vom Leukämie Labor, dass die Ärzte ihren Initialtumor hätten gar nicht als AML erkennen können und Anouk einfach unfassbares Pech hatte, dass es so gekommen ist.
Die Doku, bei der ein Bruder seiner kleinen Schwester Stammzellen gespendet hat und die Schwester trotzdem an den Folgen der Transplantation gestorben ist.
Ich bin sehr traurig und unendlich müde.
Anouk hat gestern wieder TK gebraucht. Scheinbar waren ihre Zellen innerhalb von 2 Tagen wieder aufgebraucht. Sie ist morgens aufgewacht und hatte ganz viel Blut am Schnuller kleben. Mukositits mit entzündetem Zahnfleisch und fehlender Gerinnung. Heute ist ihr Speichel wieder ganz zähflüssig und ich habe Angst, dass sie sich daran verschluckt.
Jakob ist sehr unausgeglichen. Er will zwar nicht in den Kindergarten und ist froh zu Hause zu sein, aber ich glaube er bräuchte diese Normalität.
Aber er darf nicht. Und ehrlicherweise sind wir wahrscheinlich auch nur deswegen noch zu Hause, weil er keine Keime anschleppt.
Fr, 03.11.23
Blutiger Schnuller, OTK Termin, Thrombozyten-Transfusion.
Wenigstens kein Fieber. Zu Hause ist alles erträglicher. Auch wenn ich mich frage, wie sie innerhalb von 2 Wochen wieder selbst Zellen bilden soll. So schlecht wie heute waren ihre Werte noch nie.
So, 05.11.23
Morgen wieder OTK zur Blutkontrolle und ggf. Transfusion.
Anouk isst sehr wenig und ist tagsüber sehr weinerlich. Abends dreht sie dafür immer auf und albert herum. Ihr Lachen ist Balsam für meine Seele.
Sie muss nach wie vor so viele Medikamente über sich ergehen lassen und jedes Mal, wenn ich ihr die Medizin einflöße und sie bitterlich weint und versucht das Zeug auszuspucken, überschwemmt mich eine unbändige Wut auf die Ärzte, auf das Schicksal, auf die Situation.
Jeden Tag wache ich auf und denke mir "ich mag nicht" und jeden abend bin ich froh, wenn wieder ein Tag vorbei ist.
Lebensfreude ist nicht vorhanden. Funktionieren und Aushalten heißt das Motto.
Dauermüdigkeit und Frustessen sind ständige Begleiter.
Jakob verhält sich immer merkwürdiger und ich bin froh, dass er am Mittwoch einen Termin bei der Psychologin hat. Dabei bräuchten wir alle eigentlich einen Termin.
Mo, 06.11.23
Anouk hat nach der TK Fieber bekommen. Meine Maus braucht mich und ich bin nicht da. Ich hab den ganzen Gassi Weg nach Hause nur geheult. Jakob meinte, er gibt mir heute Nacht ein Plüschtier von ihm zum kuscheln.
Es ist zum kotzen. Genau das ist es, was ich nicht mehr schaffe. Diese Trennungen. Dieses Auseinandergerissen werden. Dieses spontane Jonglieren und Organisieren. Ich muss jetzt erstmal abwarten auf welche Station sie soll, erst dann kann ich wissen, wie es weitergeht und ob wir alle vllt doch zusammenbleiben können. Ich will zu ihr, hab kein Auto, keine Kraft zu packen, keine Kraft Gino unterzubringen und Jakob zu überzeugen. Ich will nur meine Babymaus, Jakob und Bini in den Arm nehmen und nie nie nie wieder loslassen.
Ich bin jetzt schon wieder ganz aufgelöst, dabei hat die Therapie gerade erst wieder begonnen. Es ist einfach nur scheiße.
Öfter mal was neues: Anouk ist auf der Intern 3 in einem Isozimmer zusammen mit einem anderen Isokind. Beide Rhino-enterovirus. Das andere Kind hat noch ne Kathetersepsis.
Also keine Möglichkeit zusammen zu sein.
Frau B. hat wohl noch mit Bini gesprochen, dass es natürlich besser ist, wenn Jakob keine weiteren Viren anschleppt, aber Anouk durch ihre wenigen/ keinen Leukos sich auch bei sich selber anstecken kann (Darmbakterien / Hautbakterien und co). Ergo, wir können ihn auch ruhig in den Kindergarten schicken.
Ich fühle mich so hilflos. Wenn er krank wird, dann kann ich Anouk gar nicht sehen.
Mi, 08.11.23
Anouk und Bini sind immer noch stationär. Maus hat vorhin wieder gefiebert. Also darf sie auch morgen nicht nach Hause.
Sie fehlt mir so sehr. Ich kann nicht in ihr Zimmer gehen, ohne einen riesigen Stich ins Herz zu bekommen. Bini fehlt mir. Das Haus ist einfach so leer.
Jakob war heute das erste Mal im Kindergarten und abends beim St. Martin Umzug. Er braucht ein kindgerechtes Leben. Gleichzeitig habe ich Angst vor Infekten und Angst vor den Konsequenzen - keine Anouk sehen/ umarmen.
Ich fühle mich so leer ohne Anouk. Bitte komm schnell wieder heim..
Do, 09.11.23
Heute war ein schrecklicher Tag.
Bini hat sich die Knochenmarktransplantationseinheit angesehen (oder auch Laminar Air Flow = LAF genannt). "Ich habs mir schlimmer vorgestellt", sagt er. Sagen ja viele. Und dann erzählt er mir wie es da abläuft:
Es gibt ein Innenzelt und ein Außenzelt.
Anouk liegt im Innenzelt, der Infusomat steht im Außenzelt. Anouk muss im Gitterbett schlafen. Ich darf nicht neben ihr liegen. Ich darf sie nur vollverkittelt sehen. Kuss nur über FFP2 Maske. Man darf nicht beim Kind schlafen. Abends soll man sich verabschieden, mit Glück darf man dann in der Elternwohnung schlafen (oder man muss heimfahren) und darf morgens wiederkommen.
Der Infusomat ist wohl so riesig, dass der auf der Intern 3 ein Witz dagegen ist. Dabei hat der schon 9 Fächer für Pumpen/Spritzen.
Jakob darf nur ins Außenzelt und nur über eine Fensterscheibe Anouk sehen.
Für mich ist das alles nur grausam. Bini hat mir das so nebenbei erzählt. Als ob das alles ganz ok wäre. Ich breche in Tränen aus. Anouk glotzt am Handy, Jakob am Laptop. Bini ist auch mit was wichtigerem beschäftigt. Bayblade aufbauen.
Ich habe das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen und renne aus dem Krankenhaus. Bin ich die einzige, die damit ein Problem hat? Dass ich mich zwischen den Kindern wieder entscheiden muss? Dass ich meine Tochter ins Gitterbett setzen muss, was sie bei mir nicht akzeptiert und nur weinen wird.
Dass ich ihr Nachts nicht die Hand halten und über ihre Kopf streicheln darf?
Dass ich sie nicht küssen darf?
Dass ich bei nur geringsten Symptomen einer Erkältung (die sicher kommen wird zu der Jahreszeit) mein Kind nur durch die Fensterscheibe im Außenzelt sehen darf?
Nach einem Telefonat und einem laaaangen Gespräch mit einer Schwester vom LAF hab ich es wenigstens geschafft mich wieder etwas zu beruhigen.
Auch wenn mir gerade eine Aussage bzw. Pause immer wieder durch den Kopf geht: ich hab sie gefragt, ob sie Fälle von geheilten AML Kindern kennt. Sie arbeitet seit über 13 Jahren im LAF. Daraufhin kam eine lange Pause. Sehr lange Pause. Zu lange Pause. "ich muss mal überlegen...". Pause. "Ja, doch..Ich glaube schon". Sehr erbaulich.
Anouk hat Abends wieder kurz gefiebert. Hat auch wohl einen Pilz im Mund. Zumindest ist die Zunge schwarz belegt.
Und natürlich wieder Durchfall. Nasenbluten stand auch kurz bevor, also gibt's morgen wieder Thrombozytentransfusion.
Ich hoffe auf Samstag.
Babymaus, ich halte das nicht mehr lange aus.
Sa, 11.11.23
Anouk hatte gestern Fieber und muss immer noch drinnen bleiben. Jakob und ich bleiben das Wochenende bei ihr und Bini.
Es ist zwar völlig unwichtig, aber sie verliert ihre süßen flauschigen Haare wieder…
Mo, 13.11.23
Morgen wäre der Tag der Tage gewesen. Erste Nachkontrolle während der Erhaltungstherapie. Wie sehr hatte ich Angst vor diesem Termin und jetzt würde ich mich freuen diesen Termin zu haben. Alles relativ. Wir wurden alle gestern entlassen und genießen es zu Hause zu sein. Anouk muss morgen wieder in die OTK zur Kontrolle und braucht sehr wahrscheinlich wieder Blut (TK). Unfassbar, wie viele Transfusionen sie jetzt schon benötigt hat. Dabei sind wir erst am Anfang. Morgen entscheidet sich auch, ob wir am Freitag mit dem zweiten Chemoblock weitermachen können. Anouk braucht zumindest ein paar Zellen. Sie hat bislang immer noch keine messbaren Leukozyten, sodass wir davon ausgehen, dass sich alles etwas verzögert.
Anouks Gesicht ist nach wie vor unverändert und ich kann gar nicht beschreiben wie sehr mir ihr ganzes Lachen fehlt. Sie bekommt jetzt Logopädie, aber mit 2 Jahren ist die Kooperationsbereitschaft und die Lust an Übungen noch recht gering. Wir versuchen es zumindest.
Eigentlich sollten wir ja auch Ende letzter Woche erfahren, ob Jakob Spender sein kann. Tja. Und wieder mahlen die Mühlen langsam und wir wissen immer noch nichts.
Mir ist gestern bewusst geworden, was es bedeutet, dass Anouk nach der Transplantation ca. 6 Monate noch den Hicki braucht für Infusionen/ Transfusionen etc: es bedeutet wieder nicht wegfahren können. Keinen Urlaub. Kein Planschen. Keine Spielplätze, kein Essen gehen. Kein Laufrad fahren. Kein Besuch bei anderen Menschen. Keine Krippe. Keine Spielgruppen. Keine anderen Kinder.
Es ist zum kotzen.
Di, 14.11.23
Jakob passt nicht als Spender. Bin erleichtert und gleichzeitig besorgt.
Anouk brauchte heute mal wieder TK. Die Leukos sind immer noch unterhalb der Messgrenze, daher kann die Chemo am Freitag nicht gestartet werden. Abwarten. GCSF gibts ja nicht mehr, weil das bei AML kontraindiziert ist….
Mi, 15.11.23
Wahrscheinlich hab ich sie angesteckt. Bin selbst erkältet. Weil ich ständig in den Kindergarten gehe?
Anouk hat wieder Fieber. Immer wenn ich mal irgendwelchen Kram mache, der nicht notwendig ist (Lichterketten aufhängen) und ich das Gefühl habe etwas Normalität zurückzugewinnen, weil ich nicht ständig an die Bedrohlichkeit denke, bricht es wieder über mich hinein.
Wieder auseinandergerissen werden. Wieder sich für ein Kind entscheiden müssen.
Wieder ist das Krebsthema im Fokus.
Ja, wir haben keine Wahl und ja, wir müssen da durch. Äußerlich scheint es ja wieder gut zu klappen: Jakob geht in den Kindergarten, Bini fährt mit Anouk via Taxi rein. Er kann da Computerspiele spielen. Flucht in eine andere Welt.
Anouk ist es gewohnt "pfiadi" zu sagen und ist gut abgelenkt, solange ich nicht in der Nähe bin. Also für alle soweit ok. Außer für mich.
Innerlich zerbricht jedes Mal etwas in mir.
Mir ging es besser, als wir alle zusammen im Krankenhaus waren. Großes Matratzenlager. Anouk auf der einen, Jakob auf der anderen Seite. Keiner konnte mir meine Kinder wegnehmen.
Mi, 22.11.23
Seit Montag sind wir wieder komplett. Sie hat noch einmal TK gebraucht und durfte dann heim. Sie hat kein Fieber mehr, aber nach wie vor auch keine Zellen. Wir müssen warten, bis sich Anouk ausreichend regeneriert hat, damit die nächste Chemo starten kann. Bis dahin kann es immer wieder zu Fieber kommen.
Bis zur Transplantation vergehen im besten Fall 2 Monate. So lange dauert es im Schnitt einen Spender zu finden, zu kontaktieren und einzubestellen. Falls man einen findet.
Es nervt mich wenn Menschen sagen, dass ich die Hoffnung nicht aufgeben darf. Bald ist es ein Jahr her, dass wir die Intern3 das erste Mal betreten haben.
Ein Jahr voller Sorge, Hoffnung, Enttäuschungen, Zerissenheit und Verzweiflung. Ich sehe kein Ende mehr im Tunnel und keine Zukunft. "Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben". Ja und was wenn doch? Bin ich eine schlechte Mutter, oder ein schwacher Mensch, weil ich nicht mehr an ein glückliches Leben mit zwei gesunden Kindern glaube? Als ob es in meiner Hand liegen würde.
Ich weiß auch mittlerweile gar nicht mehr was ich schreiben soll. "Damals" hatte ich einen Chemo Countdown gemacht. Die Monate ausgerechnet, bis wir wieder ein Leben haben werden. Mich unendlich auf Hicki-Ex gefreut. Es ist eine bittere Erkenntnis, dass das jetzt unser Leben ist. Genau jetzt. Genau hier.
Vllt gibt's ein paar Monate ohne Hicki. Vllt auch nicht. Vllt darf sie ein Jahr in den Kindergarten gehen. Vllt auch nicht.
Da Musik schon immer besser beschreiben konnte, was Worte nicht schaffen:
https://open.spotify.com/track/5wwER006ZreTxle4pwEfMW?si=ok-nZ7RPQSW0jLe_iDxcSQ
(David Lanz - The setting of two suns)
Sa, 25.11.23
Anouk hatte 2 Tage lang übelste Magen/Darmkrämpfe. Gestern ist sie wieder aufgewacht mit Blutungszeichen (Kissen war wieder vollgeblutet und ihr Schnuller war ganz verkrustet). Sie hatte eh einen Termin in der OTK. Tja, CRP zu hoch, dann noch Fieber bekommen. Also wurde Maus und Bini wieder einkassiert. Diesmal Intern 4. Ich bekomme so eine Wut, wenn ich wieder höre, wie es dort abläuft. Bini muss um Desinfektionstücher bitten, weil noch Dreck vom Vorgänger da ist… wieso ist denn alles nur noch ein Kampf?!
Di, 28.11.23
Maus fehlt mir so. Heute hab ichs nicht geschafft sie zu besuchen. Zu viel fahrerei. Wenigstens wurde sie heute Abend wieder auf die Intern3 verlegt.
Die Spendersuche sieht soweit ganz gut aus. Es gibt wohl mehrere, die in Frage kommen und in Bayern sind. Das macht es deutlich einfacher.
Ich hab Prof. A. (Chef der Transplantation) gestern gefragt, ob Anouk eine Chance auf Heilung hat.
Er meinte, dass es mit AML schwieriger sei, aber es gibt auch einige Kinder, die ganz gesund geworden sind. Dafür müssen wir beten. Die ersten 1,5 Jahre ist die Chance auf Rückfall am höchsten.
Man könnte dann sogar eine zweite Transplantation versuchen. Allerdings nur, wenn genügend Zeit verstrichen ist. Wenn der Krebs die ersten Monate wieder zurückkommt, kann man nichts mehr machen.
Ansonsten hat Anouk abends immer wieder Schmerzattacken und bekommt schwache opiate.
Ich versuche alles zu Hause “schön” zu machen. Es ist schon sehr weihnachtlich. Da wir die meiste Zeit eh im Krankenhaus sein werden, möchte ich wenigstens dann, wenn wir zu Hause sind, möglichst viel Weihnachtsstimmung bekommen.
Am liebsten würde ich mich aber verkriechen. Geht aber nicht. Ich versuche das beste aus der Situation zu machen und habe dabei das Gefühl plätzchenbackend dabei zuzusehen, wie meine Familie auseinanderbricht.
Ich denke auch daran, Gino ganz abzugeben. Auch wenn ich ihn so lieb habe und er mir viel Kraft gibt, so nimmt er mir auch organisatorisch viel Kraft. Es ist einfacher, wenn wir uns keine Gedanken um ihn machen müssten. Andererseits ist er Teil dieser Familie. Auch wenn wir eigentlich eh schon keine mehr sind…
Jakob hat keine Bindung zu seiner Schwester aufbauen können und ich bezweifle, dass wir das kitten können. Gino ist hinderlich, Bini und ich reden kaum und sind eigentlich nur im Organisationsmodus. “Ist die Kliniktasche schon wieder gepackt?”
“Hast du Fruchtzwerge gekauft?”
“Fährst du zur OTK?”.
Ich fühle mich unter den ganzen scheinbar glücklichen Familien wie ein alleinerziehendes Alien.
Fr, 01.12.23
Anouks CRP sinkt nicht. Und da sie beim Stuhlgang nach wie vor so Schmerzen hat, wollen sie nochmal genauer nachsehen.
Also das Wochenende wieder im Krankenhaus und Montag dann MRT. Ich hab so Angst, dass es Leukämiezellen bzw. sogenannte Chlorome sind.
Ich würd Anouk so gerne die Schmerzen nehmen. Es ist grausam sie so leiden zu sehen.
Hab gerade noch mit der Ärztin geredet: man hat damals zwar das Ganzkörper mrt gemacht aber nicht den Bereich vom kleinen Becken angesehen.
Ich will endlich dass die Angst aufhört.
So, 03.12.23
Dank Schneechaos konnte ich gestern nicht zu Anouk. Sie fehlt mir so unfassbar.
Ich bekomme Rückmeldungen, dass es Jakob mit der Situation so (also ich zu Hause, er Kindergarten) soweit gut klarkommt. Er scheint das auch im Kindergarten öfters zu erwähnen, dass Mama da ist oder Mama ihn abholt. Ich will ihm das nicht nehmen und zeitgleich möchte ich so sehr zu Anouk.
Die Mama der Zimmergenossin von Anouk meinte, dass sie ständig nach mir fragen würde.
Es zerreißt mich.
Anouk hängt seit heute am Schmerztropf und das scheint ihr zu helfen. Zumindest bekommt sie so schneller was gegen ihre Schmerzen. Nach wie vor quält sie das “drücken”.
Jakob fängt an zu husten. Bitte nicht…
Achja, das MRT von Anouk könnte noch verschoben werden, weil Mo/ Di im Krankenhaus gestreikt wird.
Bini versucht mich zu beruhigen. Er geht davon aus, dass beim MRT nichts rauskommt. Ich kann nur daran denken “und wenn doch?”. Man muss kein Onkologe sein, um zu wissen, dass ihre Heilungschancen dann massivst verringert wären.
Heute Nacht beim Gassigehen versuche ich die innere Stimme zu verdrängen, die mir immer zuflüstert: “Du weißt, dass Anouk sterben wird.” Das macht mir so Angst. Nein, das will ich nicht. Bitte lass das ein Schutzmechanismus meiner Psyche sein und kein schlechtes Omen. Mein Bauchgefühl war stets ein guter Kompass, aber bitte, lass ihn sich jetzt irren.
Mo, 04.12.23
MRT konnte gemacht werden. Jetzt heißt es warten.
Entzündeter Blinddarm, der auf die Blase drückt. Daher auch Schmerzen beim Pipi machen. Morgen entscheiden die Chirurgen, ob sie es operieren sollten. Die Onkologen gehen davon aus, dass man das so antibiotisch behandeln kann.
Keine Tumorzellen sichtbar.
Di, 05.12.23
Gerade Visite: Anouk hat nicht nur einen entzündeten Blinddarm sondern auch eine Entzündung im Enddarm. Sie bekommt jetzt breit Antibiotikum. Da (noch) keine Eiteransammlung da ist, wird (noch) nicht chirurgisch behandelt. Da sie eh keine Zellen hat, wäre eine OP zu riskant.
Am Ende der Woche soll noch eine KMP gemacht, um zu sehen wie sich ihre Zellen regenerieren. Im Moment sind wir in der 6ten Woche nach Chemo und es sind immer noch keine Neutrophilen da. Allerdings kommen gaaaanz langsam die Leukos. Sie können entweder die Entzündung bekämpfen und es wird besser mit Anouks Schmerzen. Sie können aber auch die Entzündung auch befeuern. Wenn das passieren sollte, müsste man dann doch operieren.
Also ist der Plan: Antibiose und Schmerzmittel und beobachten, ob es besser wird.
Wenn nicht, dann nochmal mrt und ggf. OP. Wenn doch, dann Start der nächsten Chemo. Anouk bleibt also weiterhin im Krankenhaus.
Unsere Familientherapeutin hat uns geraten, mit der Aufteilung Jakob Kindergarten, ich daheim und Bini bei Anouk im Krankenhaus weiterzumachen. Sie macht sich nach wie vor eher Sorgen um Jakobs Psyche als um Anouks. Es geht bei Kindern primär um Aufmerksamkeit. Die bekommt Anouk genug.
Aber falls Jakob mit Papa daheim wäre, würde er wohl untergehen. Bini braucht seine Ruhe. Die bekommt er noch eher im Krankenhaus als zuhause mit Jakob.
Anouk fehlt mir sehr, aber mein Bauchgefühl sagt mir auch, dass es für die Familie so am besten ist. Mal sehen, wie lange ich es aushalte.
Hoffe es kommt kein weiteres Schneechaos/ Unwetter in die Quere. Ich will sie zumindest so oft besuchen, wie es nur geht.
Sa, 09.12.23
Anouk ist immer noch im Krankenhaus. Es geht ganz langsam bergauf. Aber Schmerzen sind nach wie vor ein großes Thema.
Am Donnerstag erfolgte wieder KMP und LP. Im Liquor sind nach wie vor keine Tumorzellen vorhanden. Das beruhigt, ist die letzte Chemo ja jetzt schon über 6 Wochen her.
Das Knochenmark wurde zur Analyse wieder weggeschickt. Man muss nachsehen, warum Anouk sich nicht erholt. Entweder, sie hat so viele Tumorzellen im Knochenmark, welche ihre normale Blutbildung verdrängen, oder aber, ihr Knochenmark ist schon so zerstört, dass es sich wohl nicht mehr erholen wird. Zweiteres ist wahrscheinlicher, da Anouk selbst in der absoluten Akutphase nur wenige Blasten im Knochenmark hatte, also sich die Tumorzellen da offenbar nicht so festsetzen. Es heißt wieder abwarten. In ca. einer Woche wissen wir mehr.
Falls Tumorzellen vorhanden sind, müssen wir sofort mit der zweiten Chemo loslegen. Wenn nicht, dann kann es gut sein, dass wir die zweite Chemo überspringen und direkt ins LAF zur Konditionierung / Transplantation gehen.
So oder so ist wohl geplant, dass entweder Anfang oder Mitte Januar die Transplantation erfolgt. Die beiden in Frage kommenden Spender wurden bereits kontaktiert und es braucht wohl ca. 10 Tage, bis sie soweit durchgecheckt worden sind, dass man ihr Knochenmark entnehmen kann. Allzulange will man zwischen Entnahme und Transplantation nicht warten. Daher geht es dann doch irgendwie schneller als gedacht. Gefühlt hängen wir ja seit Wochen in der Luft. Keine Zellen, keine Chemo, kein Fortschritt im Plan und überhaupt nur abwarten.
Gestern konnte ich Anouk nicht besuchen, weil sich mein Hilfsnetzwerk kurzzeitig verabschiedet hatte. Heute kann ich sie nicht besuchen, weil Jakob erkältet ist und er unbedingt will, dass Mama bei ihm bleibt. Sie fehlt mir so sehr, dass es weh tut.
Wenigstens weiß ich, dass sie mit Papa ganz happy ist. Und dennoch macht es mich unendlich traurig, diese besondere Bindung zu ihr zu verlieren.
Wenigstens hab ich Kontakt zur Seelsorgerin in Penzberg. Aber ich kann ihr schlecht was vorheulen, wenn Jakob neben mir sitzt.
Es ist einfach alles so schwer. Ich bin dauermüde und muss ständig weinen.
Immerhin: Als wir den Christbaum im Musikzimmer aufgebaut haben, ist ein kleiner Marienkäfer auf meine Hand gekrabbelt. Vllt bringt er uns ja Glück.
Do, 14.12.23
Mausi hat nochmal TK bekommen und darf dann gleich nach Hause. Ich freue mich so sehr, sie endlich mitnehmen zu dürfen. Es ist ein Versuch. Sie hat immer noch keinerlei Zellen und das orale Antibiotikum ist nicht so breit wirksam wie das iv-Medikament. Eventuell flammt die Entzündung noch einmal auf. Diese ist zwar gut rückläufig (CRP von 2,4) aber Schmerzen beim Stuhlgang hat sie nach wie vor. Wie versuchen es jetzt mit Tramadol.
Prof. A. von der Transplantation hat uns heute auch besucht: je nachdem wie sich die Entzündung bei Anouk entwickelt und wie der Spender Zeit hat, wäre eine Aufnahme ins LAF am 08.01.24 möglich.
Davor bekommt Maus noch einmal MRT und KMP und ggf eine Überbrückungschemo, die sogar ambulant erfolgen kann. Allerdings macht das Zeug Fieber. Heute hat sie den Zahnarzt schon hinter sich gebracht. Gestern war HNO dran. Es fehlen nur noch Augenarzt, Schilddrüsen-Sono und Thorax Röntgen. Dann haben wir die Untersuchungsliste vor Transplant auch abgehakt.
Es bleibt auf jeden Fall spannend. Jetzt heißt es Elternwohnung und Gino organisieren.
Sa, 16.12.23
Seit 2 Tagen ist Anouk daheim. Seit 2 Tagen schlafe ich an ihrer Seite. Sobald ich mich kurz aufsetze, um etwas zu trinken oder mich nur mit dem Rücken zu ihr drehe, wacht sie auf und ruft nach mir.
Wir genießen die Nähe.
Maus hat zwar immer noch extrem starke Schmerzen beim Stuhlgang, und es zerreißt mich sie so zu sehen und nicht wirklich etwas machen zu können. Aber sobald sie sich beruhigt hat, ist sie eine kleine süße strahlende Persönlichkeit. Sie malt mit Begeisterung, liebt zu musizieren und lacht so herrlich herzhaft, wenn sie sich versteckt und Mama und Papa sie nicht finden.
Frei laufen mag sie nicht. Sie hat nach wie vor ihren Kniegang oder läuft an der Hand.
Gestern sind teilweise ihre Beine immer wieder weggeknickt und war sehr unruhig und wackelig. Keine Ahnung woher das kam.
Es wurde Buscopan ja schon im Krankenhaus wieder abgesetzt, weil es motorische Ausfälle bewirken kann. Ansonsten hätte ich es darauf geschoben.
Wenn Maus schon ruft, wenn ich mich kurz wegdrehe, wie soll das nur im LAF werden? Sobald Maus und ich beisammen sind wird im körperkontakt gekuschelt. Neben ihrem Bett sitzen und Händchen halten? Wie soll das gehen?
Sie sagt immer "Mama herkommen". Ich muss mich zu ihr hinlegen. Ja, muss!
Im LAF soll ich mich abends verabschieden. Ich höre ihr rufen doch dann nicht. Ich bezweifle, dass die Schwestern es hören. Maus wird nicht rational klingeln und nach Hilfe fragen. Entweder die Klingel ist tabu, oder aber sie klingelt die ganze Zeit, weil der Knopf dann so schön aufleuchtet. Sie ist 2. Wie soll sie das verstehen?
Wie soll sie verstehen, dass Mama nicht ins Bett darf? Wie soll sie verstehen, dass sie wieder ins Gitterbett muss, wo Mama immer dafür gekämpft hat mit ihr beisammen im großen Patienten-Bett schlafen zu können?
Wie soll sie verstehen, dass Mama sie nicht ablehnt sondern zu ihrer eigenen Sicherheit auf Distanz geht?
Diese kleine Maus muss physisch und psychisch ständig an ihre Grenzen gehen. Mein Herz ist schwer.
Hoffentlich bekomme ich bald das Rezept meiner Psychiaterin. Das Medikament soll mich emotional abstumpfen. Das entspricht zwar absolut gar nicht meinem Selbst, aber anders überstehe ich das nicht.
"Damals" im Urlaub in Fiumaretta hatte ich schon das Gefühl, dass ich -auch wenn der akute Stress vorbei war- irgendwie schon zu viele traumatische Dinge für ein Leben erlebt habe. Und dann kam das hier.
Sequenzen aus meinem Leben tauchen immer wieder auf. Wie Videoausschnitte, die ich exakt so nachfühlen kann, als wäre es wieder real.
Sa, 23.12.23
Kleines Update/ Info zu den nächsten Tagen:
Wir sind immer noch daheim und hoffen so sehr, dass es auch über die Feiertage so bleibt. Ich bin so dankbar, dass wir schon seit über einer Woche zusammen sind, auch wenn man nervlich an seine Grenzen kommt. Jakob eifert und fordert, Anouk fordert und konsequente Erziehung bringt nix, weil eh bald wieder alles anders ist. Ich habe Anouk letztens um halb 4 Uhr morgens Nudeln gekocht. Sie wollte zu Abend nix essen und hat dann natürlich prompt nachts Hunger bekommen. Unter normalen Umständen würd ich sagen: dann gibt's halt erst morgen was. Aber bald wird sie eh nix mehr essen können, weil die Konditionierung so extrem auf die Schleimhäute wirken soll, dass selbst eine Magensonde nicht helfen kann. Sie wird dann über den Hicki ernährt.
Am 2. Weihnachtsfeiertag bekommt Anouk nochmal TK auf der Station. Es sei denn, sie bekommt vorher schon Blutungszeichen, dann müssen wir schon früher rein.
Am 27ten steht das MRT an und hoffentlich erfolgt in der gleichen Narkose eine KMP. Da wird dann die Entzündung im Darm beurteilt. Die KMP zeigt, wie gut sich Anouks Zellen regenerieren. Beim letzten OTK Besuch waren die Leukos immerhin bei 300 messbar.
Am 28ten steht noch die letzte Voruntersuchung für die Transplantation an, das Thorax Röntgen. Zudem bekommen wir an dem Tag das Aufklärungsgespräch mit dem Leiter der Transplantation (Prof. A.) und das Pflege-gespräch. Es sind so viele Dinge zu beachten. Z.b. müssen wir Anouks Kleidung vorher vorbeibringen, damit die auf Station gesondert keimfrei gewaschen werden kann. Weiterhin darf Anouk nur nigelnagelneue Bücher mit ins Zimmer nehmen. Selbst Poster sind im Zimmer nur dann erlaubt, wenn sie ganz neu sind. Ich muss unbedingt nachfragen, ob sie dann überhaupt ein Plüschtier mitnehmen kann. Ich würde mir wünschen, dass sie Nachts zumindest einen Plüschfreund zum kuscheln dahaben darf.
Am 08.01.24 erfolgt dann das Einschleusen ins LAF mit der Konditionierung. Am 18.01 wird dann Anouks zweiter Geburtstag gefeiert: sie bekommt die Transplantation und damit ein neues blutbildendes System.
Insgesamt muss Anouk von Aufnahme bis zum sicheren Anwachsen der Zellen in der hardcore Iso bleiben. Erst wenn ihr Knochenmark genug blutbildende Zellen produziert, darf ihre Iso etwas gelockert werden. D.h. mindestens 3-4 Wochen im Zelt.
Wir haben glücklicherweise eine Elternwohnung gestellt bekommen, die ca. 5 Minuten vom Campus entfernt ist. Wir werden also für die Zeit nach München ziehen.
Jakob kommt natürlich auch mit.
Gino wird in der Zwischenzeit bei sehr lieben Menschen unterkommen können. Es "läuft" also.
Weil mich so viele Fragen, wie es mir gerade geht: ich weiß es nicht. Es fühlt sich alles gleich an. Ob ich von Anouks Krebs oder übers Wetter spreche: es ist emotional auf der gleichen Länge. Ich fühle mich innerlich taub. Besser als diese extremen Ups and Downs. Eine Art Selbstschutz nehme ich an. Da mein Rezept von der Psychiaterin in der Post verschwunden ist, kann ich es nicht mal auf das zusätzliche Medikament schieben.
Weihnachtsstimmung kommt daher kaum auf. Aber ich freue mich auf die großen staunenden Kinderaugen, wenn das Christkind endlich da war.
Und insgeheim hoffe auch ich auf ein Weihnachtswunder.
Anouk hat Blutungszeichen. Weil es noch nicht so schlimm ist und wir keine Lust auf eine Nacht im Krankenhaus haben, fährt Bini morgen mit ihr rein. Wir hoffen, dass diesmal das TK schneller geliefert wird und sie kein Fieber bekommt. Vorbestellen geht leider nicht…
So, 24.12.23
Frohe Weihnachten! Wir sind alle zusammen zu Hause. Bester Heiligabend aller Zeiten :-)
Mi, 27.12.23
Heute ist so ein Tag, wo ich wieder nur Wut auf diesen Saftladen verspüre. Organisation ist nicht ihre Stärke und wenn man nicht selbst dahinter ist, fährt man wegen jedem Termin extra rein. Bini ist mal wieder der passive Part und akzeptiert alles wie es kommt.
Anouk war den ganzen gestrigen Tag auf der Intern 3 fürs EK. Es hat alleine 2 Stunden gedauert, bis sie überhaupt ihre Blutwerte hatten (vs. 5 Minuten in der OTK). Am Feiertag läuft wohl alles langsamer. Erst am Abend war sie wieder da.
Heute war sie wieder zeitig weg: theoretisch MRT und KMP. Praktisch haben sie nur die KMP gemacht, MRT ist ausgefallen. Technischer Defekt. Normalerweise bekommt sie was gegen Übelkeit als Prophylaxe. Die Sedierung verträgt sie schlechter, als eine Vollnarkose. Wurde wohl vergessen. Anouk hat mehrfach gespuckt und ist wohl gerade erst eingeschlafen. Wieder ein Tag dahin.
Morgen Vormittag Thorax Röntgen, Morgen Nachmittag Vorgespräch mit Prof. A.. Also auch wieder ein ganzer Tag weg. Freitag soll sie dann wieder in die OTK fürs TK kommen. Mich würde es nicht wundern, wenn sie dann fiebert. Jakob hat schließlich Streptokokken.
Fr, 29.12.23
Das Gespräch mit Prof. A. lief sehr gut. Ich habe wieder etwas Mut schöpfen können. Auf der Seite der GPOH wurde die Überlebenswahrscheinlichkeit bei Rezidiv und Transplantation mit 42 % angegeben. Er sagt, es sind mittlerweile 70%. Weiterhin ist es noch nicht gesichert, dass Anouk keine Kinder bekommen kann.
Und auf die Nachfrage wegen Sekundärtumoren durch Chemo, meinte er “Rauchen ist schlimmer und erhöht das Krebsrisiko mehr als Chemotherapie”. Er klang zuversichtlich und wirkte sehr kompetent. Die Psychoonkologin war als Zeugin auch beim Gespräch dabei. Schließlich haben wir jetzt die Einwilligung zur Transplantation unterschrieben.
Was definitiv passieren wird, ist, dass Anouk so starke Mukositis bekommen wird, dass sie über den Hicki ernährt werden muss und Morphium braucht.
Haare fallen wieder aus.
Es ist wohl auch nicht ungewöhnlich, dass die kinder in der Zeit auch phasenweise auf der Intensivstation liegen müssen, da ihr Herz und ihre Atmung aussetzen können.
Ca. 10 Tage nach Transplantation ist man im absoluten Zelltief. Danach wird es besser gehen.
Wir haben unterschrieben, dass wir an der Randomisierung zur Konditionierung (=Alles vernichtende Chemo) nicht teilnehmen werden, sondern gleich auf das stärkere Medikament mit Busulfan gehen.
Nächste Woche Dienstag wird das MRT gemacht um zu sehen, ob Anouk vllt doch vor Transplantation der Blinddarm entfernt werden muss. Unter Transplantation wäre eine OP zu riskant. Aber mit etwa Glück ist die Entzündung soweit im Griff, dass es zwar wieder nach der Konditionierung aufflammen wird, aber nicht gefährlich wird.
Sie bekommt wohl ne ganze Palette an Medikamenten nach Hause, aber das wird wohl mit der Zeit weniger. Es gibt auch keine Erhaltungstherapie. Wenn die neuen Stammzellen angewachsen sind, wird man die Medikamente (vor allem das Medikament zur Immunsuppression) weiter ausschleichen. Am Ende soll sie Medikamentenfrei werden. In der ambulanten Phase wird anfangs noch viel Blut kontrolliert, daher wird sie den hicki noch 6 Monate nach der Transplantation brauchen. Am Ende sind die Kontrollen nur noch einmal jährlich?!
Es ist für mich immer noch die Frage, wie sie feststellen wollen, dass der Krebs nicht zurückkommt. Schließlich war weder ihr Knochenmark noch ihr Blut auffällig.
Mein Bauchgefühl muss dann wohl wieder herhalten.
Seit dem Gespräch steht Anouk für mich auf der Seite der Lebenden. Ich darf über den Kindergarten nachdenken. Maus wird wohl ihre Krippenzeit überspringen. Es ist schön, sich darüber Gedanken zu machen. Die Gedanken zu Anouks Beerdigung werden seltener.
Weil Anouk RSV nachgewiesen bekommen hat, müssen wir auch am Montag wieder rein um nochmal einen Abstrich machen zu lassen. Im Idealfall ist dieser dann negativ. Wäre er positiv, müsste man die komplette Belegung des MRT umplanen, weil das gesamte Equipment nach Anouk sterilisiert werden müsste.
Di, 02.01.23
Heute hatte Anouk ihr MRT. Bin gespannt wann das Ergebnis da ist.
Sie nimmt gerade sehr stark ab (wiegt wieder nur 10 kg) weil ihr ganzer Mund entzündet ist. Essen tut weh, trotz Mundspülung und Schmerzmittel. Habe mit der Zahnbürste nur kurz ihre Zähne berührt und schon fing es heftig an zu bluten. Maus hat wieder keine messbaren Leukos. Die ganzen Zellen verschwinden wohl gerade ins Gewebe um die Entzündung zu bekämpfen. Crp steigt weiter auf 5,x. Bin gespannt ob sie noch bis zum 08.01 zu Hause durchhält oder schon früher ins Krankenhaus muss.
Ich kanns kaum erwarten, dass es losgeht und endlich was voran geht. Auch wenn ich nach wie vor eine große Angst habe. Vor allem vor der Schlafsituation. Im Moment klammert sie extrem. Ich darf keinen schritt ohne sie gehen und wir schlafen nasenspitze an nasenspitze. Wünschte es gäbe eine Zeitkapsel, sodass wir die nächsten 2 Monate einfach überspringen können.
Do, 04.01.24
Anouk ist wegen TK in der OTK. Hat jetzt aber Fieber bekommen. Also kommt sie nicht heim. Sie fehlt mir jetzt schon so.
Weiß noch gar nicht wie wann was ich jetzt mache.
Fr, 05.01.24
Bini und ich haben getauscht. Maus liegt schon im LAF im grünen Zimmer, wo auch die Transplantation stattfinden wird. Wenigstens gelten gerade nur die normalen Isoregeln und nicht die Regeln, die nach dem Einschleusen gelten.
Daher liege ich gerade bei ihr im Bett zum kuscheln und schlafe heute nacht mit im Zimmer.
Anouk hat gerade Immunglobuline bekommen als “geliehenes Immunsystem”. Das wäre eigentlich am Montag beim Einschleusen drangewesen, aber wo wir schonmal da sind…
Leider hat sie mit extremen Schüttelfrost reagiert und Fenistil allein hat nicht geholfen der Reaktion Herr zu werden. Jetzt gabs Kortison und es geht ihr langsam besser, auch wenn das Fieber immer noch über 40 ist.
Sie schläft jetzt, das heißt es wird ne lange Nacht werden…
So, 07.01.24
Halb 3, Fieber, Blutkulturen und Umstellung auf Meropenem. Bin gespannt was der crp morgen macht.
Fr, 12.01.24
Bis Samstag gibt es noch Busulfan.
Mausi macht es bislang großartig. Eine deutliche Verschlechterung ihres Zustandes ist ab Tag +2 nach Transplantation zu erwarten. Es kümmern sich viele Leute sehr liebevoll um sie. Physio, Ergotherapie, Erzieherin, Musiktherapeutin...schaffen uns teilweise Freiraum um kurz nach draußen zu gehen.
Die schlafsituation ist schwierig, aber da ich auf dem Stuhl im Innenzelt neben ihr schlafen kann, macht es alles etwas erträglicher. Ich muss nicht von ihr weg. Dafür muss ich mit Mundschutz und Kittel schlafen.
Gestern abend haben bini und ich getauscht. Ich hab bei Jakob in der Elternwohnung geschlafen, er bei Anouk. Da Jakob hier nicht in den Kindergarten geht und wir quasi von 100% Betreuung eines Kindes zum anderen wechseln, kann ich mir nicht vorstellen, wie das auf Dauer funktionieren kann. Ich tendiere dazu, wieder Jakob in sein gewohntes Umfeld zu bringen (inkl. Kindergarten), sodass einer von uns zumindest den Vormittag entspannen kann. Der andere hat dann ca. 4 Tage/Nächte Anouk und dann kann man wieder tauschen.
Sobald man in den Krankenhaus groove reinkommt, ist es auch erträglich. Man macht zwar gefühlt nichts aber doch ist ständig irgendetwas. Min 2mal pro Schicht Blutdruck, Temperatur, Gewicht morgens und abends, waschen, eincremen, ständig neue Elektroden kleben (weil die irgendwie nicht so gut halten wollen). Mit dem Ein- und Ausschleusen um das Essen zu besorgen oder um selber essen oder ein schluck trinken zu können ist man da doch ganz gut beschäftigt.
Jakob will aber lieber in München bleiben. Mal sehen wie wir das weiter machen.
Ab nächster Woche gibt es dann wieder Antikörper und ich hoffe, dass sie Nebenwirkungen diesmal nicht ganz so heftig ausfallen.
Di, 16.01.24
Anouk reagiert wie zu erwarten mit Fieber auf den Antikörper und wir sind schon 4 stunden im Verzug. Erst wenn sie unter 38,0°C ist, darf die Antikörperinfusion wieder angestellt werden. So läuft es seit gestern mit einem ständigen wechsel von an und aus.
Anouk sieht auch aus wie bei einem Sonnenbrand. Die haut ist orange/rot, teilweise sehr fleckig. Wahrscheinlich auch eine Reaktion auf den Antikörper. Sie ist auch sehr knatschig. Diese Nacht war wirklich nicht schön. In meinem Kopf lief daher ständig das Lied: “I can't get no sleep..”.
Gerade mit Prof. A. geredet und erst jetzt realisiert. Morgen läuft die allerletzte chemo! Es gibt ja auch keine Erhaltungschemo. Verrückt. Ich will mich nicht allzu freuen. Wir standen ja schonmal an dem Punkt. Aber ich kann mir nicht helfen und muss einfach lächeln. Mega!
Mittwoch, 17.01.24
Nacht war besser, aber Anouk geht es gerade zusehens schlechter. Mukositis steht in den Startlöchern und sie mag jetzt schon nix mehr essen.
Es gibt ja viel Unterstützung, dass man als Eltern theoretisch mal kurz raus kann: Physio, Ergotherapie, spielen mit der Erzieherin, malen mit der kunsttherapeutin singen mit Musiktherapeutin. Anouk lehnt alles ab. Nur Mama und Dösen.
Heute sind auch Bini und Jakob da d.h. ich konnte sogar duschen. Tageshighlight.
Melphalan ist auch durch. Das war hoffentlich die letzte chemo.
Hat sich herausgestellt, dass sie wegen dem 2 Tage Stuhl verkneifen Bauchweh hatte und daher nichts essen wollte. Kaum kam die Erleichterung war Anouk wieder die alte. Es freut mich so sehr sie so fit zu sehen. Allerdings hätte sie sich das für tagsüber aufheben können und nicht für nachts..
Fr, 19.01.24
Gestern war wirklich ein besonderer Tag. Auch das Personal war ganz aufgeregt. “Die Ware ist da!!”. Ab diesem Zeitpunkt war ich nur noch freudig nervös. Und dann kam der technisch total unspektakuläre Vorgang: Beutel dran und los gehts. Damit wir diesen Moment mehr realisieren können, wurde die Leitung nicht vorgespült. So konnten wir beobachten wie sich die kleinen Wunderzellen auf den Weg in Anouks Körper machten. Um 13:46 Uhr wurde die Pumpe vom Infusomaten gestartet. 10 Minuten später passierte die rote Flüssigkeit Anouks Hicki.
Bini und ich standen Arm in Arm da und ich musste vor Erleichterung und Dankbarkeit einfach nur weinen.
Ab jetzt nur noch bergauf.
Anouk hat immer wieder ein wenig Fieber entwickelt und über Kopfweh geklagt. Das war aber gut mit Paracetamol/ Novalgin und Kühlpack in den Griff zu bekommen. Durch die nicht ganz identische Blutgruppe (Anouk wird von A- zu A+) muss ihr Urin immer kontrolliert werden, wie stark die Hämolyse fortschreitet. Falls zu viel Erythrozyten im Urin sind, muss stärker gewässert werden.
Die Nacht war Akkordwindelwechseln angesagt. Anouk ist jedes Mal wachgeworden und war knatschig.
Die Elternliege war auch diese Nacht nur Deko. Es war eine anstrengende (und kalte) Nacht. Kaum geschlafen, gefroren, kurz Panik unter der Maske bekommen. Ab einem gewissen Zeitpunkt habe ich das freie Atmen extrem vermisst. Aber egal. Es ist alles viel erträglicher, wenn man weiß, dass es voran geht. Ich bin so unfassbar stolz auf meine kleine Maus. Wie viel musste sie bis zu diesem Zeitpunkt ertragen? Es ist, als ob ein schrecklicher Albtraum zu Ende geht. Ich kann es gar nicht fassen, was alles in den letzten 13 Monaten passiert ist.
Anouk hat gerade noch Apfelsaft getrunken, d.h. sie kann noch schlucken. Das freut mich sehr. Die Mukositis kann von mir aus ganz wegbleiben.
Da Anouk alle Zellen des Spenders bekommt (und das sind dann doch 2 Beutel voll) muss sie heute wahrscheinlichl zur Ader gelassen werden. Klingt nach mittelalter aber ist wohl auch recht unspektakulär, wenn die entsprechende Menge Blut aus dem Hicki genommen wird.
Ich freue mich, dass Bini und ich heute tauschen. Ich brauche Schlaf, frische Luft und Feuchtigkeit. Die Luft ist im Zelt extrem trocken. Dazu kommt, dass man hier drin nichts trinken darf.
Jakob will sicher auch bespaßt werden. Aber vllt kann ich ihn mit Dino Dana ablenken, während ich mit ihm kuschelnd neben ihm dösen kann.
Di, 23.04.24
Heute wird wieder zurückgetauscht. Ich fühle mich zwar gar nicht erholt, möchte aber unbedingt wieder bei meiner Maus sein. Jakob ist so unfassbar anstrengend und lässt mir keine Minute Ruhe. Ich reagiere mittlerweile sehr herzlos und das tut mir Leid. Ich mag einfach nicht ständig spielen, ihm zuschauen oder ihn bewundern. Ich mag nur meine Ruhe. Aber sobald seine Augen auf sind, wird in einer Tour auf mich eingeredet. Alles muss verhandelt und diskutiert werden. Geduld habe ich keine mehr.
Diese Extremsituation schadet nicht nur meiner Ehe, sondern auch meiner Beziehung zu beiden Kindern.
Anouk geht es zunehmend schlechter. Vor 2 Tagen hat sie das Essen komplett eingestellt und wird jetzt über den hicki ernährt. Wenigstens ist die Mukositits noch nicht so weit fortgeschritten. Sie trinkt immerhin noch etwas und schnullert vor sich hin. Manche kinder können ja nichtmal das.
Das Morphin wird weiter hochgedreht. Sie ist sehr schlapp und lustlos. Sie schläft viel aber immer sehr unruhig. Sie stöhnt im schlaf und wacht bei kleinsten Geräuschen sofort auf. Selbst Bini konnte letzte Nacht nicht im Elternbett liegen, sondern musste ständig bei ihr sein.
Wegen der Transplantation hat sich Anouks Haut sehr verdunkelt. Sie sieht aus wie 3 Wochen strandurlaub ohne Schatten. Mein kleiner Br.bär. Als ich gestern Abend gegangen bin, hat sie mir nicht mal gewunken. Ich stand vor dem Schleusenfensterchen und sie hat mich einfach mit traurigen Augen angesehen. Abgeklärt. Sie so zu sehen bricht mir das Herz.
Wenigstens hat heute das Brechen aufgehört.
Wie sehr freue ich mich, wenn die Iso aufgehoben wird und ich wieder ohne Maske neben ihr schlafen kann. Auch wenn der Krankenhausaufenthalt damit noch nicht zu Ende ist, wird es deutlich einfacher werden.
Und wenn Jakob in den Kindergarten kann und wenigstens einer von uns einfach mal ein paar stunden alleine für sich sein kann.
Bis dahin heißt es Durchhalten und Aushalten.
Do, 25.01.24
Und da haben wir eine Kathetersepsis mit Enterokokken. Anouk ist sehr aufgedunsen und auch ihre Schläfen und Augen treten etwas hervor. Das erinnert mich zu sehr an die damaligen Anfänge, aber rational betrachtet kann zu diesem Zeitpunkt nun wirklich keine Krebszelle wachsen. Es ist wohl nur Wasser. Vorbote für die Sepsis waren ja schon ihre niedrigen Blutdrücke. Und die Wassereinlagerungen passen auch perfekt ins Bild.
Die Mukositis ist gefühlt gleichgeblieben, zumindest im Mund. Nur der Schleim ist zäher und dadurch verschluckt sie sich oft und japst dann nach Luft. Und je mehr sie versucht zu husten, desto schlimmer reizt das ihren Rachen und sie verschluckt sich noch mehr. Aber: sie hat heute wieder ein paar schlückchen Erdbeermilch getrunken und das hat mich sehr gefreut.
Babymaus tut mir so Leid. Aber das hilft ihr ja auch nichts. Also streichel ich ihren Kopf, wische den Sabber weg und beruhige sie wenn sie im halbschlaf/dösmodus anfängt zu weinen. Sie hat heute wieder den ganzen Tag verschlafen und ich befürchte, dass sie heute Abend wieder nicht schlafen mag.
Heute ist Tag +7. Weiter Augen zu und durch.
So, 28.01.24, Tag +10
Ich konnte mich gestern kaum von Anouk trennen, aber nachdem die Ödeme etwas zurückgegangen sind und sie wacher war hab ich sie Bini überlassen und konnte einen ganzen Nachmittag für mich sein.
AMUSEUM, Brandhorstmuseum, durch München spazieren, eine phantastische Torte gegessen, Tee getrunken und die letzten Seiten meiner Lektüre verschlungen.
Unfassbar wie gut das getan hat.
Als ich heute morgen zu ihr gekommen bin, war ich nur schockiert. Die Ödeme sind so extrem geworden, dass ich sie fast gar nicht mehr erkennen konnte. Nachts war die windel trocken. Sie bekommt jetzt Lasix als dauerinfusion und albumin. Ihr bauch ist extrem prall, sie kann nicht mehr pieseln.
Die Leberwerte haben sich verdoppelt. Die Leber ist geschwollen und sie hat wohl VOD.
Ich dachte, dass wir jetzt nur noch Geduld haben müssen. Der Status Quo ist ja schon fast unerträglich. Die dunkelbraune, sich bereits schälende und juckende Haut am ganzen Körper, die Schmerzen, der blutige Mund, das nicht essen und nicht trinken können. Die Ödeme, die im vergleich zu jetzt ein Witz sind.
Musste das jetzt sein?!
Ich mach mir so Sorgen.
Sättigung wird auch immer schlechter.
Was machen die nur mit meiner Babymaus?! Und leider ist natürlich Wochenende und nur die Assistenzärztin ist da.
Wenigstens hat eine sehr erfahrene Schwester Dienst und konnte mich minimal beruhigen.
Heute wollte ich einen Ausflug mit Jakob zu einem Zauberer machen. Bini hat die Karten besorgt. Dabei will ich nur bei meiner Maus sein. Sehen, wie es ihr geht. Ihre Wärme spüren. Den Atem hören.
Es ist einfach nur scheiße.
Hab es nicht geschafft mich von ihr zu trennen. Sie weinte als ich sagte, dass ich jetzt gehe und Papa da ist. "Mama hierbleiben".
Wütender Jakob. Angefressener Bini.
Dienstarzt wurde hinzugezogen und der Intensiv schonmal Bescheid gegeben, dass evtl. ein Kind zu ihnen verlegt wird.
3 Versuche hat das Blasenkatheterlegen gebraucht. Weil sich ihr Haut ja überall schält, war schon allein das desinfizieren eine Qual.
Ich heule in meinen Mundschutz. Weil sie so schreien musste, war ihr Mund wieder voller Blut und zähem Schleim, an dem sie sich immer wieder verschluckt hat. Was muss dieses kleine Mäuslein noch alles ertragen?!?
Sauerstoffvorlage wird von ihr natürlich auch nicht wirklich akzeptiert.
Es ist zum kotzen.
Maus hat jetzt lauter Bläschen am Kopf bekommen. Der Dienstarzt ist überfragt und kontaktiert den Hintergrund. Leider ist im Hintergrund nicht Dr. A... er würde mich beruhigen können. So ist es Dr. Hauck aka "man darf bei einer krebserkrankung auch nicht die Erziehung der Kinder vergessen". Das sagte er mir an dem ersten Abend auf der Onko, weil Anouk auf der Spielmatte saß und kekse gefuttert hat.
So, Anouk soll heute noch auf die Intensiv. Ich hoffe, dass ich bei ihr bleiben darf.
Allerdings finde ich das Risiko ziemlich krass sie "einfach so" über den Flur zu fahren. Ich wünsche es wäre ein Arzt hier dem ich vertrauen kann. Die Schwester aus dem Spätdienst war ja schonmal ne vollkatastrophe.
War nochmal ein anderer Arzt da, der mir alles erklären konnte und der vertrauenserweckend und kompetent wirkte.
Warten immer noch um auf die intensiv (KIPs) verlegt zu werden. Bis dahin halte ich die sauerstoffvorlage so nah es geht an ihr Gesicht.
Mo, 29.01.24
Seit 2:45 Uhr auf der KIPs. Maus bekommt Sauerstoff über eine Nasenbrille. Ultraschall hat Nachts ergeben, dass Anouk viel freie Flüssigkeit im Bauch hat, sowie Pleuraergüsse (rechts deutlich stärker als links) und einen Pericarderguss. Eventuell wird heute die rechte Lunge punktiert um die Flüssigkeit rauszubekommen und ihr das Atmen zu erleichtern.
Wenigstens scheidet die Niere wieder mehr aus.
Da dachte ich, dass die Bedingungen im LAF schon hart wären. Ist aber kein Vergleich zur KIPs.
Keine Elternbetten (auch nicht im Vorzelt), keine Möglichkeit mich zu waschen oder aufs Klo zu gehen. Dafür müsste ich hier ganz aus der Station auschecken. Vllt sollte ich mir auch so einen Blasenkatheter legen lassen…
Als wir Maus runtergefahren haben und ich sie im grellen Licht des Aufzuges ansehen konnte, kamen mir wieder die Tränen. Das extrem geschwollene Gesicht blutverkrustet, die dunkle Haut pellt sich und Hautfetzen hängen am Kopf. Sie kann ihre Spucke nicht mehr schlucken, und so blubbern rote Blasen vor ihren Lippen. Sie wehrt sich viel, was mich aber sehr beruhigt. Kämpfermaus ist noch am Start.
Sie hatte unfassbar Angst als wir hier aufgenommen wurden. So hab ich Anouk auch noch nicht gesehen.
Ich hoffe echt, dass das jetzt das große Finale ist und es dann nur noch bergauf geht. Ich kann es kaum erwarten bis ich endlich mit einem richtigen Arzt vom LAF reden kann. Ich muss sehen, wie er reagiert. Ist er entspannt? Besorgt? Ich brauche unbedingt eine realistische Einschätzung der Lage.
Dr. P. war grad da. Es ist eine schwerere Form der VOD. Eine bekannte Komplikation aber in dem Ausmaß dann doch nicht so häufig. Sie bekommt jetzt ein Medikament dagegen.
Ziel fürs erste ist: dass es ihr nicht noch schlechter geht und die schmerzen handhabbar sind.
Es wird wohl einige Tage dauern. Mit etwas Glück ist sie Ende der Woche wieder stabil genug fürs LAF, aber es kann auch länger dauern.
Herz und Bauchorgane wurden gerade geschallt und es sieht soweit ok aus.
Das Anwachsen der stammzellen wird soweit nicht durch diese Krankheit beeinflusst. Aber im moment würde man sich eher wünschen, dass die zellen noch etwas warten. Erfahrungsgemäß bekommen die kinder nämlich auch bei Beginn der Zellbildung Atemprobleme. Das wäre on top doch etwas viel.
Ich weiß nicht was ich jetzt machen soll und bin wieder maximal zerrissen.
Hicki reicht nicht aus für die Medikamentengaben. Maus soll noch einen Zugang in der Leiste bekommen. Es ist Folter sie so zu sehen.
Di, 30.01.24
Laut Laborwerten ist Anouk von der Leber her stabil geblieben und die Niere etwas besser geworden.
Die Flussrate der Nasenbrille wurde über den Tag hin reduziert, hat aber dann doch nicht geklappt und musste wieder erhöht werden.
Anouks Haut wird immer schlimmer. Gerade der Popo ist total offen. Gerade bei ihr, wo es doch sowieso schon immer so eine große Baustelle war.
Dass es ihr besser geht, merke ich leider nicht. Sie schläft heute extrem viel und weint die Wachphasen eigentlich nur durch. Da war sie gestern fitter, als sie abends noch mit mir gespielt hat. Aber vllt kommt das noch und sie macht die Nacht zum Tag.
Sie wollten heute auch nochmal die Leber schallen und die venöse Flussrichtung ermitteln. Je nach Schweregrad der VOD ist diese nämlich umgekehrt. Hat aber nicht geklappt, weil die Ärzte nicht wussten ob die Einstellung richtig war…. Vllt haben sie das mittlerweile rausgefunden, aber reden tun die Ärzte hier offensichtlich nicht gerne. Keine Infos.
Ich wollte heute eigentlich tauschen, aber wenn Maus weint und “Mama hierbleiben” sagt, schaffe ich das nicht. Es ist ja sowieso schon schwer für mich, wenn sie weint, aber in Kombination mit ihrem Zustand…
Jakob ist natürlich sehr traurig, dass Mama so wenig Zeit für ihn hat. Zerrissenheit ist also wieder voll am Start. Kinder sind etwas tolles, aber in solchen Momenten wünschte ich, dass es doch bei einem Kind geblieben wäre.
Aber wer konnte auch das hier alles ahnen.
Das gute ist die Erfahrung, dass mal wieder alles relativ ist:
Im Gegensatz zu nem Bett ist die Elternliege beschissen. Im Gegensatz zum Elternbett ist der LAF stuhl beschissen. Aber im Vergleich zu einem normalen Stuhl ist der LAF stuhl der himmel auf Erden.
Do, 01.02.24
Gestern Nachmittag konnte Maus wieder zurück ins LAF verlegt werden!
Nachdem sie extrem ekliges Zeug ausgehustet hat, konnte sie wieder besser Schnaufen und brauchte die Atemhilfe nicht mehr.
Nierenwerte haben sich nochmal verbessert und nachdem das Kalium richtig eingestellt worden ist, war auch ihre Herzfrequenz wieder stabil.
Anouk hat auch keinen Pericarderguss mehr. Nur noch der eine Lungenflügel und ihr Bauch kämpfen mit Wasser.
Die Flussrichtung in der Leber war gottseidank noch nicht umgekehrt, sodass die VOD doch nicht so schlimm wie gedacht ist. Ihre Leber wird sich wohl erholen können.
Der Zugang an der Leiste konnte wieder gezogen werden, weil die Medikamente zur Kreislaufstabilisierung abgesetzt werden konnten. Der Blasenkatheter muss leider noch liegen bleiben, aber ich hoffe, dass auch der bald weg ist.
Die extreme Müdigkeit kam wohl vom Hydromorphon, welches besser für die Atmung ist (vorher gabs ja Morphin gegen Schmerzen) aber so müde macht. Hat mir natürlich hier keiner gesagt, sondern eine liebe Freundin konnte mir das erklären.
Ich konnte daher gestern mit Bini tauschen und durfte endlich wieder in einem richtigen Bett schlafen.
Ich hoffe, dass bald zu sehen ist, dass die neuen Stammzellen anfangen zu arbeiten und sie von einer GvHD verschont werden kann. Dabei erkennen die Spenderzellen Anouks Körper als Fremd an und greifen diese an. Es gibt normalerweise eine Prophylaxe dagegen (Cylosporin), aber das musste wegen Anouks Nierenwerte auch pausiert werden.
Ich hoffe so so sehr, dass es endlich nur noch bergauf geht.
So, 04.02.24
Seit gestern hat die Maus Zellen. Die ersten Leukos sind endlich sichtbar, das heißt in ihrem Knochenmark wird wieder gearbeitet.
Die Haut schaut immer noch sehr schlimm aus und Anouk zupft sich ständig Haut im Mund weg, sodass sie immer wieder blutet. Hoffe, dass gleich das TK da ist. Dann ist die Gerinnung zumindest besser. Die offenen Stellen am Po werden täglich gelasert. Das soll die Heilung beschleunigen.
Anouk ist auch wieder sehr Charakterstark und bekommt ihre Wutanfälle. Sie ist also definitiv auf dem Weg der Besserung, wenn es auch sehr anstrengend ist.
Heute merke wie die Luft raus ist. Ich hab einfach keine Lust mehr auf Krankenhaus. Auf Kittel. Auf das Warten, dass es besser wird. Es ist aber auch echt genug langsam. Ich mag nach Hause. Dabei hatten Bini und ich gerade erst Schichtwechsel.
Jetzt kommt nochmal die kritische Phase mit dem GvHD. Dabei kann sie juckenden Hautausschlag bekommen (was bei ihrem jetzigen Hautzustand schon katastrophal wäre), Magen-/Darmprobleme und schlechte Leberwerte. Dabei ist ihre Leber ja jetzt noch angeschlagen vom VOD. Wenns blöd läuft könnte sie auch wieder auf die intensiv kommen. Das ist zwar selten...war aber die VOD auch.
Ich will jetzt nur noch sehen, dass es steil bergauf geht.
Di, 06.02.24
800 Leukos, 500 Neutrophile!
Ab morgen können wir ausgeschleust werden und endlich endlich wieder kuscheln!
Anouk ist sehr schlapp und hat immer fieberschübe, aber sie gehen davon aus, dass es im Rahmen vom Take (anwachsen der Stammzellen) ist.
Kleines Jubiläum: Bei Anouk läuft gerade die 50te Bluttransfusion. Wahrscheinlich das letzte EK.
Tk kann nochmal kommen.
Mi, 07.02.24
2200 Leukos, über 1000 Neutrophile. Die Tür ist auf, der Mundschutz Ist weg und ich hab Anouk erstmal einen dicken Kuss auf ihre Haut gegeben. Wie sehr mir das gefehlt hat.
Leider gab's auch schlechte Nachrichten. Sie haben in der Blutkultur Adenoviren nachgewiesen. Der Virus kann sehr sehr krank machen, daher muss das schnellstmöglich behandelt werden. Das einzige Medikament, was hilft, ist aber extrem nierentoxisch. Was die Toxizität etwas abschwächt, ist ein Mittel was man nur Oral geben kann. Mit entzündeten Schleimhäuten und starkem Husten ein Horror für sie. Da hilft wenigstens die lange Erfahrung ständig seinem Kind Medikamente einzulösen an denen sie halb erstickt, weil sie nicht schlucken mag.
Es war nicht schön, aber ohne das Medikament kann sie das einzige Mittel gegen Adenoviren nicht bekommen.
Alternative war ne magensonde für das Medikament. Wäre sicher genauso unschön geworden.
Wenigstens ist die Viruslast noch sehr gering, dass sie hoffen, dass er gar nicht richtig symptomatisch werden kann.
Anouk ist sehr schlapp und wirkt unfassbar traurig. Dr. A. vermutet, dass es an der extrem gut ansteigenden zellzahl liegt.
Ansonsten sind ihre Leberwerte und die crp gestiegen, aber das liegt noch im normalen Bereich als mögliche Nebenwirkung des Anwachsens der Stammzellen.
Sa, 10.02.24
Heute ist der letzte Abend in München. Ab Montag wird Jakob in den Kindergarten gehen und Bini und ich handhaben den Rest wie die "normalen" Krankenhausaufenthalte. Einer bei Jakob, der andere bei Anouk.
Bis Mittwoch bleibe ich dann in Penzberg, dann wird wieder gewechselt.
Die Adenoviren sind leider mehr geworden. Noch kann man nicht sagen ob die Therapie anschlägt. Morgen oder Montag wird Anouks Blut erneut auf Adenoviren getestet. Falls die Anzahl weiterhin steigt muss man sich etwas anderes überlegen...das macht mir Sorgen. Es gibt ja leider nicht viel Medikamente dagegen.
Anouk schält sich immer noch.
VOD ist wohl auch noch sehr präsent. Das Bilirubin ist zwar etwas gesunken, aber sie hat einen enorm hohen TK Verbrauch. Am 2ten Tag nach Transfusion brauch sie bereits wieder ein TK. Defibrotide (einziges Medikament gegen VOD) wird daher noch länger weitergegeben. Nierenwerte sind soweit stabil. Bereits 3200 Leukos.
Essen und Trinken gehen leider immer noch nicht.
Sie hat heute sogar kurz gelächelt. Das war schön.
Aber als ich gegangen bin, hat sie sehr geweint. Das tat unglaublich weh. Ich weiß ich wiederhole mich: Scheiß Zerrissenheit!
Di, 13.02.24
Seit Sonntag Abend sind wir wieder in Penzberg. Wie schön unser zu Hause ist. Und gleichzeitig fällt es mir sehr schwer zu sehen, wie sich die Welt für unsere Mitmenschen weitergedreht hat. Der Kontrast zwischen unserem Leben und der Welt "da draußen" ist riesig und verunsichert mich sehr. Ich versuche mich viel durch Hausarbeit abzulenken, aber sobald Ruhe einkehrt bricht gefühlt alles über mich hinein. Auch der Kontrollverlust, wenn ich nicht bei Anouk bin, ist für mich schwer aushaltbar.
Anouk hat wieder Bauchweh bei Stuhlgang und Pipi machen.
Gestern hat sie sich dreimal erbrochen. Giftgrün. Die Einblutungen an mittlerweile beiden Augen werden mal besser mal schlechter. Wegen der VOD braucht sie nach wie vor alle 2 Tage TK, Besserung ist nicht zu erkennen. Ich mache mir große Sorgen.
Es ist gerade 5 Uhr morgens während ich das hier schreibe. Schon wieder diese Angst, meine Babymaus zu verlieren. Dabei ist diese eh unterschwellig seit Dezember 2022 immer dabei. Aber grad ganz akut ängstigt mich dieser scheiß Adenovirus. Ich lese einiges darüber und das was ich lese ist nicht sehr erbaulich. Hohe Lethalität. Einziges Medikament (dessen Wirksamkeit nicht wirklich nachgewiesen ist, daher nur off-label-use..) ist das Cidofovir, was sie bereits bekommen hatte.
Um die Nieren zu schützen wurde sie dabei stark gewässert und bekam Probenecid oral reingezwängt.
Ich kann das Ergebnis der Adenoviruslast kaum erwarten, befürchte aber auf Grund ihrer Symptomatik dass sie gestiegen ist.
Passt leider alles zu gut ins Bild. So viele Sorgen.
Auch wenn ich nicht gerne ins Krankenhaus möchte, freue ich mich doch sehr wenn ich ab Mittwoch wieder bei ihr bin und all meine Sorgen und Bedenken direkt mit den Ärzten besprechen kann. Ich wünschte, ich hätte wie Bini dieses Grundvertauen in die Ärzte. A la "die werden es schon richten und wenn nicht, dann werden sie es uns schon mitteilen".
Bitte bitte bitte lieber Gott, beschütze meine Maus.
Mi, 14.02.24
Mama und Babymaus sind wieder vereint.
Sie schläft viel, aber ihre Werte sind soweit stabil und auch der adenovirus ist nicht weiter gestiegen. Zwar auch nicht gefallen, aber heute hat sie nochmal das nierentoxische Medikament bekommen. Vllt bringt das die Wende.
Anouk hat starke Schmerzen beim Pipi machen und ich werd den Blinddarm morgen definitiv nochmal ansprechen. Trotzdem versuchen wir gerade den schmerztropf etwas auszuschleichen weil ich das Gefühl habe das bringt für ihre Schmerzpeaks eh nicht wirklich was. Hab sie heute ohne Bolus bettfertig gemacht und es war genauso schlimm für sie wie mit Bolus.
Vllt können wir ja wieder auf tramadol wechseln, das war irgendwie einfacher und effektiver.
Essen und Trinken mag sie immer noch nichts. Sie sagt immer noch Aua Mund, aber zeigt zumindest Interesse an Lebensmitteln.
Ich denke, dass sie sich noch nicht traut, denn der Mund schaut soweit "ok" aus.
Mittlerweile braucht sie "nur"alle 3-4 Tage TK, statt jeden zweiten, also scheint die VOD etwas rückläufig zu sein. So die Vermutung.
Morgen darf Maus kurzzeitig abgestöpselt werden und frische Luft schnappen. Auf Station ists noch verboten wegen den Viren, aber draußen ist es eh schöner.
Ich hoffe, dass es ihr wieder neuen Schwung gibt und sie vllt sogar ein bisschen läuft um ihre Beinchen zu trainieren.
Ich muss mich erst wieder in den Krankenhausalltag eingrooven. Ich hoffe ja, dass Anouk morgen weniger Mama-addicted ist. Jetzt ist die Tür zwar auf, aber ich kann immer noch nichts in Ruhe essen und trinken, weil sie mich nicht loslassen will. So sitze ich also hier wieder auf dem grünen Stuhl, weil ich sie fürs Elternbett machen nicht ablegen darf. Ihre Nhe und Wärme hat mir so gefehlt und gleichzeitig fühlt es sich komisch an, bini und Jakob nicht gleich um die Ecke zu wissen. Ich frage mich wieder, wie ich die kommenden Tage überstehen soll.
Aber wie so immer gilt das Motto: aushalten und durchhalten. Es gibt keine Alternative.
Fr, 16.02.24
Heute durfte Maus wieder abgestöpselt werden und raus. Nach dem gestrigen Versuch zu laufen, hat sie sich heute nicht mehr getraut. Gestern sind ihre Beinchen einfach weggeknickt. Gar keine Kraft.
Heute wollte sie nach dem Spaziergang partout nicht zurück. Als wir auf der Glasbrücke waren, fing sie an zu weinen und wollte wieder raus. Ok, noch ne Runde um die Theresienwiese. Anouk hat dabei ständig laut geatmet und gebrummt, und ich wurde von zig Leuten schockiert angesehen. Das hat mich wütend gemacht. Ja, sie sieht aus wie vom LKW überfahren und sie klingt nicht gut. Aber da muss man trotzdem nicht gleich so starren. Beim zweiten Versuch auf Station zu gehen das gleiche Spiel. Sie hat so dolle geweint und geschrien, dass das ganze LAF Personal mitbekommen hat, dass wir wieder zurück sind.
Selbst für Prof. A. war es schwer mit anzusehen. Wenn sie wenigstens essen und trinken würde, dann könnte man sie ja irgendwie in absehbarer Zeit nach Hause lassen. Das versteht sie leider nicht. Ich biete ihr ständig alles an und bekomme immer nur ein “nein”.
Von dem viele Geschrei war ihr Mund sehr blutig. Wahrscheinlich braucht sie morgen wieder TK. Das ist schon frustrierend, dachte ja, dass es mit der VOD besser wird und sie weniger TK braucht.
Gerade hat sie wieder auf 38,5 gefiebert. Also wieder Blutkulturen und Antibiotikum. Dabei war ich so froh, dass sie fast eine Woche ohne Fieber und Antibiotikum ausgekommen ist.
Ausscheidung wird gerade wohl auch schlechter und ich hoffe, dass sie nicht wieder so viel einlagert. Das hieße, dass die Niere wieder schlechter wird. Weiter beobachten.
Es ist ein frustrierendes Geduldsspiel. Noch dazu sehe ich trotz Inhalieren mit Kortison keine wirkliche Besserung ihres Hustens.
Wenigstens hat sich die Viruslast vom Adenovirus halbiert. Das Medikament scheint doch anzuschlagen (allerdings sehr langsam).
Sa, 17.02.24 Tag +30
Um Tag 30 dürfen die meisten nach Hause. Wir nicht. Anouk hat einen Wutanfall nach dem anderen und ich versuche alles um sie wenigstens etwas zufriedenstellen zu können. Sie saß heute früh im buggy und hat nur darauf gewartet, dass sie raus darf. Draußen war ihr der Weg auch nicht recht und zurück ins krankenhaus war auch doof. Heute war ihr einfach nichts recht. Ich kann sie sehr gut verstehen. Ihr Frust ist mindestens genauso groß wie meiner.
Husten gleich, Leber verbraucht extrem viel Thrombos (von 30.000 auf 9000 innerhalb eines Tages) und jetzt hat sie natürlich angefangen wieder einzulagern. Ist die Niere wohl doch nicht so fit.
Ständig wird sie auf “nachher” vertröstet, weil irgendwelche Infusionen noch laufen müssen. Am Ende die ganze Aufregung für 30 Minuten Frischluft und den riesen Frust wieder zurückzukommen.
Als wir wieder im Zimmer waren und ein Wutanfall den nächsten gejagt hat, war ich so frustriert, dass ich nur noch gefuttert hab. Jetzt bin ich noch mehr gefrustet. Hach ja.. So langsam ist meine Geduld wirklich aufgebraucht. Das interessiert nur niemanden. Man muss ja trotzdem warten.
Di, 20.02.24
Anouk hat gelächelt. Anouk hat ein bisschen Eis gegessen. Anouk hat ein paar Striche malen wollen und ein paar Schlücke Erdbeermilch getrunken.
Es hat so unglaublich gut getan, das zu sehen.
Anouk ist aber auch stark gefrustet und wartet den ganzen Tag darauf endlich rauszudürfen um dann wieder frustriert zu sein, dass es wieder zurück geht. Sie weint dann immer extrem kümmerlich und versucht sich die Kabel vom Körper zu reißen "Kabel weg. Raus!!!"
Ihre Wutanfälle sind mittlerweile völlig willkürlich. Selbst wenn ich ihr das gebe, was sie möchte, flippt sie aus und fordert etwas anderes. Es macht mich mürbe. Und wütend. Nicht auf Anouk, sondern auf dieses Krankenhaus. Auf diese Situation, in der wir nicht wären, wenn man uns den Gentest nicht ausgeredet hätte. Erst körperliche Hölle und langsam zeigt sich auch was das hier für eine psychische Hölle für sie ist. Ich kann mit Bini tauschen. Aber Anouk? Anouk muss weiter "nur mal kurz" Temperatur messen. "Nur mal kurz" Blutdruckmessen. Ich wünschte, dass man sie einfach nur mal in Ruhe lassen würde.
Die Nacht von Sonntag auf Montag war unfassbar anstrengend. Es war gefühlt ein riesen Wutanfall der nur durch kurze schlafsessions (<1h) unterbrochen wurde.
Meine Nerven liegen blank. Eigentlich wollten Bini und ich erst heute tauschen, aber nachdem Anouk aus Wut mich noch mehrfach aus dem Zimmer geschmissen hat und "Mama weg" gerufen hat war ich einfach nur durch. Wie ein kleines Kind saß ich heulend vor ihrem Klinikzimmer und hab gewartet, bis sie wieder nach mir ruft.
Der Spaziergang draußen war ebenfalls nicht sehr erholsam. Ich durfte nicht stehenbleiben. Und die Richtung war sowieso falsch. An Ende musste ich den Buggy verkehrt herum schieben, damit sie nicht weint.
Kaum war bini da, hat sie wieder nach mir gerufen und sich an mich gekuschelt. Uns beiden hat dieser Ruhepol gefehlt.
Jakob hat sich sehr gefreut, dass ich wieder da bin. Es ist komisch zu Hause zu sein, aber ich freue mich auf einen freien Vormittag. Hoffentlich kann ich den auch genießen. Sobald ich Ruhe habe, prasselt die Realität auf mich ein und wieder mal ist Essen mein Ventil. Das nervt. Aber wenigstens steht der Kopf dann etwas still.
Die Ärzte meinen, dass die Wut zum größten Teil Frust ist. Schließlich fing es an komplizierter zu werden, als es leichter wurde und wir mal raus spazieren durften. (Was für ein Satz!) Es kann auch etwas vom Ausschleichen des Hydromorphons kommen, aber eigentlich ist die Reduktion so langsam, dass das nur einen minimalen Effekt haben sollte. Anouk muss anfangen richtig zu essen und zu trinken. Dann darf sie heim. Prof. A., hat Freitag mal angepeilt.
Anouk wäre ja trotzdem eh 3 mal die Woche in der Hauner und somit eigentlich gut beobachtet. Ich bin gespannt. Und unfassbar erschöpft. Jetzt geht's erstmal Gino Gassi. Wie sehr ich das vermisst gleichzeitig nicht vermisst habe. Man merkt, heute ist ein Tag voller Gegensätze.
Mi, 21.02.24
Jakob ist krank. Anouks Viruslast ist wieder gestiegen. Wieder also die Medikamente reinzwängen. Da hat sie endlich wieder geschafft n bisschen Eis zu lutschen und dann das. Natürlich wollte sie danach nicht mehr weiter essen. Zu guter letzt musste sie Erbrechen und da Blut mitgekommen ist, bekommt sie heute wieder TK.
Es ist zum kotzen! Da das Medikament so wichtig ist, muss es gleich wieder versucht werden.
Mausi lehnt jetzt auch oft den Papa ab. Wahrscheinlich ist es die Wut, weil wir als engste Bezugspersonen ihr in ihren Augen nicht helfen wollen. Sie tut mir unendlich leid.
Bini ist auch schon total fertig.
Anouk könnte eventuell beurlaubt werden, dass sie tagsüber zu Hause ist und abends im Krankenhaus. Vllt tut ihr das gut. Leider müsste man ja trotzdem Visite und co Abwarten. Also bestenfalls frei zwischen 11 und 18 uhr. Inklusive An-/Abreise würden alleine 2h draufgehen.
Noch dazu, ist sie ja jetzt schon total verzweifelt, wenn es nach einem Spaziergang wieder ins Krankenhaus geht. Wenn sie dann mal zu Hause ist, wird die Akzeptanz für die Klinik gegen 0 gehen.
Freitag Entlassung können wir in der pfeife rauchen.
Mein Mamaherz würde sie am liebsten sofort abholen. Meine Maus braucht Pause.
Fr, 23.02.24
Heute erste Beurlaubung. Anouk hat sich so gefreut zu Hause zu sein. Sie hat verhältnismäßig viel getrunken und auch versucht zu essen. Nudeln hat sie leider sofort ausgespuckt und auch die Weißwurst wurde nur angeknabbert. Ich glaube, dass sie Hunger hat aber womöglich kommt sie mit festem essen nicht klar.
Sie war heute definitiv unsere kleine Prinzessin. Wir haben versucht ihr jeden Wunsch zu erfüllen. War sie in ihrem Kinderzimmer wollte sie runter ins Wohnzimmer. Kaum waren wir unten wollte sie wieder schlafen um dann letztendlich doch wieder woanders hin zu wollen. Es war anstrengend aber mit bini an meiner Seite fiel es mir etwas leichter. Auch wenn dafür zwei statt einem Kind an meinem Rockzipfel herumzerrten.
Jakob musste heute viel zurückstecken und der Tag endete mit Wut. Verständlicherweise. Er wird ja jedes Mal "entthront", wenn Anouk da ist. Wie soll er lernen, dass wir eine Familie sind, wenn wir ständig getrennt werden?
Ich war heute auch wütend. Als Anouk das letzte Mal Anfang Januar noch zu Hause war, war sie ein lustiges fröhliches kleines Mädchen. Jetzt ist sie so traurig und wütend. Und so verdammt schwach. Was haben die nur mit meinem Kind gemacht?
Wenigstens ist sie vom Schmerztropf weg. Ein kleiner Trost.
So, 25.02.23
Sonntag. Dritter Tag "Urlaub" für Anouk. Es geht ihr langsam besser. Die Haut ist nicht mehr ganz so empfindlich. Trinken klappt immer besser, aber das schlucken fällt ihr sichtlich schwer. Leider trinkt sie sehr wenig (ähnlich schlecht wie Jakob) , aber sie brauch allein wegen der Medikamente und um die Nieren zu schützen mehr Flüssigkeit. Ich weiß nicht, wie wir das ohne Zwang hinbekommen sollen.
Anouk hat auch ziemlichen Hunger, aber sobald sie was "festeres" (wobei weißwurst jetzt nicht gerade fest ist) in den Mund nimmt spuckt sie es schnell aus. Es wirkt so als ob sie es einfach nicht durch den Mund geschoben bekommt und auch nicht richtig schlucken kann. Morgen steht eine KMP an. Wenn Maus eh im Dämmerschlaf ist, sollen die Ärzte ihr bitte mal genau in den Mund schauen. Eigentlich war noch ein MRT wegen ihrem Darm angedacht, aber es gab keinen freien Zeitslot. Also wird das irgendwann ambulant nachgeholt.
Wir sind unfassbar erschöpft. Anouk ist wie ein Neugeborenes, nur mit deutlich mehr Wünschen als essen, schlafen, wickeln.
Sie kann nicht länger als eine Stunde am Stück schlafen. Sie kann nicht alleine sitzen. SIe kann nicht krabbeln/gehen. Wegen dem ständigen Liegen sind ihre Sehnen verkürzt, sodass sie auch nicht stehen kann (davon abgesehen fehlt ihr auch die Kraft). Wir tragen sie ständig herum. Wie ein Baby müssen wir sie dabei stützen. Sie ist sehr unleidig und man kann sie einfach nicht zufriedenstellen.
Es ist unglaublich kräftezehrend.
Mit Glück darf sie morgen nach der KMP ganz nach Hause. Ich hoffe es sehr, denn dass sie grad jeden abend ins Krankenhaus zurückmuss gleicht seelischer Grausamkeit.
Ich bin froh, dass Bini die Krankenhausschichten weiter übernommen hat. Ich schaffe das nicht mehr. Ich kann das Krankenhaus, die Schwestern, die Kabel, den Infusionsständer, das Gepiepe nicht mehr ertragen. Ich hoffe inständig, dass die nächste Fieberepisode noch etwas auf sich warten lässt. Dann müssten wir ja wieder rein (immer wieder das gleiche Spiel mit dem Hicki). Es geht schon einfach viel zu lange und wir sind beide an dem Punkt, dass wir nicht mehr können. Hilft aber nichts, daher müssen wir wohl oder übel weitermachen.
Di, 27.02.24
Seit gestern ist Maus zu Hause. Ich kann es noch gar nicht fassen wieder 2 Kinder und einen Ehemann zu haben.
Leider haben wir noch keine Zeit als Paar gefunden. Kaum saßen wir endlich wieder nebeneinander auf der Couch, ging das Babyphone schon an. Anouk hat sich sehr gefreut nach Hause zu kommen und manchmal blitzt sogar sowas wie Lebensfreude auf. Das ist wirklich wunderschön zu sehen, wenn sie doch mal kurz lacht. Leider gibt es auch extrem viel Wut und Frust. Es fällt schwer zu differenzieren was von der Autonomiephase herrührt und was von ihrer aktuellen körperlichen und seelischen Verfassung. Dass sie so schlecht schläft und isst, macht die Sache auch nicht gerade besser.
Nach wie vor kann sie nichts Festes essen. Aktuell ernährt sie sich von Kuhmilch, Schokoladenosterhasen und hat heute ein wenig Leberwurst gelöffelt. Und ja, genau in dieser Kombination. Mir tut es in der Seele weh, sie so extrem abgemagert zu sehen. Diese dürren Beinchen, an denen weder Muskeln noch Fett dran zu sehen ist. Die Rippen. Sie wiegt aktuell gerade einmal 10 kg. Ich bin jedes Mal froh, wenn ich ihr ganz schnell Kleidung anziehen kann, damit ich das nicht ständig sehen muss.
Jakob trägt auch viel Wut und Frust mit sich herum. Eifersucht. Die Angst zu kurz zu kommen. Ich weiß schon gar nicht mehr wie oft Jakob in den letzten 2 Jahren entthront wurde.
Bini und ich sind sehr sehr erschöpft und die Kinder lassen uns wenig Zeit zu regenerieren.
Donnerstag muss Maus erst wieder zur KMT-Ambulanz. Dann wird wieder der Cyclosporinspiegel gemessen und eingestellt. Je nach Viruslast vom Adenovirus braucht sie dann auch eventuell wieder das fiese Medikament iv, Wässern etc. Dann würde das ein seeeeeehr langer Tag werden.
Anouks Zellen sind immer noch sehr mit der Virusbekämpfung beschäftigt, sodass die Thrombozyten weiterhin auf sich warten lassen. Die nächste TK Transfusion steht somit auch schon in den Startlöchern.
Sa, 02.03.24
Anouk wog nur noch 9 Kilo. Aus Angst, dass sie verhungert oder ihre Nieren schlapp machen, ist Bini mit ihr wieder ins Krankenhaus gefahren. Ich hatte gehofft, dass sie eine Magensonde bekommt und wieder heim darf. Leider nein. Sie hat noch TK bekommen und soll noch beobachtet werden. Eventuell gibt es dann morgen eine Sonde. Wenigstens ist ein Zimmer auf der Intern3 freigeworden. Ich bin dankbar, dass bini rein ist. Ich schaffe es nicht mehr. Intern 3. Es fühlt sich wie ein nicht endender Albtraum an. Ich will da nie nie nie mehr hin. Aus Frust hab ich Anouks großes Willkommensplakat an der Einfahrt entfernt und weggeworfen. Von wegen zu Hause. Kann nicht endlich mal Ruhe einkehren?
Ich versuche die positiven Dinge zu sehen. Anouk macht immerhin Fortschritte. Kleine Schritte, aber dennoch Seh- bzw. Spürbar. Sie probiert jeden Tag aufs neue etwas Festes zu essen. Sie trinkt immer mehr. Zwar immer noch zu wenig, aber doch mehr als am Anfang. Sie lächelt ab und an. Sie hat Kraft um mit Jakob um meine Aufmerksamkeit zu buhlen. Und Trotzdem. Ich bin frustriert.
Mi, 06.03.24
Seit Montag sind Anouk und Bini wieder daheim. Es waren ja eigentlich nur 2 Nächte, aber es hat sich angefühlt wie 2 Wochen. Anouk hat jetzt eine Sonde über die Nase in den Magen und ich bin habe noch totale Berührungsängste. Ich hab den Überblick verloren wann sie welches Medikament in welcher Lösung nehmen muss und wie da noch die Sondennahrung mit eingetaktet werden muss. Ich bin froh, dass Bini das gerade übernimmt.
Ich bin es langsam leid. Freude auf bessere Zeiten und dann wieder diese vielen Rückschläge. Zwei Tage Krankenhaus und ihr Schlaf- Wachrythmus ist wieder total im Eimer. Ergo Nachtschichten für uns. Ich bin es Leid, dass unser ganzes Familienkonstrukt total schnell zerschlagen wir und wir jedes Mal gefühlt bei Null anfangen. Jakob eifert/ klammert sehr, Bini ist platt und bräuchte nur seine Ruhe und ich bin aufs äußerste angespannt. Ich bin es wirklich Leid. Wo ist die versprochene Besserung?
Mein Kind kann nicht richtig essen, trinken, laufen, sitzen, krabbeln. Ich denke immer an den schlechten Witz , in dem ein Arzt sagt "Patient geheilt. Patient tot".
Ja es geht voran. Aber so unfassbar langsam.
Seit diesem Monat gibt es für uns beide kein Gehalt mehr von Roche. Wann wir arbeiten können steht noch in den Sternen. Ich bin es einfach nur noch Leid. Und dann sehe ich um mich herum Menschen, die ihr Leben und sich selbst einfach nur feiern ohne demütig und dankbar zu sein, ein solches Glück geschenkt zu bekommen.
Ich hatte mich am Montag echt gefreut, dass ich jetzt endlich mein Kind päppeln kann und keine Angst mehr vor verhungern und verdursten haben muss. Tja und jetzt hat Anouk Durchfall und Erbrechen. Wahrscheinlich Magen-Darm der gerade im Kindergarten herumwütet. Da bringt die Sonde auch nicht viel.
Nachdem das Stress-Abbau-Futtern mich letztendlich noch mehr gestresst hat, habe ich heute nach Ewigkeiten mal wieder eine Tavor genommen. Jetzt liege ich im Wohnzimmer auf der Couch und wende Jakobs Taktik an. "Wenn ich so tue, als ob ich nicht da bin, dann kann man auch nichts von mir wollen". Klappt bei ihm nicht. Bei mir wohl auch nicht. Es ist nur eine Frage der Zeit bis Anouk aufwacht. Bis sie nach Mama weint. Bis Jakob aufwacht und nach Mama weint. Bis ich wieder zerrissen werde.
Morgen bzw. Heute muss Anouk wieder zur Blutkontrolle. Sie hat zwar immer noch Adenoviren, aber sie wollen nochmal die Viruslast bestimmen (in der Hoffnung, dass sie dieses doofe Medikament nicht brauchen wird. Das letzte mal war sie ja deswegen von 8 Bis 20 Uhr im KH und man kann sich vorstellen, wie bescheiden das war).
Anouk wurde wieder stationär aufgenommen. Ich wünschte, dass es endlich ein Ende hat.
Langsam weiß ich gar nicht mehr richtig mit der Situation umzugehen. Rational weiß ich, dass es nur “kleinere Rückschläge” sind und Maus bald wieder daheim ist. Das Schlimmste sollte überstanden sein. Emotional hingegen stehe ich wieder zum tausendsten Mal an ihrer offenen Kinderzimmertür und möchte nur noch weinen. Aber irgendwie kann ich das nicht mehr so richtig.
Anouk wollte nicht, dass ich gehe und dann kam ein trauriger, resignierter und enttäuschter Blick. Der war fast noch schlimmer als ihr weinen. Wäre sie im LAF geblieben, dann wäre ich nicht gegangen. Aber nun darf Bini die Fassung bewahren, wenn einen die Schwestern auf der Intern 1 wie hysterische und nichts wissende Eltern behandeln. Belehrungen über Belehrungen. Nein, wir als Eltern sind die Experten für Anouks Pflege und brauchen die Schwestern nur als dritte Hand. Mehr nicht.
Im übrigen: mit “Menschen,die sich und das Leben feiern” seid nicht ihr gemeint. Ich bin ziemlich sicher, dass besagte Person den Blog eh nicht verfolgt.
Sa, 09.03.24
Anouk ist immer noch im Krankenhaus. Sie trinkt sehr viel aber ist immer noch dehydriert. Clostridien, Durchfall,.. Eigentlich meinte Bini, sie wäre auf dem Weg der Besserung. Gestern haben sie die parenterale Ernährung und Flüssigkeitszufuhr runtergeschraubt. Um zu sehen wie sich Anouk so macht. Dr. Br. war optimistisch, dass sie vllt heute schon wieder heim darf.
Nach einem kurzen Spaziergang draußen, ging die Spuckerei wieder los.
Sie isst nichts Festes und trinkt dafür Massen. Allerdings wohl zu viel für ihren Magen.
Sie nimmt nicht zu (um das zu bewerkstelligen müsste sie 4 von den kleinen Nutrini Fläschchen sondieren bekommen). Aber diese Volumina schafft sie einfach nicht.
Ich wünschte die Sorgen würden endlich mal weniger werden.
Gestern hab ich 2mal mit Mausi telefoniert und bei beiden Telefonaten hatte ich das Gefühl, dass mir jemand das Herz rausreißt und auf den Boden wirft.
Anouk ruft nach mir. Wenn Bini auflegen will kommt ein kümmerliches "Mama hierbleiben". Anouk weint, als sie unser Auto sieht. "Heim fahren".
Das zu hören und nichts tun zu können ist einfach nur brutal. Sie fehlt mir so sehr und gleichzeitig genieße ich es mehr Exklusivzeit mit Jakob zu haben.
So, 10.03.24
Wie schön dieser Tag Auszeit war. Und wie bitter die Erkenntnis, dass ich mir gar nicht mal mehr vorstellen kann, als Familie komplett zu sein.
Mi, 13.03.24
Anouk geht es etwas besser. Leider hat sie jetzt EBV nachgewiesen bekommen und braucht daher Rituximab um ihre B-Zellen zu zerstören. Es ist frustrierend. Da macht man alles um gesunde Zellen zu bekommen, und dann muss man sie wieder platt machen. Infektanfälligkeit steigt dann natürlich noch weiter.
Anouk fehlt mir mittlerweile so sehr, dass es weh tut. Hab daher heute auch den totalen Ausraster bekommen, dass ich 45 Minuten nach einem Parkplatz suchen musste. Trotz Parkausweis!
Ich hab mich so gestresst um sie heute besuchen zu können und dann wird mir einfach so die Zeit wieder gestohlen.
Bini hält nach wie vor die Stellung im Krankenhaus und ich bin ihm sehr dankbar dafür. Ich schaffe es nervlich nicht.
So, 17.03.24
Freitag wurde Anouk überraschenderweise entlassen. Sie war zwar gut drauf, aber wir hatten trotzdem bedenken, dass sie noch nicht stabil genug ist. Als Maus gehört hat, dass sie heim darf war ihre Aufregung und Freude riesig. Es berührt mich immer sehr, wenn ich sehe, wie sehr sie ihr zu Hause vermisst. Essen klappt Stück für Stück besser, auch wenn Anouk noch Meilen weit weg von einer ausreichenden Ernährung ist. Trinken will sie kaum etwas. Ich bin froh um die Magensonde. So haben wir wenigstens ein bisschen Kontrolle. Das klappt auch relativ gut.
Wegen ihres Magen-Darm Viruses hatten wir erst nur spezielle Babymilch sondieren dürfen und durften am Wochenende langsam wieder mit dem hochkalorischen Nutrini starten. Schließlich hat die Babymilch kaum Kalorien und ich will endlich, dass sie zunimmt.
Heute hat es dann leider mit dem Stuhlgang nicht so gut geklappt und wir waren wahrscheinlich zu überambitioniert.
Das Ende von diesem Abend: Anouk erbricht wieder alles raus..inklusive Magensonde.
Also morgen wieder in die Hauner, um die Magensonde neu legen zu können.
Eigentlich hatten wir gehofft, morgen noch einen ruhigen Tag zu haben, bevor Anouk am Dienstag wieder fürs MRT nüchtern bleiben muss.
Man muss weiterhin auch ihren EBV Spiegel im Blut messen, weil es sein kann, dass sie das Rituximab noch mal braucht.
Wenigstens kann ab morgen das Ciclosporin reduziert werden. Das Medikament kam mir mit seinen wenigen Tropfen gar nicht so “schlimm” vor, aber das haut wohl sehr rein. Daher hoffe ich, dass dann nochmal eine Verbesserung eintritt. Es geht mir im Moment alles viel zu langsam. Unsere Kraft und Geduld ist ziemlich aufgebraucht.
Jakob wurde am Freitag völlig überraschend durch Anouks Heimkehr wieder vom Thron katapultiert und zeigte sich daher auch etwas “durch den Wind”.
Do, 21.03.24
Hach ja. Ich weiß schon mittlerweile gar nicht mehr was ich dazu sagen soll:
Anouk hatte Dienstag das MRT, war ab 7 Uhr morgens nüchtern und kam erst gegen 16 Uhr dran. Wenn dein stark abgemagertes Kind mit der Ernährungssonde in der Nase dich anschaut und weint “Mama Hunger!” dann ist das mal wieder so ein Schmerz…
Auf jeden Fall kam dabei erst einmal nichts Beunruhigendes heraus: Sie hat nach wie vor eine Fissur im Analkanal, aber noch ist keine OP nötig und sie denken, dass es in Griff zu bekommen ist, wenn ihr Stuhlgang die nächste Zeit eher flüssig ist. Breiig reicht wohl nicht, denn da hat sie ja schon Schmerzen.
Blinddarm sieht auch wieder gut aus. Aber, es sind komische Flecken auf der Lunge zu sehen.
Das sagt mir der Arzt, nachdem er den Satz eingeleitet hatte mit “wir haben ja schon länger immer wieder so ein Rasselgeräusch beim Abhören von Anouks Lunge gehört.” Ich wusste davon rein gar nichts. Deshalb wollen sie heute noch ein Röntgenbild der Lunge machen. Der Tag heute soll sowieso recht lange dauern, denn die kleine Maus hat immer noch zu viel EBV im Körper und braucht daher ne zweite Gabe von Rituximab.
Bini fährt mit Anouk zur Hauner. Sie sind mittlerweile echt ein eingespieltes Team, auch wenn Bini nur noch auf dem Zahnfleisch daherkriecht, weil Anouk gerade in einer Papaphase steckt. Ich stehe dem ganzen mit gemischten Gefühlen gegenüber, aber ich glaube das geht jedem Elternteil so, dessen Kind eine “nur der Andere darf..” Phase hat. Immerhin hab ich wieder mehr Zeit zu atmen.
Röntgen hat wohl gut geklappt, Ergebnis: Anouk hat wohl nen Pilz in der Lunge. Ich bin ja irgendwie froh, dass die “diffusen Strukturen” wohl eher nach Pilz als nach Krebs aussehen. Ich rechne ja mittlerweile mit allem.
Ab jetzt muss sie wieder erneut nüchtern bleiben, weil sie zur weiteren Abklärung noch ein CT braucht. In Vollnarkose. Falls es sich bewahrheitet, muss sie iv mit Ambisome behandelt werden. Eigentlich stationär, aber eventuell geht es auch ambulant, wenn Anouk täglich in die Hauner kommt und sich an den Tropf hängen lässt. Allerdings ist die häufigste Nebenwirkung dieses Medikaments Fieber.. also ist es nur eine Frage der Zeit, wann man wieder stationär einchecken darf.
Besonders ermunternd finde ich ja, dass die einzige Doku die über ein AML Kind mit Stammzelltransplantation gemacht worden ist, darin geendet ist, dass das Kind auf Grund einer hartnäckigen Pilzinfektion der Lunge gestorben ist. Nun gut.
Hab echt keine Lust mehr. Und ja, das sage ich ständig. Aber was soll man denn noch dazu sagen…
Bini hat grad angerufen: sind wohl mehrere “Herde” in der Lunge. Die Behandlung wird bestenfalls 2 Wochen dauern, kann aber auch 3 oder 4 Wochen gehen. Wir versuchen es erstmal ambulant. Jeden Tag reinfahren, verkabeln, Infusion und mit Glück dann wieder heim. Herr A. ist optimistisch, dass sie das schafft. Mir macht das alles grad ne heiden Angst. Es reicht einfach.
Sa, 23.03.24
Tag 3 von mind. 14 im Kampf gegen den Pilz.
Heute hab ich Anouk begleitet. Ich glaube so fühlt sich ein Gefangener in U-Haft, wenn er dem Haftrichter vorgeführt wird und entschieden wird ob er in Freiheit oder im Gefängnis weiter bangen darf.
Mein Haftrichter heißt Thermometer. Wie dieses kleine doofe Teil mich jedes Mal zum schwitzen bringt. Manchmal hab ich das Gefühl, dass die Schwestern extra oft messen. Für mich ist das Krankenhaus mittlerweile eine Anhäufung von Traumatas und ich würde diesen Teil unseres Leben am liebsten komplett ausblenden. Aber Bini hat es auch mal verdient krankenhaus-frei zu haben.
Heute gab's nach dem Ambisome noch EK. Ich wundere mich sehr, dass sie das immer noch braucht. Uns wurde gesagt, dass die Thrombozyten die Diven unter den Blutzellen wären und sie nach der Transplantation wahrscheinlich noch etwas TK brauchen wird. Damals im LAF hieß es, als sie einen Beutel EK angehängt hatten, dass es wohl das letzte Mal EK sein wird. In meinem Kopf rattert es und ich hoffe, dass ich das Thema bald bei Prof. A. ansprechen kann. Sind ihre Zellen doch nicht so gut angewachsen? Fühlen sie sich bei ihr nicht wohl und wollen deshalb nicht richtig produzieren?
Anouks Nase blutet Mal immer wieder. Sie hat zwar gestern TK bekommen, aber sobald sie sondiert wird fängts wieder leicht zu bluten an. In dem Nasenloch, in dem der Schlauch sitzt, hat sich irgendwie ein Propf aus Blut und Schleim gebildet und behindert ihre Atmung. Bini und ich haben es versucht zu entfernen, aber das Zeug sitzt dermaßen fest am Schlauch, dass ich gerne morgen die Sonde gewechselt haben möchte.
Baustellen über Baustellen. Zitat meiner Vertretungspsychologin: "Versuchen sie die Baustellen nicht als Baustellen zu sehen, sondern als Teil des Lebens". Welch eine Erkenntnis. Dankeschön. Ich freue mich wenn meine richtige Therapeutin aus dem Urlaub zurück ist. Dabei werde ich früher oder später wieder bei ihr landen - sie betreut alle Patienten/Eltern in der Nachsorge.
Anouk hat wieder wenig gegessen und hat heute auch wieder erbrochen. Sie wird zwar nicht mehr dünner, aber dicker auch nicht. Nach wie vor kann ich sie nicht ohne Kleidung hochheben ohne dass es mich graust.
Als ich heute wiedergekommen bin, war das Drama perfekt. Jetzt wollten wieder beide Kinder unbedingt Mama haben. Mittelweg wäre mal schön.
Alles in allem heißt es wieder durchhalten.
Wenigstens verfliegt die Zeit. Wieder Ostern mit Hicki. Wieder Sommer mit Hicki. Wieder frühestens Spätsommsr Hicki Ex. Wieder ein Jahr gestohlen.
Do, 28.03.24
Die Sonde war echt ein ….
Ihr war nach jedem sondieren schlecht, hat ständig gespuckt und wollte weder essen noch trinken. Nachdem sie am Montag ihre Sonde wieder mit einem Schwall erbrochen hat, ging es ihr am selben Tag so viel besser. Mehr geredet, mehr gegessen, mehr getrunken.
Zwar sind das keine große Mengen, aber es wird langsam. Weil das Ambisome so Nierentoxisch ist und ich es einfach nicht schaffe 750 -1000 ml Flüssigkeit in Anouk zu bringen war ich hin und hergerissen ob wir ihr nicht doch die Sonde wieder legen sollen. Gottseidank ist Prof. A. mehr auf der Patientenseite als Dr. P.. Letzterer war gar nicht begeistert, als ich sagte, ich möchte es weiterhin ohne Sonde probieren und ob wir sie nicht während der täglichen Ambisome Gabe mit Wasser zupumpen können. Prof. A. war auf meiner Seite. Es sei denn, die Nierenwerte werden zu schlecht, dann hätten wir keine andere Wahl als die Sonde wenn wir weiterhin ambulant therapiert werden wollen. Heute waren dann die Nierenwerte da: Alles ok, also dürfen wir weiterhin so verfahren. :-) Ohne Sonde mit viel Wässerung bei der Ambisome Gabe und weiterhin versuchen Anouk so viel es geht zum Trinken zu animieren. Heute war auch die Iso aufgehoben und Anouk durfte in die OTK zum Spielen gehen. Sie war so begeistert! Sie versucht wieder ganz viel zu laufen, braucht aber noch sehr viel Hilfe dabei. Mit einem Arm stütze ich sie vor der Brust, mit der anderen Hand halte ich ihre Hand.
Leider sind die Füße immer noch total gestreckt und die Sehnen immer noch viel zu kurz, sodass sie nur auf Zehenspitzen laufen kann. Aber immerhin.
Ich bin sehr müde und vor allem sehr gestresst von Anouks Willkür. Ich merke auch, wie wichtig mir ruhige Mahlzeiten sind, denn ich bin definitiv Stressfutterer.
Das gute am täglichen reinfahren ist, dass ich endlich all meine Fragen beantwortet bekomme und beunruhigende Gefühel/ Gedanken gleich wieder loswerden kann.
Ich hab etwas Angst vor dem langen Wochenende, wenn auch Jakob wieder volle Aufmerksamkeit fordert und nicht in den Kindergarten gehen kann. Wir werden sehen. Erstmal bin ich happy einen weiteren Tag ohne Sonde geschafft zu haben.
05. April 2024
Immer noch ohne Sonde. Es wird gaaaanz ganz langsam besser. sie wiegt trotzdem immer noch 9,4 kg.
14 Tage Ambisome sind rum, aber noch kein Ende in Sicht. Solange Anouk Geräusche in der Lunge und die hohe Atemfrequenz hat, muss sie weiterhin behandelt werden.
Wir pendeln also täglich 100km um die Ambisomeinfusion und die Wässerung zu bekommen. Montag wird nochmal die Lunge geröngt und ich hoffe sehr, dass man zumindest eine deutliche Besserung sieht.
Anouks Thrombozyten sind gestiegen, d.h. endlich nehmen die Stammzellen ihre Arbeit auf. Mit Glück braucht sie vllt keine Transfusionen mehr.
Es wird nochmal der Spender kontaktiert, ob er noch ein paar Zellen abgeben mag (diesmal recht unkompliziert über Blutabnahme). Geplant ist, dass Anouk noch 3 Gaben seiner Stammzellen in steigender Konzentration via Spritze erhält um ihrem Immunsystem noch einen Boost geben zu können. Das geschieht wohl im Abstand von 4-6 Wochen. Da Anouk seit einigen Tagen ohne Probleme kein Cyclosporin (Immunsuppressivum) erhält, ist davon auszugehen, dass sie keine GvHD entwickelt. Toi Toi Toi...
Generell ist nach dem täglichen Ambisome Marathon geplant, dass wir dann nur noch einmal wöchentlich zur Kontrolle müssen.
Die ganzen Einschränkungen und Hygiene Regeln werden weiterhin bis Tag 180 nach Transplantation beibehalten. Danach kann man Schritt für Schritt ihrem Immunsystem immer mehr zutrauen. Inklusive den ganzen Impfungen, die sie ab da dann wieder erhalten darf. 2-3 Wochen nach Tag 180 kann dann der Hicki raus. Dieser Termin wird von mir lange herbeigesehnt und gleichzeitig ist es nicht mehr so wie letztes Jahr. Damals dachte ich ja, dass mit Hicki Ex die schwere Zeit hinter uns liegt. So viel Freude. Champagner. Anstoßen auf ein Leben ohne Einschränkungen. Nunja, wir alle wissen wie das geendet ist.
Weil Anouk die FLT3 Mutation in den Krebszellen hatte, soll sie als Prophylaxe noch mind. ein Jahr lang Gilteritinib bekommen. Ein Tyrosinkinase Hemmer. Off Label use, keine Angaben von Dosierungen, weil noch nicht für Kinder zugelassen. Ich habe heute die Schweigepflichtsentbindung unterschrieben, dass Prof. A. mit der Krankenkasse über das Medikament streiten darf. Eine Tablettenschachtel für 2 Monate Therapie kostet knapp 20.000 Euro. Aller Wahrscheinlichkeit nach, wird die Kostenübernahme zunächst abgelehnt, weil es zu wenige Daten für die Wirksamkeit gibt und es wie gesagt Off Label genutzt werden soll. Bei Erwachsenen laufen wohl Studien dazu. Bei Kindern weiß man noch gar nichts. Prof. A. will es auf jeden Fall versuchen, denn es gibt bei dem Medikament Hinweise darauf, dass es auch ins ZNS eindringt und das wäre ja sehr hilfreich bei uns.
Einerseits bin ich froh, dass es solche Medikamente gibt. Andererseits war ja ursprünglich geplant, dass ab Tag 180 endlich mal Schluss mit Medikamentengaben ist. Nur noch jährliche Kontrollen. Ein Ende.
Natürlich weiß man mit dem Medikament auch nicht, wie sie es verträgt und wie oft sie zur Kontrolle muss. Wir brauchen so einen langen Atem... und da soll man es dann noch schaffen sein "altes Leben" wieder aufzunehmen. Mich hat diese ganze Info zum Gilteritinib nur traurig gemacht. Vor allem ist wieder ins Bewusstsein gerückt, dass Anouks AML mit dieser Mutation besonders aggressiv ist. Dass es wiederkommen kann. Auf Grund ihrer Vorgeschichte wäre das dann auch ein sehr schnell wachsender Tumor, sodass Kontrolluntersuchungen eh keinen Sinn machen. Falls die AML wiederkommt, würden wir es sehr schnell merken.
Im ersten Jahr ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Krebs zurückkommt am höchsten. Danach sinkt sie. Nach dem dritten Jahr gibt's kaum Rezidive. Nur in äußerst seltenen Fällen. Da Anouk eh schon ständig ein besonderer Fall ist, gibt mir diese Aussage nicht so viel Hoffnung wie gedacht.
So, 07.04.24
Gestern Erbrechen, heute Durchfall. CRP von 2 auf 6 gestiegen = wieder einkassiert.
Dass wir morgen eh wiederkommen reicht nicht. Sie hat einfach zu wenig Reserven.
Falls Sie nicht doch noch fiebert und es ihr klinisch nicht schlechter geht kommen wir mit Glück morgen raus.
Es ist zum kotzen. Jakob vermisst Mama, Anouk will nach Hause,..
Es geht ihr aber soweit ganz gut.
Gestern konnte ich kaum schlafen. Als Anouk gewürgt hat, ging bei mir total der Film im Kopf ab. Angst vor Hirndruck, Angst vor Rezidiv, Angst sie zu verlieren. Überlebenschancen gegoogelt. Frust, Wut,..Alles auf einmal.
Ich war heute morgen sehr Dankbar, dass sie nicht nüchtern erbrochen hat und Durchfall bekommen hat. Sieht also eher nach Magen-Darm aus. Auch wenn das in ihrem Zustand natürlich auch nicht so ideal ist.
Warten also gerade im LAF auf unsere Verlegung. Evtl Intern 3.
Man könnte meinen "die paar Tage" stationär sind für uns mittlerweile ein Klacks. Dabei wird es von Aufenthalt zu Aufenthalt schlimmer.
Sättigung fällt ständig unter 90. Wahrscheinlich der Pilz? Das Ambisome scheint ja super angeschlagen zu haben....nicht. Die morgige Entlassung können wir damit also auch knicken. Und zack hab ich wieder die Doku vor Augen, in der das transplantierte Mädchen an einem hartnäckigen Pilz in der Lunge gestorben ist.
Sorgen. Angst. Wut. Alles zusammen.
Vllt ist der Pilz ja auch gar kein Pilz sondern ein streuender Tumor? Schließlich haben sie immer noch keine Aspergillus Antigene im Blut nachweisen können. "Woher wollen Sie denn wissen, dass es Aspergillus ist?" Antwort: "Das ist eigentlich fast immer Aspergillus". Aha.
Unter normalen Umständen würde ich vertrauen haben. Die Ärzte sind kompetent. Haben Ahnung.
Tja, ich muss mir dann doch den ct Befund aushändigen lassen und mich in irgendwelchen Radiologie Foren belesen müssen, um morgen die richtigen Fragen stellen zu können.
Ich hab keine Kraft und keine Lust für diesen Scheiß. Es reicht.
Aber wem erzähle ich das? Selbst wenn ich Stopp rufe, dreht sich diese Welt rücksichtslos immer weiter und weiter.
Anouk ist mit der Situation überfordert, totale Eskalation. Jetzt koche ich Nudeln. Um 4:45 Uhr..
Mo, 08. April 2024
Ich fühle mich verarscht.
Gespräch mit Oberärztin Frau B., dass ich die Pilzdiagnose anzweifle:
Sie glaubt auch nicht daran, dass es ein Pilz ist!?! Weil man aber immer noch nicht weiß, was es ist, macht man lieber mit Ambisome weiter.
Im Ernst?!?
Man schickt nochmal ihr Blut an zig Stellen um herauszufinden, was das vllt für ein Erreger ist.
Anouks Lunge wurde heute geröngt und ich hoffe, dass man irgendeine Verbesserung sieht. Gleichbleibendes Ergebnis oder sogar Verschlechterung würde bedeuten, dass sie letzten 2,5 Wochen tägliches Pendeln nur Ressourcenverschwendung war.
Wenigstens geht Frau B. zu diesem Zeitpunkt nicht von Krebszellen aus. Wäre untypisch. Irgendwie musste ich bei dieser Aussage fast lachen. Ein absoluter Schlechter Film.
Sobald ich wieder zu Hause bin schicke ich die Stellungnahme für die Krankenkasse zur Überprüfung auf Behandlungsfehler los. Ich habe kein Vertrauen mehr. Dabei bin ich mir sicher, dass diese Klinik gar nicht so schlecht ist, sondern einfach, dass die Medizin ein besseres Bild vermittelt als es in Wirklichkeit ist.
Di, 09.04.24
Was für ein Krimi:
Gestern haben wir erfahren, dass Anouk Rhino/ Enteroviren und vor allem RSV positiv ist. Das erklärt die schlechte Sättigung und ihre Probleme beim Atmen.
Das Röntgenbild sah noch schlechter aus. Nicht nur, dass viel durchs RSV überlagert wurde, sondern auch, dass ihre "Pilz"flecken in der Lunge größer geworden sind.
Ich habe gestern abend noch eine Email an Professor A. geschrieben, dass ich bitte wissen möchte, was es ist oder zumindest ausgeschlossen haben möchte dass es von der AML kommt, am besten durch Nachweis der Tumor DNA im Blut. Ich überlasse nichts mehr dem Zufall!
Dann überschlagen sich die Ereignisse:
Zum einen:
Sie gehen nicht von Tumor aus, werden aber ihr Blut nach zirkulierender DNA untersuchen. Das Risiko eines falsch positiven Ergebnisses ist aber gegeben, weil sich diese genetischen Marker auch bei gesunden Zellen finden lassen.
Anouk wird jetzt breit in alle Richtungen behandelt. Zusätzlich gibts noch immunglobuline. Eine Bronchioalveoläre Lavage stand erst im Raum ist aber laut Pulmonologen und Änästhesisten noch nicht sinnvoll, weil das outcome sehr gering ist und sie im derzeitigen Zustand höchstwahrscheinlich aus der vollnarkose gar nicht mehr exturbiert werden kann.
Man plant das für nächste Woche, wenn es ihr deutlich besser geht, zusammen mit einem CT. Prof. A. geht immer noch von einem Pilz aus und die Verschlechterung im
Röntgenbild ist durchs Einwandern der neuen Immunzellen zu erklären.
Abwarten und Tee trinken. Diese Woche kommen wir auf jeden Fall nicht mehr raus.
Zum Anderen:
Ich habe heute eine Entschuldigung bekommen. Ein Zugeben des Fehlers, der mir in der extremen Form nie im Traum eingefallen wäre:
Die Pathologie hat, auf den damaligen Hinweis der Radiologin, dass es komisch ist, dass der Tumor symmetrisch ist und sie sich fragt ob der Primärtumor nicht woanders sitzt (ich hatte damals auch darüber geschrieben) eine erneute Färbung durchgeführt auf 4 Marker, die alle positiv waren. Weder die Durchführung der Färbung noch das Ergebnis wurde den Onkologen mitgeteilt.
Am 23.03.2023 wurde dieser Zusatzbericht im System hochgeladen und an ein anderes Dokument angehängt, in dem steht, dass es sich wahrscheinlich um ein myeloisches Sarkom handelt und sie von einer AML ausgehen. Keine Kommunikation.
Man hätte ab da sofort mit der intrathekalen Therapie starten können.
Man hätte uns die letzten 12 Monate Horror ersparen können!
Ich bin fassungslos. Die Onkologen auch.
Und ich sags ja nicht gerne: Ich habs gewusst!
Mi, 11.04.2024
Ich weiß noch zu gut, wie Anouk auf der KIPs lag und ich dachte "Jetzt stirbt sie nicht an Krebs aber dafür an einer Nebenwirkung einer Behandlung die nicht hätte sein müssen".
Zu erfahren dass das Leid nur mit einer Mail/ einem Anruf hätte verhindern werden können, ist dann doch nochmal was anderes.
Erst war da dieses Gefühl von: Endlich eine Entschuldigung!! Endlich der Beweis schwarz auf weiß, dass mein Gefühl immer richtig lag. Kein "was wäre wenn" mehr, weil der schwebezustand der Unsicherheit endlich vorbei ist.
Dankbarkeit, endlich jemanden Schuldigen zu haben als Hass und Groll ungerichtet gegen das Universum zu hegen. Dankbarkeit auch, dass ich nicht mehr alleine kämpfen muss. Jetzt wissen und fühlen alle das, was ich seit Ende September letzten Jahre mit mir alleine herumtrage.
Aber Stunde um Stunde werde ich geschockter, dass es nun wirklich so ist. Mir fallen immer mehr Situationen und Momente ein, nicht nur Anouk sondern auch den Rest der Familie betreffend, welche damit hätten vermieden werden können.
Wie soll man damit umgehen?
Klagen, aber dann?
Niemand gibt mir das Jahr zurück. Das Jahr in dem Anouk von Baby zu einer richtigen Persönlichkeit wurde. Das Jahr in dem man gemeinsam all die spannenden Dinge auf der Welt hätte entdecken können.
Niemand kann all die Behandlungsnebenwirkungen, die vor allem auch langfristig und jetzt noch gar nicht absehbar sind, rückgängig machen. Die psychischen Nebenwirkungen..nicht nur bei Anouk, sondern auch bei Bini, bei mir und auch Jakob.
Alleine die Gedanken zu Jakob. Wie viel musste er zurückstecken? Wie viel Vertrauen hab ich in ihm zerstört, als ich ihm sagte, dass es endlich vorbei wäre um 5 Wochen später in einer noch größeren Hölle zu landen. Ein Jahr in dem wir als Familie endlich hätten zusammenwachsen können.
Wie viele kostbare Stunden waren er und Anouk vorm Tablet/ Handy weil wir keine Kraft mehr hatten sie im Krankenhaus zu beschäftigen? Alles umsonst.
Ich bin zutiefst geschockt. In meinem Kopf überschlagen sich all die unnötigen Gefühle, Momente, Situationen, Schmerzen,..
Wie kann man damit nur umgehen??
Sa, 13. April 2024
Seit Mittwoch hat Anouk jeweils von ca. 15 bis 20 Uhr eine Beurlaubung und darf in der Zeit nach Hause. Es ist viel Fahrerei, aber sie freut sich sehr auf "Hause" und will immer am liebsten sofort los.
Die Ambisomegabe wurde verdoppelt, zusätzlich gibt es noch ein weiteres Pilzmedikament, Antibiose und am Mittwoch gab es noch Einmalgaben von Immunglobulinen bzw. RSV-Antikörper off-Label.
Anouk geht es schlechter. Zwar hat sie es geschafft ab Dienstag Nacht ohne Sauerstoff auszukommen, dafür atmet sie sehr angestrengt. Gestern Nachmittag bin ich dann schon gegen 18 Uhr wieder ins Klinikum gefahren, weil Anouk so viele Hustenatacken hatte, die sie immer zum weinen brachten. Und sobald sie sich aufregt, wirds noch schwieriger mit dem Atmen.
Die Atemfrequenz ist mittlerweile recht hoch und ihr Beruhigungsstöhnen aus LAF-Zeiten ist wieder da.
Essen und Trinken mag sie kaum, bekommt aber durch die Wässerung genug Flüssigkeit und ein paar Kalorien.
Aktuell braucht sie wieder Sauerstoff und es wird wahrscheinlich auf ein weiteres Röntgenbild der Lunge herauslaufen. Evtl heute. Weil ihr CRP gesunken war und es ihr besser zu gehen schien, hatte man das Antibiotikum rausgenommen. Aber wahrscheinlich war das der Grund warum es ihr wieder schlechter geht. Also wieder Antibiotika und die Frage: Ist es vllt doch ne bakterielle Lungenentzündung? Dabei sieht es auf den bisherigen Bildern gar nicht so aus. Es bleibt also leider spannend.
Ich hab bereits die Briefe für die Beauftragung zweier Gutachten (Krankenkasse/ medizinischer Dienst und Schlichtungsstelle der Landesärztekammer) fertiggestellt und Bini hat sie gestern zur Post gebracht.
Am Donnerstag hatte ich bereits einen Telefontermin mit einer Anwältin und nächste Woche steht noch ein Gespräch mit einer anderen Kanzlei an. Da ich keine Rechtsschutzversicherung habe, meinte die Anwältin zu mir, man würde nur außergerichtlich verhandeln, weil die Kosten ansonsten extrem in die Höhe schießen. Ich kann entweder den Stundensatz von 500€ nehmen oder alternativ einmalig 625 € und eine "Gewinnbeteiligung" von 30%. Wichtig ist aber erst das Gutachten der Krankenkasse um die Forderungen untermauern zu können.
Das Gutachten der Schlichtungsstelle dauert im Schnitt 15 Monate, sodass ich das schnellere Gutachten von der Krankenkasse verwenden werde, welches ca. 6 Monate dauert. Ich bin gespannt was mir die anderen Kanzleien so erzählen/ vorschlagen. Ich bin nach wie vor im Kontaktiermodus und freue mich über Empfehlungen. An Ende werde ich nach Bauchgefühl den Anwalt bestimmen. Ebenfalls habe ich mit dem Vorstand der Elterninitiative intern3 gesprochen. Diese finanziert durch Spendengelder unfassbar viel (allein über 700.000 € im letzten Jahr für zusätzliches Personal auf der Intern 3/ OTK/ LAF). Die sollten davon wissen.
Weiterhin habe ich dem Klinikdirektor geschrieben, weil mir noch so viele Fragen eingefallen sind, die ich in der "Beichtsituation" vergessen hatte. Da war ich ja gerade mit Anouk in einem völlig abgedunkelten Raum beim Vormittagsschlaf und wurde durch das Hereinkommen des Klinikdirektors, oberärztin, stationsärztin und zwei Assistenzärzten geweckt. Dann fing er an zu schwafeln und ich musste mir erst Stück für Stück zusammenreimen wovon er da eigentlich spricht.
Daher gab es noch einige Dinge die ich ihm sagen wollte und setzte cc die aktuellen und damaligen Behandler.
Auf Grund dessen kam Dr. P. gestern Vormittag und hatte den Mut sich zu entschuldigen. Bini hatte ja die letzten 2 Nachtschichten im Krankenhaus verbracht, dass ich leider nicht dabei war.
Es hat gut getan, diese Mail zu schreiben und nochmal alles auf den Tisch zu bringen und ihm meine Wut zu zeigen. Das war beim Überfall aus dem Schlaf gar nicht möglich. Durch das überrumpeln war ich mal wieder viel zu nett. Daher musste ich das noch einmal klarstellen.
Der Klinikdirektor hat noch einmal um ein Gespräch gebeten, weil er in dem größeren Verteiler nicht alles diskutieren mag. Feigling.
Mo, 15.04.24
Gefühlschaos. Ich war am Samstag richtig glücklich. Im Krankenhaus verging die Zeit schnell, Anouk war gut drauf und wir konnten als Familie gemeinsam auf der Terrasse Abend essen. Auf der Heimfahrt durch München habe ich so viele Menschen draußen sitzen sehen, im Restaurant, in Cafés/ Bars. So ein krasser Kontrast. Und trotzdem war ich happy. Das Im -Moment-Leben klappt mittlerweile echt gut, wenn der Moment auch gut ist. Aber an Tagen wie gestern, an denen Anouk schlecht drauf ist, ich das Gefühl habe sie hat wieder Rückschritte gemacht, Jakob wegen Kleinigkeiten ausflippt..Da kommt diese unglaubliche Wut in mir hoch, die ich kaum zu handhaben weiß.
Was haben sie uns nur angetan? Jedem einzelnen von uns. Es wäre leichter damit umzugehen, wenn das Leid ein Ende hätte. Wenn ich sagen könnte "Ja war scheiße, aber wir haben es geschafft und rückgängig kann man eh nichts machen."
Aber noch immer die ganzen Auswirkungen zu sehen: Bini beim frustfuttern, Jakob beim durchdrehen. Anouk immer noch am leiden und das Gefühl sie gar nicht mehr gesund sehen zu können...
Wut. Trauer. Wut. Unfassbare Wut.
Falls sie diese Woche die lungenlavage bekommt, wird es Anouk kurzzeitig sogar ganz dreckig gehen und ein intensivaufenthalt wäre dann gar nicht so unwahrscheinlich. Ich will endlich einen Haken dran machen. Stattdessen kommt immer wieder und wieder eine erneute Komplikation.. Zu viele Rückschläge.
Alles unnötig. So viel vermeidbares physisches und psychisches Leid. So viel gestohlene Zeit. So viel Zerstörung. An solchen Tagen zerreißt es mich förmlich. Ich muss mich regelrecht dazu zwingen nicht an das "was wäre gewesen wenn" zu denken. Mir fallen zig Dinge ein, die ich nach Anouks erster Krebsbehandlung wieder anfangen wollte. Kontakte zu Freunden mit gleichaltrigen Kindern. Ausgehen. Leben. Sinn in meiner Arbeit zu finden.
Seit dem Rezidiv habe ich das Gefühl, nie wieder Teil einer vermeintlich normalen Gesellschaft sein zu können.
Es hilft ja doch nichts. Es ist wie es ist. Das ist unser Leben. Ob wir wollen oder nicht.
Di, 16.04.24
Anouk geht es schlechter, daher wurde sie heute nicht beurlaubt. Weil die Ärzte jetzt auch nervös werden, warum irgendwie nichts richtig anschlägt, wird trotz Risiko doch schon morgen CT und Lavage gemacht. Ich will meine Maus nicht mehr auf der Intensiv sehen.
Ich hab unfassbare angst, dass sie nicht gleich aufwacht bzw. dass wenn sie aufwacht der Tubus noch im Hals stecken muss und sie panik bekommt. Ich würde es auf jeden Fall. “Manche kinder tolerieren den tubus, andere versuchen ihn zu ziehen..dann würde man sie wieder schlafen legen”. Mir wird schlecht bei dem Gedanken. Hab so viel es geht verschoben und umgeplant. Ich muss morgen bei ihr sein!
Mi, 17.04.24
Anouk konnte exturbiert werden und benötigt zwar Sauerstoff, allerdings ist das wohl noch handelbar auf der Intern 3. Status jetzt: keine Intensiv!
CT Bild sieht leider schlechter aus.
Also abwarten bis Befunde da sind. Bis dahin weiter alle Medikamente nehmen.
Ich bin froh bei Anouk liegen zu können.
Ich hoffe ich träume. Anouk ist mit extrem ungleichen Pupillen aufgewacht. Sie muss gleich wieder unter narkose und ct um eine Blutung auszuschließen. Wenn das morgen noch besteht braucht sie eine LP um ein Rezidiv im ZNS auszuschließen.
Ct unauffällig. Anouk wird jetzt alle 2h geweckt und in die Pupillen geschaut. Lp im CT ging nicht, weil sie morgen dann frisch hätte nachpunktiert werden müssen. Jetzt wäre nichts für die diagnostik bereit. Sie ist morgen dann die allererste beim punktieren.
4 Narkose heute.
Maus soll heute noch ins MRT um eine ischämie im hirnstamm auszuschließen.
00:42 Uhr: kein Schlaganfall /Ischämie. Im Hirngewebe wurden aber 2 symmetrisch hellere Felder gesehen, die morgen mit dem oberarzt der Radiologie besprochen werden. Akut ist nichts zu tun.
Sie versuchen jetzt Anouk aufzuwecken. Falls es zu brenzlig wird, würde sie auf die KIPs kommen. Ich warte vor der Tür.
02.28 Uhr, Extubieren hat nicht geklappt und ihr Kreislauf schmiert immer ab. Wird jetzt auf die Intensiv verlegt
03.12 Uhr, sie werkeln immer noch an Anouk rum. Drücken ihr feste auf den Brustkorb, dass die Atmung besser wird. Sie meinten sie haben das im Griff aber iwie hantieren sie da mir viel zu viel rum.
Da war der letzte KIPs Aufenthalt wesentlich “entspannter”.
Anouk hat auch wieder ein total zugeschwollenes Gesicht, braucht Lasix. Blasenkatheter, inturbiert, über die Nase saugen sie auch iwas ab. Sie presst irgendwie irgendwo gegen die Beatmung, daher wollen sie ihr auch noch ein anderes Medikament geben, was aber erst mit dem Oberarzt besprochen werden muss.
Ich steh nur im Weg rum, daher bin ich jetzt auf dem Flur. Ich könnte ja auf der intern3 in unserem zimmer schlafen, aber auch wie damals beim LAF: ich will bei ihr sein. Auch wenn sie mich nicht hört/sieht.
Die rechte Pupille ist etwas kleiner geworden, allerdings immer noch starr und reagiert nicht auf licht. Links ist normal.
Do, 18.04.24
Ab halb 5 konnte ich dann etwas bei ihr auf nem Liegestuhl schlafen. Durch das ganze gebimmel war ich letztendlich um 6 wieder wach. Seit ner halben Stunde sind sie wieder am rumdrücken auf der Brust. Scheinbar bekommt sie den Sauerstoff nicht ausgeatmet und somit kann sie kein Sauerstoff reingepumpt bekommen. Durch das drücken wird die Luft wieder rausgebracht.
Die Unsicherheit der Schwestern/Ärzte macht mich auch nervös.
A. meint, dass für ihn die lungenbilder vom ct noch “pilziger” aussehen. Es wird noch mit hochdruck nachgefragt ob zumindest die ersten Ergebnisse der lavage da sind. Ich frage mich, warum das ambisome dann nicht anschlägt. Da kommt meine ursprungsangst wieder hervor, dass so pilzdinge tödlich verlaufen können.
Heute nachmittag werden die felder im hirn besprochen, aber er geht davon aus, dass das eine Therapiefolge ist (weil symmetrisch) und hat da nicht so sorge.
Anouks rechte Pupille reagiert wieder minimal auf Licht! Ich bin so erleichtert. Lp wird später gemacht, weil gerade noch ein dringenderer Notfall reingekommen ist. Ich bete, dass da keine Tumorzellen zu sehen sind bzw. einfach nichts zu sehen ist.
Ich weiß schon gar nicht mehr, wo ich mir mehr Sorgen mache: grunderkrankung, lunge oder hirn.
13:00 Lumbalpunktion fertig. Liquor sieht klar aus. Hatte mich erst gefreut aber damals als wir das Rezidiv hatten war es auch erst so. FACS Ergebnis kommt im Laufe des Tages.
KEINE ZELLEN IM LIQUOR!! EIN REZIDIV IST DAHER AKTUELL VOM TISCH!!!
Alle bisherigen Tests waren negativ. Selbst RSV. Anouks CT Bilder wurden nochmal intensiv besprochen: die “pilz"herde sind etwas kleiner geworden aber durch wahrscheinlich eine postinfektiöse Entzündung sieht ihre Lunge so wild aus.
Ambisome wird weitergegeben und zusätzlich gibt es Kortison Therapie.
Wegen der Art der Verteilung der Entzündungsherde in der Lunge ist die letztens vermutete Lungen-Gvhd auch ausgeschlossen.
Ihre Pupillen sind Gottseidank wieder gleich groß und reagieren auf Licht.
Die hellen Herde im Kopf sehen nach chemonebenwirkung aus und bereitet ihnen keine Sorgen.
Ich bin so unfassbar erleichtert!
Anouk wird weiterhin beatmet und rührt sich nicht, aber sie atmet jetzt viel entspannter und wirkt ruhiger.
Mit Glück kann sie morgen exturbiert werden und ich kann meiner Maus wieder in ihre wunderschönen Augen sehen.
Fr, 19.04.24
Nachts hatte Anouk Fieber. Crp hat sich leider verdoppelt. Jetzt gibt's Meropenem und Vanco.
Die Nacht war hart, weil ständig Gewusel war. Anouk wurde ja in ein Dreibettzimmer auf Intensiv verlegt und das bedeutet leider 3 mal so viel Bimmeln. Noch dazu hätte ich nie gedacht, dass ein Dialysegerät so laut sein kann.
Ich wollte aber einfach nicht die Nacht alleine ohne sie auf der Intern 3 verbringen. Selbst wenn die KIPs noch so nahe ist.
Leider wollten die Ärzte sie nicht exturbieren. Während der Situation gestern bzw. Mittwoch Nacht mit der überblähten Lunge und dem krassen Drücken auf dem Brustkorb hieß es "es muss nur ein bisschen Luft raus". Heute hieß es "Sie hatte so krasse Lungenkrisen, dass wir froh sind, dass sie gerade stabil ist. An Exturbieren denken wir nicht einmal."
Es ist komisch, Anouk so regungslos zu sehen. Ich vermisse ihr Wesen sehr.
Heute ist sie kurz aufgewacht und das war ein Bild, das sich wieder in meine Seele eingebrannt hat: Die geschwollenen Augen weit aufgerissen. Mit dem Schlauch im Hals wollte sie sich aufbäumen und wirkte wie ein Fisch auf dem trockenen. Sie schnappte nach Luft. Die Angst in ihren Augen.. dann hat sie schnell noch Propofol bekommen und dann war alles wieder "gut".
Die Tageskrankenschwester hat mich in der Situation angemault, dass ich Anouks Kopf ganz fest halten solle. Dabei hatte ich sie gestreichelt und versucht zu beruhigen. Empathie ist bei manchen Menschen nicht vorhanden. Schade, dass ausgerechnet heute so jemand da war, die mir den Tag unnötig schwerer gemacht hat. Hat mich so oft aus dem Zimmer rausgeworfen, weil "gleich" was am Nachbarbett gemacht wird, obwohl alle anderen Besucher des anderen nicht betroffenen Kindes auch noch im Raum waren. Hat mir verboten mit Anouk im Bett zu kuscheln (und sorry bei dem Muskeltonus kann ich sie nicht auf den Arm nehmen) und kam mir mit absolut unlogischem Hygienekonzept, obwohl ich nach der LAF Zeit nun wirklich weiß, worauf es ankommt. "Sie verpassen nichts, wir rufen Sie an, sobald was Ihre Tochter betrifft". Visite? Nicht geholt. Meine Tochter Ganzkörper waschen, eincremen? Nicht geholt. Gerade letztes empfand ich als extrem Übergriffig. Ein Tag voller Schikane.
Jakob, Bini und ich waren heute Mittags essen (Anouk schläft ja eh), aber sie hat mir so krass gefehlt. Es fühlte sich nicht richtig an, ohne Sie mit Jakob und Bini Spaß zu haben. Und dann sind da noch die Bilder von den letzten Tagen...
Ein schöner und gleichzeitig auch nicht so schöner Geburtstag geht zu Ende.
Ich hoffe, dass Anouk so schnell wie möglich exturbiert wird. Während sie so daliegt ist ihre Verdauung total ins Stocken geraten. Dabei müssen wir ja besonders darauf achten, dass Anouks Fissur im Analkanal nicht nochmal aufreißt.
Liebe Anouk, es tut mir leid, dass ich dich vor all dem nicht beschützen kann und konnte.
Das Treffen mit dem Klinikdirektor haben wir vertagt. Wäre nach diesen kräftezehrenden 2 Tagen sicherlich nicht konstruktiv geworden.
Sa, 20.04.24
Sie wollen sie immer noch im Koma lassen und ich finde das extrem schrecklich, weil mal wieder die klinikmaschinerie am laufen ist. Jeder sagt was anderes und letztendlich wird nicht pro und kontra gescheit abgewägt sondern das einfachste und bequemste gemacht. Bini ist in der Klinik und dieser “kontrollverlust” macht mich zusätzlich wütend.
Mo, 22.04.24
Am Sonntag wurde Anouk auf Nasentubus umgestellt. Zudem hat sie noch nen weiteren Zugang bekommen, weil der hicki nicht ausgereicht hat.
Heute konnte der Tubus ganz raus. Sie musste dafür ausreichend wach sein. Sie hat stumm geweint, die Tränen sind gekullert, aber kein Ton kam. Ich musste mitweinen. Für die eigentliche Exturbation wurde ich rausgeschickt, durfte aber gleich wieder rein. Anouk hat jetzt noch die High Flow als Atemhilfe und das Teil zusammen mit der Ernährungssonde ist etwas viel für ihr kleines Nasenloch. Es stört sie, aber noch geht es nicht ohne. Bei bini und mir macht sich die absolute Erschöpfung breit. Erst jetzt merken wir, wie anstrengend diese Situation für uns war, obwohl die Pflege von ihr leichter war. Kein nächtliches Nudelkochen. Kein “anderer Hunger”, keine Wutanfälle und “mag ich nicht”. Aber Anouk so zu sehen, hat uns emotional extrem erschöpft.
Morgen hat Jakob Geburtstag und ich bin traurig, dass ich morgen als einzige am Frühstückstisch happy birthday singen werde. Zudem konnte Ich mich heute ganz schlecht von babymaus trennen und wäre am liebsten dageblieben. Das “alleinerziehenden” Leben geht vorerst weiter.
Do, 25.04.24
Seit gestern nachmittag endlich weg von der KIPs und wieder im LAF.
Anouk ist extrem weinerlich. Infektiologisch ist bei der Lavage nichts rausgekommen und sie erwarten auch keinen Befund mehr. Also Im Prinzip war die ganze Aufregung für den ….
Also weiter ambisome bis mind. Mitte nächste Woche stationär. Ab dann 3 mal wöchentlich iv ambisome und sie planen dann mind. bis zum Sommer antibiotische Therapie und Inhalation mit Kortison. Auf meine Frage, ob es denn ne Chance gibt, dass anouk September In den Kindergarten gehen kann: “es ist immer gut ziele und pläne zu haben”..
Keiner traut sich mehr irgendeine Aussage zu machen. Es geht gefühlt unendlich so weiter. Nach all dieser krassen Zeit sind Bini und ich einfach nur erschöpft. Ich mag nicht mehr.
An Anouks Lunge sind extreme umbbauprozesse im ct zu sehen, daher hofft man, dass das irgendwann wieder weggehen kann.
Di, 30.04.24
Freitags gings Anouk deutlich besser. Sie hat sogar fast eine ganze kinderportion maultaschen verdrückt. 400 mL getrunken.
Am Samstag dann von jetzt auf gleich Einstellung vom Essen und Trinken. Knatschig. Crp verdoppelt. Atmung wieder schneller.
Wieder IV Antibiotikum.
Gestern wurde ein Röntgenbild als Verlaufskontrolle angefertigt: Lunge hat sich nochmal weiter verschlechtert. Da das Bild in einer Ebene aufgenommen wurde, weiß man nicht, ob der vermeintliche Pilz wieder gewachsen ist oder ob sich -was auch immer den Crp Anstieg am Samstag verursacht hat- das auch auf die Lunge gesetzt hat.
Wir wissen nichts. Auf meine Frage, ob Anouk an dem Pilz sterben kann, kam ein "sie ist noch nicht überm berg".
Wenn der CRP stabil ist, dann kann Anouk tagsüber nach Hause. Nachts braucht sie noch Flüssigkeit und Kalorien. Sie verbraucht durch ihre Atmung schon so viel Energie und weil sie so wenig isst, besteht die Gefahr, dass sie noch weiter abnimmt. Die Flüssigkeit wird generell bzw im speziellen auch wegen dem krass nierentoxischen Ambisome gegeben.
Auf meine Frage, wie lange das Ambisome noch weitergegeben werden soll oder wie sie das entscheiden wollen kam ein: "Die Nieren werden uns die Entscheidung abnehmen. Irgendwann werden die Nieren nicht mehr können/wollen."
Tolle Aussichten.
Wegen Anouks Zustand wird man keine Narkose mehr machen wollen. Also kein CT um zu wissen, ob die Lunge wenigstens woanders besser geworden ist. Keine PEG Anlage, was das sondieren einfacher machen würde.
Die Nasensonde habe ich abgelehnt. Das ruiniert Anouks Lust am Essen völlig.
Wir leben von Tag zu Tag. Solange Anouk so wenig isst/trinkt, muss sie jede Nacht wieder zurück zur Hauner. Die Fahrerei geht wieder los. Parallel versucht man einen ambulanten Pflegedienst zu organisieren, sodass sie über kurz oder lang ihre Infusionen auch zu Hause bekommen kann. Aber ich bete, dass wir das nicht brauchen werden.
Es ist alles sehr frustrierend.
Dazu kommt, dass gerade die schöne Jahreszeit anbricht. Urlaub, Events, Biergarten... und wir können nur Anderen beim Leben zuschauen. Selber haben wir keins mehr.
Do, 02.05.24
Gestern war Anouk tagsüber zu Hause. Es war so schön zu sehen, wie sehr sie sich gefreut hat. Wie sie aufgeblüht ist. Beim Abschied hab ich ihr gesagt, dass ich für sie Pfannkuchen machen werde. Dass wir gemeinsam den Teig rühren können. Nicken. Freude.
Heute ist Anouks CRP wieder gestiegen. Eventuell war der Umstieg von iv Antibiose zu oraler Antibiose zu früh?
Nachts und auch ab und an tagsüber brauchte sie wieder Sauerstoff. Heute also keine Pfannkuchen. Keine Anouk. Sie fehlt mir so sehr.
Fr, 03.05.24
Crp weiter gestiegen also wieder Antibiose iv. Tabletten schaffen es scheinbar nicht, die Entzündung einzudämmen. Daher durfte sie heute auch nicht beurlaubt werden. Der Grund mit der Sauerstoffsättigung, die scheinbar Nachts kurz abgefallen ist, kann ich kaum glauben. Das hört man und bini hat nichts gehört. Vielmehr ist der Sauerstoff die Nacht einfach durchgelaufen, mit der Maske am Bettende. Aber eine übereifrige Schwester hat das wohl notiert.
Zudem trinkt sie immer weniger. Anouk hat durch die Flüssigkeitszufuhr keinen Durst. Das war schon immer so und kam mir als eher als Fadenscheiniges Argument gegen die Beurlaubung vor. Wäre der Crp nicht angestiegen, hätte ich sie definitiv auf eigene Verantwortung nach Hause geholt.
Anouk hat weiter abgenommen. Ich bin davon überzeugt, dass sich das wieder einpendeln würde, wenn man sie endlich mal in Ruhe lassen würde. Sie spürt sicherlich wie ihr Essen/Trinken genau beäugt wird und minutiös dokumentiert wird. Druck = weniger Essen, Gewichtsabnahme und noch mehr Druck.
Es ist ein verdammter Teufelskreis.
Ich hatte mich so sehr darauf gefreut sie wiederzusehen. Nutella für die Pfannkuchen gekauft. Steaks zum Abendessen. Ich bin überzeugt, dass sie zumindest etwas gegessen hätte, wenn sie gesehen hätte wie Jakob isst. Wenn sie selber Teig rühren darf. Oder das Fleisch auf den Grill legen darf.
Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass die Ärzte meinem Mädchen helfen. Die haben genauso wenig Ahnung wie ich, nur dass ich wenigstens mein Mama Bauchgefühl habe.
Seit Wochen bekommt sie Antibiose iv. Sobald es abgesetzt wird, steigt der Crp. Soll sie etwa jetzt ihr Leben lang Antibiotika schlucken? Ambisome gibt's ja dann auch bis die Nieren versagen. Was soll das alles?
Sie ist mittlerweile wieder die 4te Woche im Krankenhaus. Sie fehlt mir so extrem, dass es körperlich weh tut.
Hab mich heute Heiser geschrien und den Tag über durchgeweint. Jakob erkläre ich, dass "die Mama so traurig ist, weil Papa und Anouk nicht da sein können". Er ist trotzdem immer irritiert wenn ich für ihn "grundlos" losweine. Mit dem heutigen Tag ist etwas spürbar in mir zerbrochen. Diese erzwungene Trennung von einem meiner Kinder war eine zu viel. Ich habe keine Hoffnung mehr, dass Anouk gesund wird, geschweige denn, dass sie glückliche Zeiten vor sich hat.
Die Klinik hat mein Kind kaputtgemacht. Mein kleines Mädchen, dass damals am Gardasee wieder anfangen konnte zu lachen. Zu laufen. Eis zu essen. Zu leben.
Und das Schlimmste ist: ich kann nichts machen. Auch wenn ich nur noch möchte, dass das alles aufhört, könnte ich meine Familie nicht alleine lassen. Ich hätte aber nichts gegen einen Meteoriten, der auf die Erde fällt und alles zerstört. Dann könnte ich in der Ewigkeit mit meinen liebsten endlich Zusammensein. Ohne Angst. Ohne Wut. Ohne Verzweiflung.
Do, 09.05.24
Seit Sonntag bin ich wieder bei meiner Maus. Es tut gut bei ihr sein zu können. Mo und Di durfte sie auch wieder beurlaubt werden. Es ging ihr sichtbar von Tag zu Tag besser. Di wurde nochmal mit dem Professor für Pneumologie alle Bilder/Befunde durchgegangen. Es klang so völlig anders als bei Frau V.ee: Anouks Lunge hat gute Chancen sich zu regenerieren (vs. “Bei den Bildern kann man sich schwer vorstellen, dass die Lunge je wieder normal werden wird”). Wir brauchen halt Geduld…
Sie bekommt jetzt doch wieder Kortison, soll mit 3%igem NaCl Inhalieren und muss wohl für sehr lange Zeit die Antibiose weiter bekommen. Auch er geht von einem Pilz aus.
Anouk hat mir die letzten 2 Tage wieder etwas Zuversicht geschenkt. Sie hat mehr gegessen und vor allem: Endlich wieder richtig gelacht.
Heute war hingegen wieder alles anders: Keine Beurlaubung möglich, weil der Termin wegen der Durchführung der iv Ernährung zu Hause anstand. Dachte eigentlich, dass wir nur kurz die Basics durchgehen. Dann gings aber schon Schulungsmäßig los und Anouk war müde, knatschig, hungrig (“ander Hunger”) und wollte doch nichts essen/trinken. Die Frau war sichtlich entnervt von Anouk. Sie hatte ihr festes Schulungsprogramm im Kopf und wurde immer wieder unterbrochen. Ich war entnervt von der Frau und Anouk war sowieso durch.
Dafür konnten wir heute mehr Inhalieren. Leider hat das eher das Gegenteil für die Sättigung bewirkt. Vorhin ist sie sogar unter 80% Sauerstoffsättigung gefallen. Anouk bekommt Hustenanfälle, von denen sie weinen muss.
Eigentlich meinte Prof. A., dass wir heute entlassen werden können und dafür täglich rein müssen. Weil Anouk so “gut” gegessen hatte und das Ambisome wieder von 5 auf 3 mg/kg/d reduziert werden soll, können wir es wagen auszuprobieren, ohne parenterale Ernährung nachts auszukommen. Die iv Antibiose wurde von 3x täglich Piptaz auf einmal täglich umgestellt. Daher sollte es eigentlich klappen. Hab aber die Rechnung ohne Anouk gemacht. Große Pläne und Vorhersagen hat sich ja eh keiner getraut zu geben, aber zumindest stand der Plan bis Sonntag. Tja.
Anouk hat komische Bläschen am Körper bekommen (kann sich keiner erklären) und hat auch tagsüber Sauerstoff gebraucht. Diese Nacht geht ständig der Alarm los, weil Anouks Sättigung wieder so krass sinkt, obwohl der Sauerstoff voll aufgedreht ist und die Maske fast direkt an ihrer Nase liegt.. Sauerstoffbrille hasst sie nach wie vor. An schlaf ist nicht zu denken, weil ich ständig versuche die Sättigung hochzubekommen. Sie atmet zu flach und zu schnell. Die morgige Entlassung begrabe ich gerade. Ebenso ist mir wieder eingefallen, wieso mir der Herr Professor G. so bekannt vorgekommen ist: das war der super kompetente Arzt *Ironie!* auf der Intern 5, der damals meinte, dass der CRP nicht zeitversetzt steigt. Ich hab mich damals noch über diese Inkompetenz und dieses Obrigkeits-ducken geärgert. Jetzt stelle ich diese doch positive Aussage vom Herrn Professor wieder in Frage.
Anouk hat zusätzlich Bauchweh vom Husten. Wenigstens hilft das Novalgin etwas.
Die Maske liegt direkt neben ihrer nase und ist auf 10l eingestellt und trotzdem dümpelt sie bei 88 Sättigung rum.
Crp ist wieder gestiegen. Kann sich keiner Erklären warum sie scheinbar nur piptaz verträgt.
Sie bekommt noch ne zusätzliche dosis Kortison, blutkulturen und Abstrich wurden noch gemacht. Röntgen ebenfalls.
Röntgenbild sieht noch mal schlechter aus. Anouk braucht eigentlich nicht viel Sauerstoff (jetzt wo sie so platt ist, dass sie die maske akzeptiert) aber sie atmet so angestrengt, dass die Sorge besteht, dass sie sich total erschöpft. Evtl high flow als Hilfe, aber das mag sie ja auch eigentlich nicht. Wird jetzt nochmal besprochen. Die Intensivstation weiß auf jeden fall schon bescheid…
Ich wollte grade “ich mag nicht mehr” schreiben, aber das wird ja langsam zum Klassiker in meinen Blogeinträgen. Daher belasse ichs bei den nüchternen Fakten.
Anouk kommt wieder auf die KIPs. Manchmal habe ich den Eindruck, dass man uns als Familie systematisch fertig machen will.
Anouk wird wieder ins Koma gelegt und inturbiert. Ich wünschte ich wäre nicht gefahren.
Anouk wurde in der Nacht doch nicht intubiert, sie hat sich als der Oberarzt kam, dann doch noch stabilisiert.
Di, 14.05.24
Anouk geht es wieder besser. Sie kann schon wieder mit normaler Luft beatmet werden und schafft es sogar eine zeitlang ohne Maske zu sein. Am Ende wird das Atmen aber immer anstrengender für sie, sodass sie noch nicht ohne kann und daher auch nicht von der KIPs entlassen werden kann. In ein paar Tagen dürfen wir dann wieder ins LAF und letztendlich wieder da starten, wo wir schon vor über einem Monat waren.
Anouk isst gottseidank immer besser, sodass ich hoffe, dass wir das Thema “künstliche Ernährung/Infusionen von zu Hause” nicht weiter verfolgen müssen. Ich weiß nicht wie wir es schaffen sollen beide zusammen mind. 5 mal für je 2h mit der Frau üben sollen, die auch nicht gerade um die Ecke wohnt. Ich wäre sehr dankbar, wenn uns Anouk diesen Aufwand erspart.
Ich war Samstag auf Sonntag bei Anouk und dann hat Bini wieder übernommen. Morgen werde ich mich wieder mit keinem Bett, kein Schlaf und einer süßen Anouk auseinandersetzen müssen, die ständig “ander Hunger” hat und deren Laune weiter sinkt, je besser es ihr geht. Wie sehr hatte ich mich gefreut, dass Anouk nach zig Monaten endlich wieder angefangen hat Muskeln aufzubauen…die sind jetzt natürlich alle wieder weg.
Es geht immer wieder von vorne los. Wenigstens bekomme ich wieder Kontrolle und richtige Infos.
Scheinbar hat ein Arzt von der KIPs zu Bini gesagt, dass sie vllt nochmal ein CT machen und eine Bronchioskopie mit Biopsie. Da schlackern mir wieder die Ohren und ich habe dazu einige Einwände und Fragen, die ich dann wenigstens richtig adressieren kann. Schon allein, weil die Frau, die die Lavage gemacht hatte, damals meinte man könne da gar nichts biopsieren.
Und außerdem wieder Narkose? Nein danke Leute. Dann geht der Spaß wieder von vorne los. Sie sollen endlich mein Mädchen in Ruhe lassen!
Dass sie immer noch keinen Nachweis haben, was da so in ihrer Lunge ist und was die ganze Verschlechterung bewirkt hat, gibt mir wenig vertrauen. Sie kann ja nicht ewig antibiose bekommen.
Also alles in allem: es ist wie immer in den letzten 1,5 Jahren: keiner weiß was und bini uns ich tun unser bestes die Situation zu überleben.
Heute ist mir bewusst geworden, dass schon pfingsten ist. Leute fahren in den Urlaub.
Ich dachte, dass dieser Sommer “nur” durch den hicki vermiest wird, aber dass wir da immer noch im krankenhaus rumeiern hätte ich nie gedacht.
Gestern beim Hausarzt ist mir bewusst geworden, was mich die ganze zeit am meisten belastet: das gefühl, dass ich die einzige bin, die das alles hätte verhindern können. Ich war immer so kurz davor mein Bauchgefühl durchzusetzen, aber hab mich dann immer wieder bequatschen lassen. Ich hab meinem Arzt recht nüchtern von den neuesten Entwicklungen bei Anouk geschildert. Aber als ich diesen Satz sagte “ich hätte es verhindern können” hat sich mir sprichwörtlich die kehle zugeschnürt. Es war wie keine Luft zu bekommen und erst durchs weinen konnte ich wieder etwas Fassung erlangen. Ich brauche definitiv Therapie um diesen Gedanken verarbeiten zu können. Und Zeit für mich. Und Zeit für Bini. Bini bräuchte ebenso viel Zeit für sich und auch Paarzeit um endlich etwas Kraft zu bekommen. Aber das geht aktuell nicht. Keinerlei Planbarkeit. Wir leben wirklich nur von Tag zu Tag. Wann ist das alles mal zu Ende?
Sa, 18.05.24
Es zieht sich. Wahrscheinlich kommen wir diesen Monat nicht mehr von der KIPs weg. Anouk geht es soweit ganz gut, allerdings muss sie nach 2 h Maskenpause wieder an die Atemunterstützung. Ebenso Nachts. Da nur auf der KIPs geschultes Personal ist, muss sie solange hier bleiben bis sie das Gerät nicht mehr benötigt.
Wenn die 2 Wochen Kortison voll sind, will man nochmal ein CT mit Vollnarkose machen. Mit Glück ist die Entzündung kaum noch sichtbar. Falls sie aber immer noch Veränderungen in der Lunge sehen, kann es sein, dass es sich um Narbengewebe handelt (Lungenfibrose). Zur Sicherung der Diagnose müsste man dann nochmal eine Narkose für eine Lungenbiopsie machen. Gegen Fibrose kann man wohl nicht viel tun. Hoffen wir mal, dass Mausi einmal glück hat (und sie die Narkose gut verträgt und nicht wieder irgendwelche Ausfallerscheinungen zeigt).
Das gute am Kortison ist, dass Anouk endlich isst und ganz langsam wieder zunimmt. Wir haben die 10 kg endlich geknackt!
Heute tauschen Bini und ich wieder. Es ist ziemlich kräfteraubend auf der KIPs. Das hält man nicht lange hier alleine aus.
Fr, 24.05.24
Immer noch KIPs. Wenigstens werden die "Schnorchelpausen" immer länger. 3h schafft Maus ohne in eine größere Anstrengung zu verfallen oder Sauerstoff zu brauchen.
Klinisch geht es ihr auf jeden Fall besser. Fit, neugierig und unfassbar lustig. Als ich ihr sagte, dass wir nochmal ein Foto brauchen (Röntgen) war sie ganz aufgeregt und als die Radiologiehilfe sagte "lächeln", hat Anouk laut losgelacht. Jetzt haben wir ein Röntgen-Thorax Bild mit einem lachenden Mund :-)
Das Laufen/ Stehen will nur grad nicht so klappen, aber nach dem ganzen Herumliegen ist das auch kein wunder. Sie schafft es wieder nicht mit der Ferse auf den Boden zu kommen und "steht" daher wieder nur auf Zehenspitzen.
Leider hat sich ihr Röntgenbild im Vergleich zu vor 10 Tagen nicht verändert. Immerhin nicht schlechter und scheinbar sind die Lungenveränderungen nicht ursächlich für ihre Beschwerden. Trotzdem frustrierend wenn das ganze Kortison nichts gebracht haben sollte. Es erfolgt noch ein letzter Versuch am Wochenende mit Hochdosis Kortison und man erhofft sich auf dem Röntgenbild am Montag eine deutliche Verbesserung zu sehen.
Ansonsten soll das Kortison langsam ausgeschlichen und im Anschluss sehr wahrscheinlich CT, Biopsie und erneute Lavage durchgeführt werden, um hoffentlich herauszufinden was los ist und was bzw ob man noch etwas tun kann.
Das Antibiotikum wird bis dahin beibehalten.
Wir bleiben also noch ein bisschen.
Gestern war die Atemfrequenz wieder erhöht, aber es kann sich keiner erklären wieso.
Anouk bekommt bei ihrer künstlichen Ernährung auch kein Fett mehr, weil das das Infektionsrisiko steigt und Anouk eh grad so gut isst.
Prompt war es abgesetzt, isst sie wieder schlechter. Trinkmenge wird auch wieder weniger.
Wenigstens könnte man bei der Narkose für CT und Co auch eine PEG-Anlage machen um sie leichter ernähren zu können. Ich werde das im Auge behalten, da die Ärzte das zu 100% vergessen würden.
Die Akzeptanz der Maske sinkt rapide und da Anouk eigentlich eine Zwischengröße bräuchte, die es nicht gibt, darf ich ihr ständig die Maske andrücken.
Trotz allem wird das im Moment Leben immer besser. Ich versuche nicht mehr auf das zu schauen, was wir verpassen oder wann wir wieder einigermaßen normal leben können, sondern konzentriere mich auf den Moment und die coolen Seiten bei der ganzen Scheiße. Wenn ich weiter auf bessere Zeiten warte, verpasse ich nämlich zu viel. Radikale Akzeptanz. Oder so. Die letzten 3 Tage mit Anouk waren nämlich trotzdem wunderschön.
Wir frühstücken in der OTK (und keiner fragt was wir da machen oder ob wir n Termin haben), machen Pause auf der KIPs, spielen auf der Intern 3 und kochen abends im LAF. Anouk hat so eine Freude, selber Nudeln zu kochen. Wir decken dann gemeinsam den Tisch und es fühlt sich ein wenig an wie Camping (zugegeben, mit nem scheiß Stellplatz).
Anouk und ich unterhalten uns über die Putzmaschine, mit der der Reinigungsmann extra auf uns wartet, damit wir neben ihm herfahren können. Wir schauen uns Nachts lange das Gewitter an.
Egal wo wir hinkommen, wir kennen immer irgendwen und es fühlt sich ein bisschen an wie ne große WG. Selbst wenn ich um 3 Uhr Nachts Pesto aus dem LAF hole, treffe ich auf der Treppe eine bekannte Nachtschwester. Heute hat Anouk dem Hausmeister ganz lieb zugewunken, sodass er mit seinem "golfcar" umgedreht ist und ihr einen Teddybären geschenkt hat. Der gefühlt 1000ste, aber die Geste war sehr sehr schön.
Gestern war das USK in Dachau zu Besuch und ich wurde mehrfach angesprochen, ob ich Lust hätte, einen von denen zu vermöbeln. Man scheint mich zu kennen :-) Aber ich hab den Schlagstock dann doch lieber gegen Gummireifen gerichtet.
Es waren sehr anstrengende aber schöne Tage, denn endlich konnte ich meiner Maus wenigstens ein bisschen vom Leben zeigen und darf zusehen, wie sie so viele Dinge bestaunt. Egal was andere Kinder können/dürfen. Ich muss das Idealbild loslassen. Anouk war die letzten Tage glücklicher als die letzten 6 Monate und das ist was zählt.
Heute haben Bini und ich wieder getauscht und ich finde es so toll endlich wieder gescheit körperpflege betreiben zu können. Das gleiche Bedürfnis, wie nach einem Campingurlaub.
Mi, 29.05.24
Anouk geht es immer besser. Mittlerweile schafft sie teilweise 5h ohne Maske. Allerdings ist sie danach extrem k.o. Aber nicht verwunderlich, wie viel sie macht und tut. Heute wurde gekegelt, Sandkasten gespielt, gerutscht, geschaukelt, pedalo gefahren, gemalt, geknetet, gekocht und gelacht. Natürlich alles immer im Schlepptau mit dem Infusomaten und Anouks ständig piepender Überwachung.
Natürlich gibt es auch so einige Krisen. Irgendwie muss sie sich ihre Autonomie wahren (wenn sie schon sonst extrem viel über sich ergehen lassen muss). Zudem nervt die Maske immer mehr. Aber sie macht das sehr toll und ich bin stolz auf mein kleines starkes Mädchen.
Montag bekommen wir die NIV (Atemunterstützungsgerät) und die Einführung, damit wir irgendwann mal nach Hause können. Mittwoch oder Donnerstag wird CT und PEG Anlage gemacht. Letzteres weil ich befürchte, dass Anouk nach dem Kortison wieder so wenig essen/trinken wird und das die einzige Möglichkeit wäre, uns diesen Stress mit künstlicher Ernährung/ Nasensonde oder Infusionen zu nehmen. Im besten Fall war die PEG Umsonst. Aber lieber PEG haben und nicht brauchen als anders rum. Schließlich waren wir vor ein paar Wochen schon an dem Punkt, an dem ich wünschte wir hätten die PEG und man konnte Anouk aber nicht operieren.
Lavage und Biopsie wird doch nicht in derselben Sitzung gemacht, weil die Ärzte nicht wissen ob sie die Entnahme über die Luftröhre (Pulmonologen wären zuständig) oder von außen (Chirurgen wären zuständig) machen. Das kommt auf das CT Bild an und muss genauer geplant werden. Ich bekomme gerade wieder Hoffnung, dass meine Maus vllt doch keine Lavage/Biopsie braucht, weil vllt das CT Bild so gut aussieht. Immer häufiger meckert die Überwachung, dass Anouks Atemfrequenz zu niedrig ist und das spricht ja dafür, dass sich vllt doch was tut?
Hoffen und beten.
Bis dahin genieße ich die Zweisamkeit mit meiner Babymaus und freue mich, ihre kleinen/großen Fortschritte sehen zu dürfen. Heute ist sie am Sandkasten entlang gelaufen. Sie bekommt wieder Haare. Sie spricht viel viel mehr.
Und gibt daher auch viel mehr widerworte. Immer öfter hat sie den Schalk im Nacken und entwickelt ihren eigenem Humor.
Morgen oder Freitag tauschen Bini und ich wieder. Ich freue mich auf ein eigenes Bett, selbstbestimmtes essen/Toilette gehen/ duschen. Ich freue mich auf Jakob und Gino. Die negativen Gefühle blende ich jetzt einfach mal aus. Hilft ja sowieso nichts.
So, 02.06.24
Gestern habe ich Jakob nach langer Zeit wieder den Chemokasper vorgelesen.
Bei all den Nebenbaustellen habe ich tatsächlich verdrängt, dass Anouk sterben könnte. Die Angst sie zu verlieren hat mich kalt erwischt. Ich war die letzte Zeit so darauf fokussiert eine gute Zeit mit Anouk zu haben und sie hoffentlich irgendwann von dieser Beatmung wegzubekommem, dass ich die Bedrohung durch den Krebs nicht wahrnehmen konnte oder auch wollte.
Als Ablenkung hab ich dann den restlichen Abend/Nacht mit unserer Steuererklärung verbracht.
Beim digitalen Aufräumen bin ich auch auf ein Video an Jakob gestoßen. Aus dem Klinikum Garmisch im Dezember 2022, als ich ihm erzählt habe wie toll es ist, dass wir bald zum ersten Mal im Krankenwagen fahren dürfen. Anouk sah so anders aus mit ihren verquollenen Augen. Und trotzdem sah sie so gesund aus. Babymaus. So viele Krankenwagenfahrten folgten. Jakob hat damals auch etwas bayerisch geredet, weil es Bini und mir wichtig war, dass er ein bisschen von der Kultur mitbekommt. Dank "seriösen” Gesprächen im Krankenhaus haben wir uns das bayerisch leider wieder abgewöhnt.
Es ist schwer nicht zu verzweifeln, wenn man zurückblickt. Und auch beim Blick in die nahe und auch fernere Zukunft scheinen Herz und Hirn zu explodieren. Im Moment Leben ist überlebensnotwendig geworden. Also bloß nicht Denken oder nach links und rechts schauen. Mein unaufhörlicher Aktionismus zu Hause hilft mir dabei. Und das Gefühl, dass Gott da ist.
Morgen gibt's die Schulung für Anouks Atemgerät und Bini und ich tauschen wieder.
Di, 04.06.24
Gestern durfte Anouk überraschenderweise entlassen werden, weil Bini und ich Vormittags die Schulung an unseren Geräten bekommen haben. Nachmittags ist die Frau extra noch mit zu uns gekommen um alles aufzubauen.
Anouk hat sich riesig gefreut nach Hause zu kommen. Seitdem müssen wir uns alle wieder ganz neu zurechtfinden. Um ehrlich zu sein: es war einfacher für uns als Anouk im KH war. Jakob eifert, Anouk eifert, Bini hat ne seeehr kurze zündschnur und ich bin platt. Die letzten 24 h waren anstrengender als die letzte "Schicht" im Krankenhaus. Nachdem Anouk um 1 Uhr aufgewacht ist und ihren Schnorchel nicht mehr tragen wollte, ging die Nachtbespaßung wieder los. Mit dem Unterschied, dass man hier viel mehr sehen/ machen/ spielen kann und die Autorität der Schwestern/ Ärzte fehlt. Ich bin irgendwann auf ihrem Kinderzimmerteppich eingeschlafen. Anouk hat sich dann zu mir gekuschelt und ich bin um 3 Uhr wieder wach geworden, weil mir so kalt geworden ist. Anouk wollte dann partout nicht ins Bett wegen ihrem Schnorchel. Und je mehr sie sich aufregt, desto schlimmer wird ihr Atemmuster. Also durchsetzen ohne Wutanfall zu erzeugen. Bei einer zweijährigen. Das ist schwieriger als im Kopf die Wurzel einer 10stelligen Dezimalzahl auszurechnen.
"Nur noch 5 Minuten Pause, dann müssen wir aber wirklich an den Schnorchel". Und wie es so mit den berühmt berüchtigten 5 Minuten ist: wir sind eingeschlafen und sind erst morgens wieder wach geworden. Somit hatte sie die Hälfte der Nacht keine Atemunterstützung. Also wieder schlechtere Sättigung, hohe Herz/ Atemfrequenz. Dazu kommt, dass ich glaube, dass die Ärzte den falschen Beatmungsmodus verordnet haben. Anouk hatte beim schlafen immer einen, der ihr den Atemrythmus vorgegeben hat. Jetzt gibt sie den Takt vor und die Maschine unterstützt nur. Ich hatte diesbezüglich extra noch nachfragen lassen, ob das so richtig wäre. Sie meinten, dass es korrekt ist.
Nun gut. Die Ambisome iv war heute in der OTK und morgen checken wir wieder auf der KIPs ein: Ambisome und Vorbereitung auf die Narkose fürs CT und eventuell PEG am Donnerstag.
Wenn alles auf einmal gemacht werden könnte (mit Lavage und Biopsie) dann wäre die Entscheidung leichter. So bin ich hin- und hergerissen, ob die PEG wirklich sinnvoll ist bzw. ob ich ihr das antun möchte. Schon allein der Gedanke ans tägliche Pflasterwechseln und Drehen der Sonde tut mir im Herzen weh. Sie musste schon so viel über sich ergehen lassen. Hätte sie eine super verheilte PEG, ok, aber der Weg dahin wird (zu) steinig. Planungen für die Zukunft zu machen, während man nur im Hier- und jetzt leben kann ist irgendwie suboptimal.
Mittwoch, 05.06.24
Ich/wir haben uns vorerst gegen eine PEG entschieden und machen morgen "nur" das CT. Zum einen: es ist keine Now-or-Never Entscheidung. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Anouks CT nicht so Bombe aussieht, als das man keine Biopsie bräuchte und daher eh noch eine Narkose aussteht..Wobei ich das auch gerne mal hinterfragt hätte, ob es denn irgendeinen Einfluss auf ihre Therapie hätte. Klar, es wäre schön zu wissen, welches Gewebe sich da abgelagert hat, aber nur wegen einer Diagnose auf dem Papier lassen wir unsere Maus nicht so malträtieren. Bini und ich befürchten ja beide, dass sie das wieder ganz schön mitnehmen wird.
Zudem: es ist aktuell nicht medizinisch notwendig. Es ist eine Empfehlung. Letztendlich wissen wir nicht, wie es weiter geht mit dem Essen/Trinken. Heute hat sie z.b. nur eine halbe Waffel gegessen und nur knapp 250 ml Ovo. Gestern waren es knapp 800 mL. Ich möchte Anouk Zeit geben. Ehrlicherweise hatte sie ja dieses Jahr nie die Möglichkeit zu Kräften zu kommen. Blinddarm, Chemo, Transplantation, Mukositits, diverse Infekte, die Lungengeschichte... seit einer Woche lacht mein Kind wieder täglich. Das möchte ich ihr nicht nehmen. Schmerzen und Weinen wären die Folge der PEG, ohne zu wissen, ob sie sie wirklich braucht.
Nein! Ich möchte ihr die Chance geben es selber zu schaffen.
Zudem: die Maske wird immer weniger toleriert. Sie tut ihr weh und alle Versuche sie passender zu machen sind gescheitert. Das und die vielen Medikamente reichen schon als Qualen. Lange Rede kurzer sinn: morgen keine PEG
Fr, 07.06.24
Narkose hat Anouk gut überstanden, sie war ganz schnell wieder im Feldwebel-Ton. "Mag nis KIPs. Naus!!".
"Sie wird später mal sicherlich alle Jungs unter den Tisch trinken", meint der Anästhesist. Bin lustigerweise stolz: "Meine Tochter ":-)
Bei ihrem späten Mittagsschlaf haben wir Anouk an ihre eigene Atemmaschine gesteckt: gleiches Gerät, gleicher Hersteller, gleiche Einstellung. Und doch offensichtlich anders. Anouk wird nicht bei jedem Atemzug unterstützt, sodass unser Gefühl richtig lag.
Nachts wurde versucht die Einstellungen anzupassen. Ich bin gespannt was das heutige Fazit ist.
Frau V.ee hat mich indirekt gerügt, dass ich die PEG hätte machen sollen. Anouks Nierenwerte wären deutlich schlechter gewesen und ohne ausreichende Kalorien/ Flüssigkeitszufuhr würde ich mir so ein chronisch krankes Kind heranziehen. Hab
ich das nicht eh schon?
Aber sie hat wenigstens verstanden, dass man früher mit mir hätte reden müssen. Mich erst eine Nacht vor dem Eingriff aufzuklären ist einfach unprofessionell. Ich habe ihr meine Entscheidung erklärt und dass ich die PEG ja machen würde, wenn ich sehe, dass es ihr schlechter geht, aber aktuell ist es nicht nötig.
Alles in allem ein typisches V.-Gespräch an dessen Ende ich mal wieder weinen musste. Mit Prof. A. wäre das deutlich einfacher, aber er ist im Urlaub.
Prof R. und Prof. G. (Oberärzte für Intensivmedizin bzw. Kinderpneumologie) haben sich Anouks CT Bilder angesehen. Kein erkennbarer Unterschied in ihrer Lunge. Zwar nicht schlechter, aber das bedeutet auch, dass wir uns die tägliche Pendelei fürs Ambisome, die schlechten Nierenwerte wegen dem Ambisome und dem ganzen Trinkwahnsinn hätten sparen können.
Auch die Hochdosiskortisontherapie.
In mir kommt die Wut wieder hoch. Wenn der Pathologe damals nicht so viel falsch gemacht hätte... jetzt hat Anouk eine geschädigte Lunge.
Prof. R. spricht lang mit mir: er würde gerne noch einmal eine Lavage und eine Cryobiopsie der Lunge unter CT durchführen wollen. Er erklärt mir dir Risiken und meinte, dass man so zu 20% herausfinden würde, was da in Anouks Lunge vor sich geht. Auf meine Frage, ob man bei einem "Fund" dann ein Medikament als Konsequenz daraus finden würde, sagt er, dass man da im Bereich des experimentellen wäre.
Risiken wären vor allem unkontrollierbare Blutungen. Aber er habe bislang jede Blutung irgendwie stoppen können. Es ist realistisch, dass sie auch durch die Biopsie sehr schwer zurückgeworfen werden kann. Da könnte es mal sein, dass sie 5 Wochen beatmet auf der KIPs liegt. Aber dann können sie sicher sein, nichts zu übersehen.
Er versteht nicht, warum ich mich dagegen wehre. Bei schwereren Lungenschädigungen wäre er auch dafür eher abzuwarten und nichts zu tun. Er glaubt, dass Anouk es packt.
Ich kann nur den Kopf schütteln. Nein, an diesem Punkt reicht es.
Ihre Lunge ist nicht besser, aber eben auch nicht schlechter geworden. Man soll jetzt bitte die unnötigen Medikamente absetzen. Wenn es schlechter wird, kann man ja immer noch ein CT machen. Aber so mit ihrem Körper umzugehen, finde ich absolut verwerflich. Als ob die Halbgötter in weiß immer etwas machen müssen, damit man wieder gesund wird.
Heute werden die Bilder in einer größeren Runde besprochen, wo auch die Onkos dabei sind. "Wir dürfen da nicht emotional entscheiden, sondern nüchtern alles betrachten". Als ob Entscheidungen um ein Lebewesen nüchtern getroffen werden könnten.
Mir ist es wichtig, dass Anouk ihre Erhaltungstherapie bekommt, damit der Krebs hoffentlich nie nie wieder zurück kommt.
Sa, 08.06.24
Gestern wurde ich schon wieder für ein Gespräch in einen separaten Raum geführt.
Prof. R. und Frau V. erklären mir, dass die Radiologen bei genauerer Besprechnung von Anouks Bildern auf Luftblasen am Ende der Trachea (bevor sich die lunge in die zwei Lungenflügel zerteilt)gestoßen sind.
Das kommt generell sehr selten vor aber an der Stelle haben sie so etwas noch nie gesehen.
Sie wissen allerdings nicht, ob das im Zusammenhang mit Ihren Umbauprozessen in der lunge steht oder was eigenes ist oder oder.
Betrachtet man das CT Bild von vor ca. 6 Wochen kann man erahnen, dass da auch evtl schon dieses Emphysem vorhanden war.
Da weder G. noch R. sowas je gesehen haben, geschweige denn im Falle des Falls an dieser Stelle biopsiert haben, werden jetzt die Pulmonologen/ Bronchioskopeure für Erwachsene um Rat gefragt.
Sie haben generell noch viel auf mich eingeredet bzgl. Biopsie. Sie gehen davon aus, dass da viele Faktoren beim Umbau ihrer Lunge eine Rolle gespielt haben, aber sie erhoffen sich, dass man vllt von 7 Faktoren 3 behandeln kann und damit Anouks Genesung fördern kann. Aber es eilt gerade nicht. Einen Monat mit der Entscheidung Biopsie ja/Nein würde man zwar nicht warten wollen, aber es muss nicht gleich morgen sein. Wenn aber die Erwachsenenpulmonologen es für dringlich ansehen, den Bereich ums Emphysem zu biopsieren, würde man das auf jeden Fall schnell machen müssen.
Wir haben uns jetzt darauf geeinigt, dass Anouk vorerst keine Biopsie bekommt. Wir wurden entlassen und müssen am Sonntag zur Kontrolle von Blut / Gewicht / Allgemeinzustand wiederkommen. Ambisome wurde nach 10 Wochen täglicher Infusion abgesetzt. (unglaublich dass wir täglich in München waren. Länger als die LAF Zeit.)
Anouk muss auf jeden Fall min. 800 ml am Tag trinken und ausreichend essen um den Kalorienbedarf ihrer sehr erhöhten Atemarbeit zu decken.
Seit dem CT will sie kaum essen/ trinken. Ich vermute, dass ihr die Larynxmaske Halsweh gemacht hat. Gestern Nacht waren wir drauf und dran wieder auf die KIPs zu fahren. Auch wenn verschiedene Geräte verschiedene Sättigungen anzeigen, war Anouk Zeitweise auf 80% und hat sich trotz Maske kaum erholt. Das beste war draußen an der frischen Luft mit 94 %.
Ich weiß nicht wie das weitergehen soll. Am Freitag hat mir noch eine ganz liebe Mama und ihre Tochter erklärt wie das bei ihrer PEG so ist, wie es ihr nach der OP ging und wie es aussieht. Hätte man mit mir vorher ausreichend darüber gesprochen, hätte ich womöglich die PEG am Donnerstag doch mitgemacht.
Anouk hasst die maske. Das mit dem "erst einschlafen, dann Maske" klappt nur im kh, wenn die Schwester es mit mir zusammen macht. Wir brauchen wohl noch ne pflegekraft hier...
Anouk hat gerade so geweint " Maske Angst!".
Ich verstehe sie so gut, aber sie will nicht mal eine Alternativmaske probieren.
Jakob will viel zeit mit mama verbringen und wird ständig auf später vertröstet. Anouk ist wieder mamarich.
Anouk könnte aber in der hauner nicht wirklich auf ne andere Station, weil ja nur auf der KIPs das Atemgerät von den Schwestern betrieben werden darf.
KIPs können wir ihr nicht antun. Sie ist so happy zu Hause. Sind gerade beim Wirt am Spielplatz. Es ist so berührend wie sehr sie das hier genießt. Gegessen und getrunken hat sie leider wieder zu wenig, trotz schmerzmittel. Jakob hat auch so Phasen, aber bei Anouk ist es halt nicht tolerabel.
Was sollen wir bloß machen?
Ich wünschte wir hätten einen privaten Arzt zu Hause.
Mi, 12.06.2024
20 vor 1 Uhr, aber ich kann nicht schlafen. Anouk ging es heute irgendwie gar nicht gut. Sie wollte gar nichts trinken / essen. Die letzten Tage hat sie schon sehr abgebaut. Sättigung wurde immer schlechter, kaum Hunger / Durst. Sie ist sehr müde und hat starke Hustenanfälle, die ihre Sättigung teilweise unter 80 Prozent drücken. Die Maske toleriert sie nur ab und an noch bei Bini. Bei mir gar nicht mehr. Wahrscheinlich merkt sie, wie sehr ich selber diese Maske hasse. Sie weint so viel mit der Maske, wehrt sich und schläft schließlich nur ne kurze Zeit vor Erschöpfung ein um nach kurzer Zeit wieder aufzuwachen und “Aua Nase” zu sagen. Mittlerweile hatten wir uns so eingependelt, dass Bini mit ihr im Buggy die Maske aufsetzt und sie draußen spazieren gehen. Mit mir darf sie normal einschlafen und kuscheln. Ich werde ihr dieses Teil nicht noch weiter antun.
Anouk war auch schon So, Mo und Di ambulant im LAF um Flüssigkeit zu bekommen. Mittlerweile wiegt sie wieder nur 9,9 kg. Alles was sie durch das Kortison zugenommen hatte, ist wieder weg. Meine kleine zerbrechliche Maus. Wir haben die letzten Tage immer wieder gebeten, dass uns Sauerstoff verschrieben wird. Wir wurden deswegen immer wieder vertröstet. Man müsse sich noch erkundigen. Dabei wollten wir keine dauerhafte Sauerstoffgabe, sondern lediglich etwas um ihre Sättigungseinbrüche besser abfangen zu können.
Heute hat mir Anouk gar nicht gefallen. Wir haben 3 h Mittagsschlaf gemacht und sie war danach immer noch extrem platt. Seit ein paar Tagen will sie auch nicht mehr irgendwo stehen oder versuchen zu laufen. Sie ist einfach durch. Daraufhin sind wir alle zusammen heute ins LAF gefahren. Anouk durfte glücklicherweise dort bleiben und musste (noch) nicht auf die KIPs, weil die überbelegt sind. Sie hat jetzt high flow und das scheint ihr auch gut zu tun. Obwohl die Intensivmediziner meinten, dass es ihr nichts bringen würde. Sie wird jetzt gewässert und bekommt viel Zucker, weil sie völlig unterzuckert ist. Das Problem ist wohl, dass bei stärker werdender Nierenprobleme Hunger und Durstgefühl einfach verloren gehen. Nachdem uns gestern ein Gastroenterologe endlich mal Frage/ Antwort zur PEG stehen konnte, haben wir uns nun dafür entschieden. Sie sollen das bitte bei der nächsten Narkose mitmachen. Ob/wann/wie biopsie ist immer noch unklar. Aber nachdem Anouk so abgebaut hat, haben wir wahrscheinlich eh keine Wahl. Generell habe ich ja das Gefühl gegen Windmühlen zu kämpfen und am Ende machen die Ärzte doch das, was sie wollen.
Bini ist im Krankenhaus geblieben. Jakob und ich sind wieder heimgefahren.
Anouk und ich haben heute ganz viel im großen Bett gekuschelt. Jetzt liegt die Kuscheldecke da und sie ist weg.
Di, 18.06.24
Ich war übers Wochenende bei Anouk.
Freitag bekam ich noch die Aufklärung der Gastroenterologin über die PEG. Besonders erfreut war ich, dass Anouk keine Pflaster bzw. Pflasterlöser für die Wundversorgung braucht und, dass man ihr gleich einen Button einsetzt. Keine Schläuche. Das hat mich wahnsinnig gefreut. Ich hab nochmal nachgefragt, weil der Gastroenterologe bei Binis Aufklärung schon meinte, dass sie Anfangs einen Schlauch braucht. “Nein, das geht jetzt direkt mit dem Button”.
Ebenfalls war am Freitag Prof. R. von der KIPs nochmal da. Er meint, dass die Highflow sinnlos ist. Anouk bräuchte die NIV, und da sie ja eh davon ausgehen, dass sie die Narkose am Montag nicht so gut wegstecken wird, kann man vllt. Montag nochmal was an den Geräteeinstellungen verändern um eine bessere Akzeptanz zu bekommen. Ich fragte ihn, was denn passiert, wenn die Kinder das so verweigern, man es ihnen aber auch noch nicht erklären kann: “Die Wahrscheinlichkeit des Ablebens steigt dann natürlich”. Aha. Danke.
Er meint nach wie vor, dass eine Biopsie nötig wäre. Aber wie das jetzt alles weitergeht weiß er auch nicht. Er ist jetzt erstmal 3 Wochen im Urlaub.
Die laut KIPs sinnlose Highflow hat wohl doch etwas gebracht. Sie hat in der Nacht von Samstag auf Sonntag die Highflowbrille so stark abgelehnt, dass ich einen Versuch wagen wollte. Siehe da, es ging ihr gut. Sauerstoffbedarf hat sie nur für ne Minute nach ihren Hustenanfällen.
Tendenziell ist sie zwar immer noch schneller von der Atmung als “normal” aber der Gasaustausch ist völlig in Ordnung. Da sie ja seit gestern eh gut mit Kalorien versorgt werden kann, gilt das Argument der “Erschöpfung” nicht mehr wirklich.
Montag nach der Op kam die Gastroenterologin. “Ich hab den Bericht schon fertig. Hab ganz vergessen, dass sie ja doch Anfangs nen Schlauch braucht”. Ich kann mir nur an den Kopf greifen. Egal.
Ich warte auf die Anästhesistin: Alles super gelaufen, In- extubieren kein Problem, Schnauft selbstständig. Auf meine Frage, ob sie dann auf die KIPs müsste, meinte sie: “Medizinisch ist das absolut nicht nötig. Sie kann auch auf Normalstation”.
Dennoch kamen die KIPs Ärzte zum Abholen. Ich frage nach dem Warum.
Im LAF sei kann Platz mehr. Ich soll schonmal die NIV holen. Auf meine Argumente, dass wir ein Zimmer im LAF haben und dass Anouk nicht mal mehr Highflow bräuchte wurde nicht eingegangen.
Ich gehe ins LAF und treffe auf Frau V.. Wieder die Frage: Warum denn nun KIPS? Anouk hat Angst da, kommt nicht zur Ruhe und es wird keine Rücksicht auf ihre Gefühle genommen. Und: Sie braucht es ja nicht!
Tja, das wurde wohl so geplant von Herrn R. und das wird dann auch so gemacht.
Danke.
Anouk hat 2 h durchgeschrien, weil sie eigentlich müde war, ich aber ihren Wunsch das Zimmer abzudunkeln nicht erfüllen konnte. Wieder 4 Bett Hochtrubel-Zimmer.
Dann wollte sie nur noch raus und hat sich mit Händen und Füßen gegen das ständige Blutdruckmessen, Verkabeln etc gewehrt. “Du musst die Sättigung jetzt haben”.
Nein, muss sie nicht. Ich kam mir wie ne Löwenmama vor. Keiner fasst mein Kind an.
In diesem Krankenhaus läuft es wie überall. Leute die keine Entscheidungen treffen wollen. Hierarchien. Dienst nach Vorschrift etc, jeder sagt was anderes. Normal. Aber ich hab da echt keinen Nerv mehr für.
Bini und ich hatten dann getauscht. Bei ihm hat er dann auch sogar die NIV akzeptiert. Dabei hätte ich mir innerlich gewünscht, dass Anouk den Ärzten die Maske genauso um die Ohren schmeißt wie bei mir.
Im LAF mussten wir das Zimmer räumen. Sie bräuchten es.
War wohl von vornherein allen klar, dass es Anouk so schlecht gehen würde, dass sie auf die KIPs kommt. Aber natürlich hatten alle gehofft, dass sie wieder zurück ins LAF kommt. Bullshit.
Die Geschichte mit der Nutzung der NIV auf anderen Stationen ist langsam Sketch-Reif. Nicht nur, dass jeder mit einer Überzeugung sagt, dass das geht bzw. nicht geht. Sondern auch, dass sich die Leute Abteilungsintern nicht mal einig sind.
Anouk ist zwar sehr müde und ist von der Sättigung noch nicht optimal, aber es geht ihr gut.
Ich hoffe, dass Anouk heute entlassen werden kann und wir vllt doch irgendeine Aussicht auf ein normaleres Leben bekommen.
So, 23.06.24
Anouk wurde erst am Donnerstag entlassen. Papiere/ Rezepte waren am Dienstag zwar schon fertig, aber die liebe Frau V. kam wieder mit was Neuem um die Ecke. Auf Grund der besseren Nahrungssituation kann es ja eventuell zu einem refeeding syndrom kommen. Dabei hätten uns die KIPs und die Gastroenterologen ziehen lassen. Also durfte Anouk noch zwei weitere Tage auf der KIPs bleiben.
Weil jeder unterschiedliche Aussagen zur HFNC und der NIV gemacht hatte, hat die Psychoonkologin die wichtigsten Leute der KIPs und vom LAF zusammengerufen, damit endlich mal in einer einheitlichen Sprache gesprochen wird. Sie hat gemerkt, wie sehr uns das hin und her in den Aussagen belastet hat.
Ich konnte nicht direkt dabei sein und war per Telefon zugeschaltet. Um es kurz zu fassen: Es war kein schönes Gespräch.
Ja, die Ärzte waren endlich mal einheitlich in ihrer Meinung. Aber so zu tun, als wäre das immer so gewesen, gab mir das Gefühl als ob ich einfach alles nur falsch verstanden hätte.
Auf meine Bitte, mir das warum für gewisse Änderungen/ Entscheidungen zu erklären, kam ein "Wir können Ihnen ja nicht das ganze Medizinstudium erklären".
Auch toll war der Nebensatz, "wir wollen die Geschichte (von der Fehldiagnose) nicht wieder aufwärmen". Als ob das eine Kleinigkeit wäre, an der ich mich immer aufhänge.
Ich könne mich ja entscheiden ob wir weiter durch dieses Tal zu gehen, oder ob ich mein Kind vor jeglichen Unannehmlichkeiten bewahren möchte. Dann würde man das Therapieziel auf palliativ ändern.
Die Psychoonkologin hat mir versichert, dass alle sehr betroffen sind, was Anouk geschehen ist und alle großes Verständnis für unsere Situation hätten. Dass sie Anouk schon sehr in Herz geschlossen hätten (vllt sogar zu sehr, weil Frau V.ee mittlerweile sehr emotional ist und wir uns gegenseitig ziemlich triggern). Man würde sehen wie gut wir das meistern.
Davon gab ich nichts gemerkt.
Neben dem Kampf gegen die Windmühlen kam nun auch das Gefühl gegen eine Mauer zu laufen.
Zuhause ist es sehr chaotisch: die vielen Medikamentengaben und Inhalationen.
Die Pflege der PEG, der neue Umgang mit der Sauerstoffflasche. Die Sondenernährung über die Pumpe. Und das leidige Beatmungsthema mit der Maske. Es ist verdammt viel. Anouk müsste 5 mal am Tag sondiert werden. Das schaffen wir zeitlich gar nicht, da Anouks Magen sich nur sehr langsam entleert. Wenn wir zu übereifrig sind, bekommen wir die Quittung durchs Erbrechen. Anouk nimmt daher nicht zu, sondern erhält lediglich den Status Quo.
Jakob ist natürlich auch wieder aus der Einzelkindrolle rausgeschmissen worden und schwankt dementsprechend zwischen total happy und ganz vielen Tränen. Auch das verständliche Buhlen um meine Aufmerksamkeit, lässt mich unter Dauerstrom stehen.
Heute durfte Anouk zur Kontrolle ins LAF. Leider ist ihr Kreatinin gestiegen, daher darf Maus gleich morgen wieder zur Kontrolle. "Nehmen Sie vorsichtshalber ihre Sachen mit, es kann sein, dass wir Sie dann gleich dabehalten müssen". Hoffentlich nicht.
Sa, 29.06.24
Freude daheim zu sein.
Freude niemanden mehr vermissen müssen.
Und nun?
Warten auf Besserung? Etwas, was vllt nie eintreten wird? Warten, während andere leben.
Der zweite Sommer in Folge ohne baden/ Planschen/ Spielplätze. Fernsehen/ Handy schauen/ Switch spielen sind feste Bestandteile unseres Lebens geworden. Nach so langer Zeit fehlen uns die Alternativen. Erziehung wird durch Schadensbegrenzung ersetzt.
Ich bringe es auch nicht übers Herz nur mit Jakob einen Ausflug zu machen und Anouk nicht mitzunehmen.
Ich weiß, ich sollte mich auf das positive konzentrieren. Aber im Moment macht mir die nicht vorhandene Planbarkeit/ fehlende Aussicht das Leben sehr schwer.
Jakob ist im August 3 Wochen zu Hause. Die meisten fahren weg. Für unseren Urlaub sehe ich schwarz. Für den Kindergartenstart sehe ich schwarz. Und ja, ich habe keine Geduld mehr. Woher soll ich die denn nehmen?
Seit dem tollen Gespräch traue ich mich auch gar nicht mehr die Ärzten zu sagen was ich denke/fühle/ meine.
Es ist sehr verzwickt. An guten Tagen genieße ich das neue Familiengefühl.
Aber an so Tagen/ Nächten wie gestern, in denen Anouk mehr hustet und es ihr gefühlt wieder schlechter geht, bin ich sehr niedergeschlagen. Gestern Nacht war die Sättigung bei 79!. Zum ersten Mal hat sie die Sauerstoffzufuhr zu Hause akzeptiert, weil sie keine Kraft hatte sich zu wehren.
So viel Sorgen und Ängste. Vor allem die Angst meine Babymaus zu verlieren, ist wieder sehr präsent.
Wenn ich wüsste, wie lange wir noch durchhalten müssen wäre es so viel einfacher.
Ich brauche eine Perspektive. Keiner ist in der Lage mir zu sagen, ob Anouks Lunge überhaupt je wieder besser werden kann. Brauchen wir dann doch die Biopsie? Kann man ihr überhaupt helfen? Alles was ich darüber lese macht mir Angst. Keiner gibt mir Hoffnung. Bini mag auch nicht drüber sprechen. Er kämpft selber sehr. Heute ist die PEG wieder herausgerutscht. Der Anblick vom Loch im Bauch mit dem heraussickernden Mageninhalt und das wieder- zurückschieben haben mir in der Seele wehgetan.
Trotzdem schenkt mir die kleine Maus immer wieder ein Lächeln und dafür bin ich sehr dankbar.
Mi, 10.07.24
Anouk durfte heute wieder auf der KIPs einchecken. Sie kam bei der kontrolluntersuchung von der sättigung nicht alleine über 80. CO2 Baseline ist schlechter, das gestrige röntgenbild von ihrer Lunge ist schlechter. Rhino Enterovirus wieder nachweisbar. Eigentlich ein harmloser Schnupfenvirus. Wie soll das nur im Herbst werden? Wo soll das alles hinführen? Muss ich mich an die ganzen Schläuche gewöhnen und mich im besten Fall freuen, dass sie nicht ins Krankenhaus muss? Und jeder Virus katapultiert sie zurück? Ist das jetzt unser Leben?
Ich bräuchte dringend irgendetwas positives zu Ihrer Lunge. Dass es voran geht. Dass sie richtig behandelt wird. Dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber der Wunsch scheint uns nicht erfüllt zu werden.
Bini ist bei ihr. Ich vermisse sie so sehr. Man kann sich nicht an Trennungsschmerz gewöhnen. Und gleichzeitig bin ich ihm so dankbar, weil ich den Laden nur noch in Schutt und Asche legen würde.
So, 14.07.24
Ich habe mich lange genug in mein Schneckenhaus zurückgezogen. Sollen die Ärzte machen, was sie meinen. Soll Bini mit den Ärzten reden, ich stell ja eh zu viele Fragen "Wir können Ihnen nicht das ganze Medizinstudium erklären". Also bitte, ihr könnt mich mal.
Natürlich hat es in meinem Kopf weitergebrodelt. Natürlich habe ich die Krankenhausberichte studiert und mir Gedanken gemacht.
Ja, ich bin keine Ärztin, aber ich kenne mich mit wissenschaftlichen Arbeiten aus. Ich verstehe medizinisch/biologische Texte und kann zusammenhänge erkennen.
Heute hat es Klick gemacht.
Ich bin mir sehr sicher, dass das Grundproblem eine chronische gvhd der Lunge ist. Es macht alles so Sinn. Ich glaube es würde zu weit führen, meine Gedankenkette hier aufzuschreiben und die einzelnen Puzzleteile zu beschreiben, die zu meinem Schluss geführt haben.
Lange Rede kurzer Sinn:
Ich bin heute auf einen Bericht der Uni Freiburg gestoßen. Dort wurde eine Behandlungsrichtlinie erarbeitet, die seit April 2024 in Kraft getreten ist: es ist nämlich doch nicht so selten, dass nach Stammzelltransplantation Lungenprobleme auftauchen, die nicht auf Kortikosteroide ansprechen.
Bevor hier irgendwer ne Biopsie an Anouks Lunge durchführt möchte ich 3 mögliche Behandlungsoptionen in Betracht ziehen:
- extrakorporale Photopherese
- Behandlung mit Belumosodil
- Behandlung mit Ruxolitinib
Gerade Letzteres erscheint mir sehr vielversprechend. Da es auch ein Tyrosinkinasehemmer ist, könnte man ggf auch das Gilteritinib damit ersetzen.
Hallo Bauchgefühl! Hallo Hoffnung! Schön, dass ihr wieder da seid!
So, 21.07.24
Gottseidank war Prof. A. wieder aus dem Urlaub zurück und ich konnte lange und gründlich mit ihm meine Punkte durchgehen.
Leider zielen alle gvhd Therapien auf eine erneute starke Immunsuppression aus, welche -falls es doch keine gvhd sein sollte- ziemlich fatal für ihre Lunge wäre. Aktuell ist ja schon jeder Mini Infekt extrem gefährlich für ihre Lunge. Nicht auszumalen, was wäre, wenn sie jetzt noch stark immunsuppremiert wäre. Daher probieren wir noch etwas anderes aus: es soll schnellstmöglich eine lange iv-Antibiose durchgeführt werden. Scheinbar werden auch Mukoviszidosepatienten so behandelt.
Da wir logischerweise keinen Nerv mehr für einen weiteren längeren (>6 Wochen) Krankenhausaufenthalt haben, wurde versucht einen ambulanten Pflegedienst damit zu beauftragen. Wurde aber keiner gefunden. Daher bekommt Bini am Montag die Schulung zum Umgang mit Anouks Hicki, damit wir ihr daheim 3mal täglich die Infusion anhängen können.
Ein weiteres to do auf der langen langen Liste der zu erledigen Sachen.
Unser Tag ist durchgetacktet mit Medikamentenvorbereitung/ -gaben, Inhalationen und Sondieren. Zwischendrin sind immer wieder Maske und Sauerstoff im Einsatz. Dann halt noch Infusionen.
Donnerstag haben wir wieder den MDK bei uns, weil ich eine Höherstufung ihrer Pflegestufe beantragt habe. Ich habe überhaupt keine Lust auf diesen Termin.
Am Dienstag hat Anouk wieder OTK Termin. Dort lernen wir auch den 12h Atemüberwachungsdienst kennen. Ich bin noch sehr skeptisch jemand fremden über Nacht bei uns zu Hause zu haben. Außerdem bezweifle ich, dass Anouk die fremde Person akzeptiert, wenn sie weiß, dass im nebenraum Mama/ Papa greifbar wären. Ich kann mir das irgendwie gar nicht vorstellen, aber Bini möchte es probieren.
Generell geht es Anouk schlechter. Sie hustet viel viel mehr und braucht viel mehr Sauerstoff.
Ich war heute eine halbe Stunde mit ihr einkaufen. Sie hat dann freiwillig die Maske gewünscht und "Sauerstoff" gesagt. Letzte Woche konnten wir noch einen Tagesausflug zu Kili und Steffi unternehmen. Das ist zum heutigen Stand undenkbar. Es sei denn, wir hätten ne 50 l Sauerstoffflasche für unterwegs. Heute Nacht hatte sie wieder so einen extremen Hustenanfall bis zum Erbrechen. Dabei sind uns viele ca. 5 mm große blutige Schleimbrocken aufgefallen. Hat sie das ausgehustet? Einen haben wir aufgefischt und in ne Dose getan. Morgen bringen wir auf jeden Fall die Probe zur Hauner. Dazu hat sie noch Nasenbluten bekommen. Der gesamte Anblick war nicht schön, das Aufputzen, die Reinigungsmittel und die Sorgen um Anouk machen mir zu schaffen. Daher sitze ich gerade am offenen Fenster und versuche durchzuatmen während Bini mit Anouk spielt. Sie ist gerade wach und wieder gut gelaunt.
Achja, Urlaub ist natürlich storniert.
Di, 23.07.24
Da der Trend eher abwärts geht, wird die Biopsie von Anouks Lunge geplant. Vielleicht schon nächste Woche.
Ihre Immunzellen sind innerhalb des letzten Monats nicht besser geworden, d.h. wir müssen weiterhin die vielen Medikamente zur Prophylaxe geben. Es war ja die Hoffnung, dass wir da vllt. ein wenig absetzen können. Jedes dieser Mittelchen macht nämlich Übelkeit und Erbrechen.
Bini möchte den Pflegedienst haben. Wird einen Großteil unseres Einkommens (= Pflegegeld) fressen. “Nach 2-3 Wochen gewöhnen sich die Kinder daran, dass Nachts jemand anderes für sie zuständig ist”.
Ok, 2-3 Wochen nächtliches “Mama” und “Papa” rufen ignorieren. Kein Problem.*IRONIE*
Do, 25.07.24
Anouk schafft es keine 10 Minuten ohne Sauerstoff. Sie hat extrem wasser eingelagert.
Heute war die Besprechung/ Aufklärung für die Biopsie. Eigentlich nur das Gespräch über wie man was wann macht.
Aber da es ihr so schlecht geht, wird sie gleich auf der Kips einkassiert. Es eilt und daher bekommt sie schon morgen die Biopsie. Trotz IV Meropenem ist Anouks Crp von 2 auf 4 gestiegen. Alles scheiße.
Adenovirus Nachweis. Jetzt wissen sie nicht ob sie es trotzdem morgen wagen sollen.
Fr, 26.07.24
Weil man nicht weiß in welcher Phase der Infektion mit dem Adenovirus steckt, möchten Sie die Biopsie noch nicht machen und den Verlauf abwarten.
Jetzt wird wieder bilanziert. Sie hat so extrem eingelagert, dass sie aus ihrem linken auge kaum rausschauen kann. Es geht ihr soweit aber “gut”, solange sie an Maske und Sauerstoff bleibt.
Sie muss aber auf jeden fall hier bleiben.
Di, 30.07.24
Biopsie wird frühestens mitte/ Ende der Woche erfolgen. Anouk muss den Adenovirus weitestgehend überstanden haben. Also weiter Geduld haben.
Heute hat Bini Geburtstag, daher tauschen wir wieder. Ich hab überhaupt keine Lust auf den Knast aber hilft sich ja nichts..
Mi, 31.07.24
Adenovirus war nicht im Blut nachweisbar. Deswegen (und weil Anouk recht fit ist ) wird die Biopsie morgen um 14 Uhr unter laufendem CT gemacht. Zusätzlich wird eine KMP und eine LP gemacht um unsere Krebsangst hoffentlich fürs erste zu lindern. Sie gehen nicht davon aus etwas zu finden.
Anouk atmet in den wenigen Maskenpausen (ab heute max. 30 Minuten nach Inhalation) deutlich entspannter, allerdings schafft sie noch nicht ausreichend zu sättigen.
Morgen gibts noch TK und die Biopsie wird auch unter laufendem TK gemacht um die Blutung möglichst gering zu halten.
Freitag hat man wahrscheinlich schon die Zellzahl von der LP und die erste Multiplex PCR von der BAL (dem Zeugs was aus der Lungenwäsche rausgesaugt wird) auf die gängigsten Infektionen getestet.
Alles weitere tröpfelt so ab Mitte nächster Woche rein.
Ich hoffe so sehr, dass sie eine Erklärung für Anouks Atemprobleme finden, die einfach behoben werden kann. Und: dass die Intubationszeit möglichst gering ist.
Ansonsten kämpfen wir mit nächtlichem Spucken. Leider kann die nächtliche Mahlzeit um 2 Uhr morgens nicht ausgelassen werden, weil ihr Blutzucker so schnell abrauscht.
Do, 01.08.24
Warten und am Ende klappt es nicht. Sie können gar nicht einen genauen Grund sagen. Da so viele gewerke beteiligt sind, hat es heute wohl logistisch nicht hingehauen. Da aber nur prof. R. die Biopsie machen kann/soll und der aber ab heute Nachmittag wegfährt kann die Biopsie erst frühestens nächste Woche Donnerstag stattfinden, wenn er wieder da ist. Es ist einfach nur scheiße.
Fr, 02.08.24
Anouk spuckt jede Nacht gegen 4 Uhr morgens und ist dann wach. Immerhin hab ich so erfahren, was der tats7ächliche Grund für die Absage der Biopsie war: Uhrzeit war klar mit den Anästhesisten abgesprochen, aber dann haben sie sich wohl aufgeregt, dass Anouk nicht nüchtern war und hatten gesagt, dass das wohl anders besprochen war. Kommunikation…
Ich bin froh um den nächtlichen Dienstarzt. Der schützt nicht ständig seine eigenen Reihen und hat auch das Versagen in der Diagnostik von Anouks Krebs als "unverzeihlich" betitelt. Sympathisch. Leider nur ein kleines Assistenzarztlicht in der großen Klinikhierarchie.
Fr, 09.08.2024
Bini und ich haben gestern wieder getauscht. Heute steht die Biopsie an. Ich habe jedes Gewerk noch einmal einzeln daran erinnert, dass Anouks Liquor bzw. Knochenmark vor 16 Uhr ins Labor muss. Später bedeutet, dass die Proben nicht mehr verarbeitet werden können. Ich wollte daher mal wieder wissen, ob wir früher drankommen. Überaschung: keiner fühlt sich für die Planung der Biopsie so richtig verantwortlich. Prof. A. meinte er ist bei der Planung komplett raus. Die Ärzte hier sagen, dass am ehesten die Radiologie einen Plan für die Belegung des CT hat. Der Radiologe meint, die Anästhesie hätte das Sagen. Und die Anästhesie meint, das würde der behandelnde Arzt festlegen. Nunja.
Ich hoffe das beste.
Anouk wurde wieder schlecht von der letzten Sondierung. Sie hat glücklicherweise ohne spucken die Kurve gekratzt. Dafür brauchte sie eine Maskenpause. Nach 2h kommt der Pfleger und meint, dass Anouk bitte wieder die Maske anziehen soll. Kaum hatte ich das gegen größten Protest geschafft, hat die Atemmaschine gestreikt. Was für ne Nacht.
Ich bin nach wie vor so froh, dass Anouk das Einzelzimmer hat. Wir haben deutlich mehr Ruhe, auch wenn man leider immer noch zuviel mitbekommt; der Tod eines kleinen babies. Oder der drogenabhängige Teenie, der immer wieder schrei-attacken durchlebt.
Sind startklar und warten auf den Abruf um nach unten ins CT zu fahren. Gegen 10 uhr soll sie drankommen. Also jetzt.
Maus hat die Fahrt durchs Krankenhaus verschlafen. Beim Umlagern ist sie aufgewacht und es tat mir in der seele weh sie quieken zu hören. Sie war dann auch ganz angespannt, hat meine daumen festgehalten und den kopf geschüttelt. “keine Angst” sagt sie. Erst CT, dann Beurteilung CT, dann LP und KMP, dann Bronchioskopie und Lavage und zuletzt Biopsie. Wahrscheinlich Cryobiopsie, aber vllt reicht auch das, was man mit der zange so abknipsen kann.
Je nachdem wie die Narkose verläuft versuchen sie Anouk auch zu extubieren.
Dauer mind. 2 Stunden.
Ich versuche ein Buch zu lesen und zu frühstücken.
Geschafft. Maus liegt intubiert wieder in ihrem Zimmer. Sie wollen sie möglichst schnell extubieren evtl heute noch oder morgen. Kommt drauf an, wie sie es jetzt weiter macht.
In der Bronchioskopie hat man wieder nichts gesehen. Da Anouks linker Lungenflügel oben am meisten betroffen ist, haben sie dort 4 Chryobiopsate entnommen. Es hat wohl ordentlich geblutet, aber es hat von alleine aufgehört und man brauchte bis aufs Absaugen keine weiteren Maßnahmen. Also wohl keine brenzlige Situation. Soll mich nur drauf einstellen, dass auch ihr abgesaugter Schleim blutig ist.
Die ersten Erregertests von der Lavage kommen heute, aber man erwartet da eigentlich nichts.
Biopsieergebnisse frühestens Mitte nächster Woche.
Von LP und KMP hab ich noch keine Rückmeldung.
Sie fangen heute wieder eine hochdosiscortisontherapie an. Hat zwar damals nix geholfen, aber “Kortison ist zu wichtig, als dass wir es bei einem Versuch belassen können”.
Laut Prof. R. haben wir sonst eh keine großen Behandlungsoptionen. Motivierend.
Abwarten. Tee trinken.
Das gute ist: wir konnten Mausi endlich mal messen. 91 cm. Meine Babymaus ist ganz schön lang geworden.
Anouk lässt sich nicht so gut beatmen. Daher vertiefen sie die sedierung und legen ihr nen blasenkatheter. Heute wirds definitiv nichts mit Extubation.
10.08.24
Auch heute keine Extubation. Sie braucht noch zu hohe drücke und auf Teufel-komm-raus will man es dann auch nicht versuchen. Anouk wacht immer mal wieder auf und atmet gegen die Maschine. Maus kämpft sogar unter Propofol.
Sie hat auch nochmal deutlich mehr eingelagert. Daher bekommt sie wieder lasix dauertropf und vllt kann sie dann auch besser atmen.
Aber das gute: Liquor ist ohne Zellen und der Knochenmarkausstrich sah auch nicht auffällig aus. Das Ergebnis vom FACS müsste dann im Laufe des Tages kommen.
Die PCRs von der Lavage waren (wie zu erwarten) negativ. Also keinerlei hinweis auf einen Infekt.
Man erhofft sich viel von der Biopsie.
Ich auch. Und ich bete, dass das Kortison anschlägt. Tendenziell ist ihre Lungensituation (neben den Infekten) eher schlechter als besser geworden. Die CTs sind zwar unverändert, aber Anouk hat immer mehr das Problem das CO2 abgeatmet zu bekommen.
So, 11.08.24
Anouks Gesicht und vor allem ihre Augen sind immer weiter angeschwollen. Zum einen durch die ganzen Infusionen, aber auch durch die intensive Druckbeatmung und das Hochdosiskortison lagert sie trotz Lasix weiter ein.
Generell ist Anouk viel "wacher" als in den letzten Komazuständen. Sie öffnet immer wieder die Augen, bewegt phasenweise Arme, Beine und hat sogar den Mund zum Zähneputzen aufgemacht. Sobald die Schwester ihr ein in Wasser getränktes Schwämmchen gegeben hat, hat sie sofort dran genuckelt. Es ist verrückt das zu sehen.
Einmal hat sie das Gesicht wie beim weinen verzogen. Ich hätte am liebsten mitgeweint.
Theoretisch hätte ich jetzt alle Zeit der Welt. In Anouks Versorgung bin ich komplett raus und könnte den ganzen Tag in München verbummeln.
Kann ich aber nicht. Die Pausen außerhalb Anouks Zimmer fühlen sich falsch an. Wenn ich wiederkomme und sie im Bett so aufgebahrt mit all den Schläuchen sehe, versetzt es mir einen riesen Stich im Herzen.
Da sie auch so wach ist, frage ich mich noch mehr als sonst, was sie mitbekommt.
Ich soll sie nicht so streicheln, weil der Reiz sie eher aufweckt. Lieber Hand auflegen und ruhig mit ihr sprechen.
Sie fehlt mir so.
Seit dem Hicki kann ich sie nicht mehr richtig an mich drücken. Ich weiß noch, wie ich vor Freude geweint habe, als ich sie damals nach hicki ex endlich wieder knuddeln konnte. Seit der NIV-Beatmung kann ich sie auch nicht mehr umarmen. Das macht immer "Nase aua".
Und jetzt?
Jetzt liegt meine Babymaus mit fixierten Händen (Damit sie sich nicht im halbwachen Zustand den tubus selbst zieht) auf dem Bett. 2 schläuche am Hicki auf der Brust, jeweils ein Schlauch an den Zugängen an Hand und Fuß, 3 Kabel für die Überwachung auf der Brust, eins zur Sättigung am Fuß. Ein Schlauch im Hals, ein Schlauch im Magen und einer in der Blase. Dabei steigt in mir regelmäßig die Wut auf. Das alles ist so unnötig. Das alles hätte mit einem Telefonanruf/ einer Email oder einem "Klar Frau Kneidl, machen sie die Analyse" verhindert werden können.
Ich darf nicht zu viel darüber nachdenken. Die Zeit kann ich nicht zurückdrehen.
Es gibt aber auch positives: ich kann mir Zeit beim duschen lassen. Ich kann auf Toilette wenn ich muss. Ich kann mir was zu essen holen wenn ich hungrig bin. Ich kann schlafen wenn ich müde bin. Es fühlt sich ein wenig wie körperliche Erholung an. Auch wenn es psychische Folter ist, Anouk so zu sehen.
Bini würde jederzeit tauschen. Ich will es aber nicht. Ich will bei ihr sein.
Zur Extubation müssten normalerweise die meisten Beatmungsparameter wieder normal sein. Da können wir lange warten. Daher liegt die Entscheidung über Extubation eher beim Arzt, ob er sich ein solches Manöver zutraut.
Die Schwester meinte, dass sie nicht glaubt, dass Anouk heute extubiert werden kann. Bini kommt daher ohne Jakob zu Besuch und wir wollen etwas Zeit miteinander als Paar verbringen. Essen gehen. Ganz entspannt. Keine Ahnung ob ich das überhaupt kann. Aber ich freue mich auf ein Date mit meinem Mann. Immerhin. Zwischen all dem Dunkel gibt es auch Licht.
Ich bin ja schon so einiges gewohnt aber das war grausam. Anouk wird immer mal wieder wach und ich finde es gut sie nicht gleich mit propofol wieder abzuschießen. Oft hilft es beruhigend auf sie einzureden.
Aber ich finde es durchaus zu spät wenn mein Kind merkt, dass es festgebunden ist und Panik bekommt. Sie hat wie wild um sich gestrampelt und von der Schwester zu hören bekommen "Anouk steiger dich nicht so rein" und "was brauchst du denn?". Anouk wollte was sagen, konnte aber mit dem Schlauch im Mund nicht! Dann wurd sie immer panischer und die Schwester fragt sie: “bekommst du keine Luft?"
Anouk nickt. Wieder Angst und Panik in ihrem Gesicht. Hustenanfall. Weinen. Und ja erst dann wurd sie wieder ins Traumland geschossen.
Genau davor hatte ich damals Angst: Dass sie mitm Schlauch im Mund wach wird, es nicht versteht und logischerweise Panik bekommt. Babymaus, es tut mir so Leid, dass ich dich nicht beschützen konnte.
Wenn das alles hier kein gutes Ende nimmt, dann Gnade ihnen Gott.
Mo, 12.08.24
Anouk hat vom Nachtdienst ein starkes Beruhigungsmittel bekommen und hat daher bis jetzt (3 Uhr) durchgeschlafen. ich bin instinktiv zur richtigen Zeit wach geworden, als babymaus wieder zu strampeln anfing. Die Schwestern bzw. unser Pfleger Hendrik kamen auch gleich angerannt. Propofolabschuss. Aber das hält halt auch nicht lange vor. Mal sehen was die Nacht so bringt.
Heute wollen sie Anouk extubieren. Der Oberarzt hat eine Wachphase mitbekommen und gemeint, dass das schon ordentlich Stress für Anouk ist. Ich hoffe, dass es klappt.
Di, 13.08.24
Extubation war ganz schön anstrengend. Da sie vorher schon wach wurde, durfte ich zusehen, wie sie Angst hatte zu ersticken und musste sie festhalten und versuchen zu beruhigen. Ca. 10 Minuten lang. Daher war ich auch an vorderster Front beim extubieren.
Maus ist immer noch sehr verkatert und nicht so richtig da. Kenne das gar nicht von ihr. Mal sehen was die Ärzte hier sagen. Zumindest wurde die Antibiose abgesetzt, sie darf ihren lästigen Zugang an der Hand wegmachen, lasix wird nur noch per Bolus gegeben und Kalium braucht sie auch nicht mehr. Es ist schön, dass es endlich mal weniger kabel werden. Und der doofe blasenkatheter stört auch nicht mehr.
Sa, 17.08.24
Mittwoch war schon der Vorbefund der Pathologie da. Dieser war allerdings sehr verwirrend, da sie nur von einem Biopsat gesprochen haben (und nicht von allen 4 Proben) und sich sehr schwammig ausgedrückt haben. Daher hat Prof. R. gestern noch einmal nachtelefoniert.
Es ist keine Fibrose. Es ist nichts malignes. Es ist kein Virus, Pilz, Bakterium etc. Keine Gvhd. Keine cryptogen organisierte Pneumonie. Keine Eosinophilen Pneumonie. Man konnte etwas Blut im Gewebe feststellen, allerdings auch nur minimal, als dass es irgendwie Aussagekräftig wäre. Kurzum: laut der Pathologie ist Anouks Lunge unauffällig. Also mehr oder weniger gesund. Sehr verwirrend das ganze. Ich würde mich prinzipiell mal freuen, dass es vor allem keine Fibrose ist, was ja noch die wahrscheinlichste Diagnose gewesen wäre. Andererseits: Hä?!
Die Patho hatte sich ja bislang nicht gerade mit Ruhm bekleckert (ich hatte schon fast vergessen, dass die uns damals bei Anouks Rezidiv mit einer viralen Meningitis nach Hause geschickt hätten, weil sie Lymphopzyten nicht von Krebszellen unterscheiden konnten). Daher traue ich dem Braten noch nicht. Die Proben werden jetzt noch an ein weiteres Patho-Institut geschickt, welche wohl Spezialisten im Gebiet von Lungenkrankheiten sind. Dennoch kurzzeitige Entwarnung und gleichzeitig die Frage: Was nun?
Der Kortisonstoß hat vllt minimal was gebracht, aber nicht signifikant, sodass die kortisontherapie erstmal wieder auf Eis gelegt wird. Falls es ihr wieder schlechter gehen sollte, wäre das dennoch das Mittel der Wahl. Man hat ja leider nicht viel Möglichkeiten.
Das Gilteritinib zur Krebsprophylaxe könnte eventuell auch mit den Atemproblemen zusammenhängen, daher bleibt das Medikament weiterhin abgesetzt. Nichts weiß man genaues.
Heute gibt es noch mal Immunglobuline für Anouk zum Schutz vor Ansteckungen. Dann wird Mausi entlassen und wir dürfen engmaschig in der LAF Ambulanz vorbeischauen. Mit Glück stabilisiert sie sich und wir können sie ganz ganz langsam von der Maske tagsüber entwöhnen. Nachts wird uns die NIV wohl noch lange begleiten. Mit Pech lässt der entzündungshemmende Effekt vom Kortison nach und es wird ihr wieder schlechter gehen. So oder so: vorerst muss der Kindergarten noch warten. Weiterhin große Vorsicht vor möglichen Ansteckungen.
Weiterhin Geduld und Perspektivlosigkeit.
Normalität scheint noch mehr in weite Ferne gerückt zu sein.
Gestern hat sich auch ein weiterer Pflegedienst vorgestellt. Ein relativ emotionsloses Abklappern von medizinisch-organisatorischen Fragen. 4 bis 5 Pfleger die abwechselnd die Nächte in unserem Haus verbringen. Ich merke, dass ich das alles nicht will. Durchschlafen hab ich eh komplett verlernt. Dann kann ich Anouk ja auch weiterhin Nachts pflegen. Ich sehe noch nicht den Punkt der Entlastung. In Moment belastet mich das Pflegedienstthema eher. Aber weil das alles so lange Vorlaufzeit braucht, wird mir von allen Ecken und Enden gesagt, dass ich es doch probieren soll.
Ich freue mich, dass wir vorerst alle 4 wieder zusammen sein können. Gleichzeitig weiß ich, dass es nur eine Frage der Zeit ist bis Anouk wieder auf der KIPs landet.
Mausi durfte gestern auch endlich wieder an die frische Luft. Sie findet es so toll und gleichzeitig merkt man, wie extrem schwach sie ist. Schaukeln war ihr schon zu viel.
Crp und nierenwerte wieder gestiegen. Maus muss noch mind. ne Nacht zur Beobachtung bleiben. Anouk ist total frustriert, will raus, ruft nach Mama. Nebenbei ist Jakob frustriert weil unsere Nachbarn in Urlaub fahren und er “alleine” zurückbleibt.
Weil ich gestern so übereifrig war und schon den ersten Schwung ladung Heimgenommen habe, hat Bini jetzt auch keine Wäsche mehr und Anouk noch weniger Ablenkungsmaterial. Aber sie hat eh beschlossen alles doof zu finden und will immer “anders spielen”.
So, 18.08.24
Mausi durfte heute heim. Muss dafür morgen wieder zur Kontrolle. Die Werte sind gleich geblieben. Weder verbessert noch verschlechtert.
Wir haben einen ziemlich getakteten Zeitplan, weil wir die Nahrungs/Medikamenten/Inhalationszeiten vom Krankenhaus übernehmen. “Sie müssen ihr nicht unbedingt um 4 Uhr morgens das L-Throxin geben. Reicht auch halb 6…”.
Anouk darf auch nur 2x am Tag für je 30 Minuten von der Maske. Wir dürfen die Maskenpausen nur nach Rücksprache erhöhen. Anouk ist keine 8 Stunden daheim und schon reicht es uns wieder.
Mit der Maske ist sie komplett unmobil. Nicht einmal eine kleine Krabbelbewegung nach vorne geht, weil das Teil so stört.
Die kinder sind beide von der neuen Situation zu Hause überfordert.
Beide Kinder wollen, dass ich sie ins Bett bringe. Sind sehr launisch, weinerlich. In diesem Moment liege ich neben Jakob im Bett und hoffe, dass er endlich einschläft. Anouk hat gefühlte Ewigkeiten nach mir geschrien. Jetzt bettelt sie den Papa an: “Papa, bitte Maskenpause. Papa Pause. Papa ab. Maske ab.”
Es tut mir in der Seele weh. Sie muss so viel ertragen. Nachdem die Ärzte uns das so krass eingebläut haben, dass wir die Pausen auf keinen fall selbstständig erhöhen dürfen, traue ich mich noch weniger die Regeln zu brechen. Ich denke mir nur “macht ihr das doch mal mit, wenn ihr schon so tolle Empfehlungen gebt”. Schon allein was die Abdrücke in ihrem Gesicht angeht. Schrecklich.
Anouk steigert sich gerade fürchterlich rein. Dabei ist Bini bei ihr. Wenn sie so schreit und jemand Fremdes dann bei ihr ist…
Nein, ich kann das mit dem pflegedienst einfach nicht. Ich wünschte mir so so sehr, dass Anouk endlich fit genug wird, dass wir den gar nicht mehr brauchen.
Dass sie endlich leben darf. In einem Monat wird sie schon 3. Ach Babymaus. Mein Herz ist so schwer.
Di, 27.08.24
Wir sind immer noch zu Hause. Seit über einer Woche! Anouk muss ca. 2 mal die Woche zur Kontrolle in die Hauner und jedes Mal bete ich, dass sie wieder zurückkommt. Ihr Entzündungswert (CRP) ist wieder von alleine gefallen und dank dem nächtlichen sondieren sind ihre Nierenwerte nicht mehr ganz so katastrophal.
Wir kämpfen nach wie vor mit der weniger werdenen Maskenakzpetanz. Außerdem mit viel Übelkeit/ Spucken durch das Sondieren in Kombi mit der Beatmung, die ihr zu viel Luft in den Magen drückt. Der Druck der Maschine wurde gestern zwar verringert, aber sie spuckt trotzdem. Liegt aber sehr wahrscheinlich auch daran, dass sie jetzt auch noch Magen-Darm hat. Alles sehr kräfteraubend.
Ich hoffe, dass ich bald mal in meinem Bett schlafen darf. Die bisherigen Nächte durfte ich alle bei Anouk verbringen. Ich genieße das kuscheln, aber ich hätte auch echt gerne mal mein Bett wieder und einfach Platz. Wir geben uns viel Mühe die Maskenpausen kurz zu halten. Das Ziel wäre ja für irgendwann, dass Anouk nur noch Nachts die Maske braucht und tagsüber "normal" leben kann. Allerdings schläft sie ohne Maske so so viel besser. Ihr war letztens Nachts schlecht und sie wollte die Maske loswerden: ich hab ihr nur "kurz" eine Maskenpause geben wollen, bin dann aber selbst eingeschlafen. 5 Stunden durfte ich dann ganz entspannt schlafen. Am Stück! Auch meine Maskenakzeptanz ist dadurch sehr gesunken.
Man merkt schon, dass Anouk nach einer Weile angestrengt atmet, aber nicht so, dass ich mir Sorgen machen würde. Leider kann ich die Langzeitfolgen von den langen Maskenpausen nicht abschätzen, daher sind solche Nächte immer mit einem dicken schlechten Gewissen verbunden.
Ab Oktober haben wir dann für ein paar Nächte in der Woche einen Pflegedienst. Dafür bekommen wir kein Pflegegeld mehr. Ich hoffe sehr, dass es sich lohnt bzw hoffe ich ja immer noch, dass wir den dann gar nicht mehr brauchen werden.
Aber es gibt auch gute Sachen zu berichten: Anouk lacht immer öfter und diese Momente geben uns so viel Kraft um weiterzumachen.
Ihr Gewicht (12 kg mittlerweile) ist trotz der Spuckerei stabil.
Die Ärzte sind alle an Anouks Fall dran und ich merke, wie engagiert sie sind. Bei den Terminen sind mittlerweile nur noch die obersten Experten dabei.
Was das weitere Vorgehen angeht, warten wir noch auf das Ergebnis der anderen Pathologie. Und: die eosinophilen Pneumonie ist wieder doch auf dem Radar der Ärzte.
Damals hat man in der ersten Lavage zu viele Eosinophile gefunden. Bei der zweiten Lavage waren es deutlich weniger Eosinophile und auch die LMU Patho hatte ja bei Anouks Biopsie nichts Außergewöhnliches festgestellt. Aber scheinbar ist es jetzt doch wieder denkbar. Fragt mich nicht warum.
Außerdem sollte diese Erkrankung so super auf Kortison ansprechen und wir erinnern uns: so super hat es dann ja nicht wirklich geholfen.
Nunja: Anouk hat eine Stuhlprobe noch abgeben müssen, weil man diese eosinophilen Pneumonie wohl auch darüber erkennen kann. Zusätzlich wurde ihr Blut noch in irgendein Speziallabor geschickt. Irgendwas mit Interferon. Ich bin froh auf etwas konkretes warten zu dürfen und wieder Hoffnung zu bekommen, dass es ein Mittel gegen das, was sie hat, geben könnte. Fall sie diese eosinophilen Pneumonie hat, würde man versuchen mit einer Antikörpertherapie zu starten. Es fühlt sich ein bisschen wie ein Wettlauf gegen die Zeit an. Ein Wettlauf gegen das Ende des Krankengeldes. Ein Wettlauf gegen die Erkältungssaison, die für Anouk aktuell sehr gefährlich wird.
Alles in allem schlagen wir uns weiter durch. An ein "irgendwann haben wir es geschafft" glaube ich nicht mehr. Ehrlicherweise würden wir auch viel zu viel von unserem Leben verpassen, wenn wir darauf warten würden, bis Anouk endlich ganz gesund ist. Das hier ist unser Leben und wir versuchen das Beste daraus zu machen. Wir lachen viel und haben Schöne Momente. Genauso verzweifeln wir gerne mal und verlieren alle Nerven.
Mi, 28.08.24
Wechselbad der Gefühle. Anouk war heute super drauf. Hat gescherzt und gelacht. Bini und ich konnten morgens alleine für eine Stunde Kaffee trinken.
Ich durfte die erste Nacht in meinem Bett verbringen und Anouk hat dank Bini die ganze Nacht und den ganzen! heutigen Tag mit der Maske verbracht. Aber: sie hustet seit einer Woche wieder mehr. Kurz nach der KIPs war sie quasi Hustenfrei. Und jetzt kommt jeden Tag etwas mehr dazu. Vorhin ist das so richtig aufgefallen und hat mich sehr traurig gemacht: Wir hatten die erste Maskenpause. Anouk bekommt einen Hustenanfall (wie damals als alles anfing),Sättigung knallt auf 84 %, sie atmet extrem schnell und hektisch, will nur noch liegen und fragt nach Sauerstoff. Genau wie im April, als es anfing. Das ist so unglaublich frustrierend. Ich dachte, dass Anouk nach dieser Nacht/ Tag an der Maske locker die Pause wegstecken kann.
Ich habe vorhin auch endlich die Befundberichte von CT/ Bronchoskopie bekommen und gleich durchgelesen: Ja, im großen und ganzen keine wesentliche Befundsänderung. Uns wurde gesagt es gäbe gar keine Änderung. Ein kleiner aber feiner Unterschied. Jetzt lese ich, dass die Trübung in dem einen Segment weiter fortgeschritten ist. Morgen ist wieder OTK und ich muss dringend das Thema ansprechen!
Bini nimmt auch gleich seine Tasche mit. Wer weiß ob Anouk wieder bleiben muss.
Wann hört das denn alles auf?!
Do, 29.08.24
Sind wieder zurück. Dass es Anouk wieder schlechter geht passt zeitlich gut mit dem letzten Kortisonstoß zusammen. Das wirkt wohl eine Zeit lang noch nach und ihr Husten hat just zugenommen als die Wirkung vorbei war. Dennoch ist die Wirkung vom Kortison nicht so einschlagend, dass es bei ihrer Grunderkrankung der Lunge helfen würde. Man hat noch einen Rachenabstrich gemacht um einen eventuellen Virusinfekt auszuschließen.
Es waren wohl nach der zweiten Lavage doch noch wenige Eosinophile da. Normalerweise würde man diesen Minimalbefund ignorieren, aber da es das einzige ist, was pathologisch war (Kinder haben normalerweise gar keine eosinophilen) versuchen wir es ab morgen mit einer Antikörpertherapie. Alle 4 Wochen braucht sie dann subkutan eine Spritze. Die Nebenwirkungen sind äußerst gering (evtl Muskel/Gelenkschmerzen) bis gar nicht, sodass es einen Versuch wert ist. Ansonsten haben sie immer noch keine Rückmeldung von der zweiten Patho, aber sie glauben nicht, dass da deutlich etwas anderes rauskommen würde.
Obwohl Prof. R. so viel/so große Biopsiestücke herausgenommen hatte, waren wohl keine Bronchiolen dabei, ergo könnte da eventuell auch noch ein Prozess ablaufen, den man nicht erfasst hat. Als ich wissen wollte, ob die Eosinophilen Pneumonie sich selbst unterhält oder wie ich mir das vorstellen kann, kam die Antwort: "Das weiß man nicht. Man geht davon aus, aber man hat nie einen Prozess gefunden, der das beschreiben würde".
Die Liste des Nicht-wissens wird immer länger und bestärkt mich in dem Glauben an Gott. Es ist doch wirklich ein Wunder, dass wir überhaupt leben.
Falls es Anouk noch schlechter gehen sollte, müssen wir auf jeden Fall wieder auf die KIPs und müssten wieder einen Kortisonstoß geben.
Die Spritze für die Antikörpertherapie geben wir ihr morgen selbst (falls die Apotheke diese geliefert bekommt). Abwarten.
Das Thema der Maskenpause können wir auf Grund ihres Zustandes vertagen.
Anouk hat auch abgenommen, also müssen wir mir dem Spucken weiter leben. Wenn wir die Nahrung reduzieren, wird das Erbrechen zwar besser, aber sie braucht die Kalorien. Die Beatmung, die wohl Hauptgrund fürs Erbrechen ist, kann man schlecht weglassen.
Wir dürften aber noch einen Druckpunkt in der Atemmaschine runterstellen. Hoffe dass das etwas hilft.
Die Frage wegen dem Fortschreitenden Befund im CT habe ich mir gespart. Sie wissen nicht was es ist und können daher auch nicht sagen, warum es so ist wie es ist.
Ich bin froh um ihre Ehrlichkeit und gleichzeitig ist es so frustrierend.
Anouk hat wieder nen Adenovirus…
Di, 03.09.24
Abendbrot alleine. Der esstisch ist schön gedeckt. Ein lauer Spätsommerabend. Morgen startet der Kindergarten. Jakob hatte knapp 3 Wochen Ferien. Oder zumindest Kindergartenfrei. Ferien sind anders.
Ferien fährt man weg. Sei es "nur" für Tagesausflüge. Wir haben versucht das beste draus zu machen. Und dennoch war Jakob die meiste Zeit vor der Flimmerkiste. Er wurde die meiste Zeit mit "geht grad nicht" vertröstet. Weil Anouk wieder gespuckt hat. Weil Anouk Schmerzen beim Husten hat und sie sich nur durch Singen beruhigen lässt. Weil wir noch kurz Medikamente vorbereiten mussten. Oder einfach nur müde waren.
Anouk war heute im LAF. Entzündungswerte leicht gestiegen, Blutgasanalyse schlechter. Mittlerweile wiegt sie wieder nur 11,3 kg.
Anouk ist eigentlich gut drauf, bis auf die elenden Hustenatacken. Zusätzlich spuckt sie mehrfach am Tag. Egal wie viel oder wenig wir sondieren. Unser Kind verhungert trotz PEG.
Morgen startet der Kindergarten. Es wäre auch Anouks Start gewesen. Keiner weiß wann/wie/ob Anouk irgendwann mal Kind sein darf. Ihr grüner Rucksack und ihre pinke Brotzeitdose liegen immer noch versteckt im Schlafzimmer.
Ich muss auch bald Anouks Sachen aus der Krippe abholen. Sachen die ich vor 2 Jahren für mein einjähriges Mäuslein zusammengepackt hatte. Sie wird nie mehr die Krippe besuchen. Zeit kann man einfach nicht zurückdrehen.
Mir bricht es das Herz. Wenn Jakob seinen Rucksack morgen wieder schultert und Anouk wieder nur zusehen darf. Dabei hatte sie sich so darauf gefreut ein " Pingu Pit" zu sein. Mir ist so zum weinen.
Anouk wollte nicht am Esstisch sein. Also hat Bini sie durch die Gegend geschoben. Jakob wollte noch 2 Papierflieger falten und hat darüber die Zeit vergessen. Wer kann es ihm verübeln.
Wir sind keine Familie. Und je mehr Zeit vergeht, desto weiter rückt die Vorstellung in die Ferne eine richtige Familie zu werden. Ich sehe kein Ende. Vllt ein paar schöne Tage. Aber dass wir annähernd ein normales Leben führen können, kann ich mir nicht mal mehr vorstellen. Die kühlen Monate kommen und mit der Erkältungszeit gibt es noch weniger Möglichkeiten die eigenen 4 Wände (oder die vom Krankenhaus) zu verlassen.
Weniger Treffen mit Familie oder Freunden.
Und dann diese Dunkelheit, die mir extrem aufs Gemüt schlägt.
Anouk hat grad wieder gespuckt.
Wann hört das alles auf? Beten und hoffen und sich daran erfreuen, dass es Anouk nach dem Spucken wieder besser geht und mit ihrer Nachtlichtlampe "Enti" Gespräche führt.
Fr, 06.09.24
Anouks Crp ist gottseidank von alleine gesunken. Sie hat aber nach wie vor extreme Hustenatacken und Erbrechen. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag sogar wieder mit viel Nasenbluten. Blut beim husten, blut beim spucken. Nicht schön und hat mich extrem getriggert.
Weil ihre Blutwerte aber im Rahmen zu sein schienen, durfte sie nach der OTK wieder heim.
Ich hatte gelesen, dass es Sondennahrung gibt, die leichter verdaulich ist. Wird eigentlich für Kinder verwendet, die einen zu kurzen Darm haben. Aber einen Versuch ist es wert.
Anouk ist eigentlich rund um die Uhr an der Maske, akzeptiert es aber. Und auch ich gewöhne mich langsam an die Blicke meiner Mitmenschen, wenn ich mit Anouk am Atemgerät raus gehe.
Die andere Pathologie hat sich inzwischen auch gemeldet: unterm Strich ist der Befund genauso gut bzw nichtssagend wie der von der LMU. Wenigstens haben sie ein paar Alveolen in ihrem Biopsat gefunden, sodass man Entzündungen auch auf dieser Ebene ausschließen kann. Natürlich kann es sein, dass falsch biopsiert wurde und nur gesundes Lungengewebe von Anouk rausgeschnitten wurde. Schließlich kann man ja nur die Veränderungen im CT und nicht mit bloßem Auge erkennen. Kann mir das zwar schlecht vorstellen, weil die Ärzte ja genau deswegen direkt vor der OP ein CT gemacht haben um die genauere Region zu lokalisieren. Außerdem haben ja auch mehrere und nicht gerade kleine Biopsate entnommen.
Nunja. Weiterhin Geduld. Es geht Anouk zu "gut" als, dass es eine Indikation für einen weiteren Kortisonstoß gäbe. Bin darüber sehr froh, weil jede Kortisongabe wieder ein dicker Dämpfer für Anouks Immunzellen sind. Ich hoffe so sehr, dass sich dahingehend endlich was tut. Dass sich Anouks eigene Abwehr bzw die des Spenders entwickelt und sie nicht ständig Immunglobuline braucht. Ich wünsche mir, dass sie Kontakt zu ihrer Kindergartengruppe haben kann. Auch wenn sie dann da Begleitung braucht und nur stundenweise gehen könnte. Es wäre ein Stück wichtige Normalität. Sie redet immer wieder vom Kindergarten. Wie stolz sie war, als ich ihr ihre roten Kindergartenschuhe überreicht habe.
Anouks Sachen habe ich am Mittwoch aus der Krippe abgeholt. Ich weiß nicht, wieso ich bei anderen Menschen immer so nüchtern und abgeklärt rede.
Kaum war ich alleine im Auto sind die Tränen nur so gelaufen. Ihre kleinen Babysachen. Die Fotos. Anouks Protfolio mit den Fotos der Eingewöhnung. Mein gesundes Baby. Was seitdem alles passiert ist, ist unbegreiflich.
Jakob war zwei Tage im Kindergarten. Am dritten musste er schon daheimbleiben, weil er gespuckt hat. Aber es waren zwei deutlich entspanntere Tage als sonst und hat uns etwas Luft zum atmen gegeben.
Fr, 13.09.24
Ein stetes auf und ab. Ich halte mich immer noch an den Bildern fest, als Anouk letzten Samstag in der Maskenpause auf dem Volksfest Karussell gefahren ist und so viel Spaß hatte.
Anouks Hustenatacken werden nicht besser. Essen und trinken geht weiterhin ausschließlich über die PEG. Die neue Sondennahrung hilft wenigstens etwas: sie verdaut schneller und kann öfter sondiert werden. Pro Mahlzeit schafft sie dennoch nicht mehr als 100 ml. Im Prinzip sind wir bei der Dauersondierung angelangt.
Jakob war seit Montag wegen einer Bindehautentzündung daheim und konnte wenigstens heute wieder in den Kindergarten. Dafür plagt ihn jetzt ein Gerstenkorn am Auge.
Die letzten Tage waren nur von handy/tablet/ Fernseher/ Nintendo geprägt. Es macht mich so traurig, aber ich habe keine Kraft mehr permanent zu spielen. Oder irgendwelche Regeln aufzustellen und sie gegen größten Protest durchzusetzen. Hauptsache die kinder sind ruhig und zufrieden. Sie werden sprichwörtlich vor den neuen Medien geparkt. Etwas das ich nie wollte. Aber so ist es.
Ich fühle mich auch ziemlich angeschlagen und hoffe, dass ich noch die Kurve kratze. Als Mama von kleinen Kindern darf man nicht krank werden. Und als Mama von einem pflegebedürftigen kranken kind erst recht nicht.
Sonntag wird Anouk 3 Jahre alt. Ich würde diesen Tag am liebsten überspringen. Noch dazu bin ich es Leid, ständig drauf achten zu müssen ob/ wieviele Leute zu Besuch dürfen.
Nachher geht's wieder zum Arzt für die nächste krankmeldung. Ende des Jahres läuft zumindest Binis Krankengeld aus und auch das bereitet mir große bauchschmerzen.
Alles in allem ein Tag wie jeder andere nur heute mit mehr Frust und weniger Energie.
Mo, 16.09.24
Gestern war ein sehr aufwühlender Tag und ich bin ehrlich gesagt froh, dass er vorbei ist.
Anouk war an ihrem Geburtstag leider nicht so gut drauf. Ihr war ständig übel (trotz wenig Mageninhalt /Sondennahrung) und hatte wieder mehr Hustenanfälle. Tolle Geschenke, Ausflug zum großen Spielplatz, Conni-Deko, ihr geliebter Käsekuchen...all das hat nicht für strahlende Kinderaugen Sorgen können. Wir konnten ihr maximal ein lächeln abringen.
Wie sehr wünschte ich mir, dass sie gesund wäre. Oder zumindest, dass wir ihr helfen könnten. Bei jedem Hustenanfall überlege ich, ob das vllt doch vom sondieren kommt. Vllt ist ihre Magenschleimhaut durch das ganze Gespucke und das viele Abziehen von Luft/Nahrung gereizt? Oder geht es ihrer Lunge schlechter?
Ich tue mich auch immer schwerer etwas aus der PEG abzuziehen. Ist da vllt irgendwas verrutscht/verwachsen? Andererseits gehn die Medikamente ohne Probleme rein.
Wir hatten einen Tag vorverdautes und hochkalorischen essen ausprobiert, aber das hatte für noch weniger Essen/Flüssigkeit und mehr Übelkeit gesorgt. Anouk hat sicher wieder abgenommen.
Nachts sagt sie wieder öfter "Maske ab". Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich es ihr erlaube. Ohne Maske können wir kuscheln. Bini findet das gar nicht gut. Somit fühle ich mich dann jedesmal doppelt schuldig, wenn ich sie abmache. Sie atmet phasenweise angestrengter aber beruhigt sich dann auch wieder. Wie gesagt, ohne den Effekt richtig beurteilen zu können tue ich mich schwer die ständig zu etwas zu zwingen. Fakt ist, dass es ihr insgesamt besser geht, wenn sie den ganzen Tag ohne Pause an der Maske ist. Aber wo soll das hinführen? Sie kann doch so nicht leben? Sie versucht gar nicht mehr zu krabbeln/laufen. Stört eh ständig ein Schlauch.
Wegen dem Dauersondieren ist auch ständig der Rucksack mit der Pumpe dabei.
Es ist allein ein riesen Akt mit ihr auf die Schaukel in unserem Garten zu gehen.
Jakob war gestern ständig beleidigt und sauer und eifersüchtig. Auch da frage ich mich immer: liegt es an unserer Erziehung? Liegt es an der gesamten Situation? Oder sind 5 jährige einfach so launisch/missgünstig und gemein? Wackelzahnpubertät und so?
Es tut mir sehr weh zu sehen, wenn er sich verweigert ihr nicht mal zum Geburtstag zu gratulieren.
Das gute ist, dass ich gestern das Gefühl hatte von meinem Papa/Bruder/Schwägerin richtig verstanden zu werden. Es ist doch etwas anderes, wenn man von unserer Situation erzählt als wenn man sie live miterlebt.
Ich sitze gerade noch im Auto vor dem Kindergarten und versuche wach zu werden. Zu wenig Schlaf. Am Ende auf dem Boden, weil Anouk lieber dort schlafen wollte, als im Bett.
Trotz totalem verschlafen war Jakob nur geringfügig zu spät im Kindergarten. Am Gruppenraum von Anouk vorbeigehend, schießen mir tausende Fragen im Kopf. Die drängenste: wie soll das alles nur weitergehen?!
Mo, 23.09.24
Anouk hatte so oft erbrochen, dass ich die Reißleine gezogen habe und ihr nur Tee und haferbrei sondiert habe. Siehe da: es ging ihr auf einmal besser.
Ich verstehe nicht, warum die Ärzte so etwas nicht vorschlagen. Stattdessen wird die Frage in den Raum gestellt ob man ihr noch ne Sonde in den Darm legt. Ja, Anouk hat wieder abgenommen. Aber sie war sichtlich glücklicher ohne mehrfach tägliches erbrechen. Ja, sie wiegt wieder zu wenig. Stand heute 11,1 kg. Seitdem ich das weiß, versuche ich so viel olivenöl und nussmus in ihren brei zu rühren und siehe da. Bauchweh und Erbrechen sind wieder da. Es ist zum verzweifeln: Hipp Sondennahrung, Nutrini, Nutrini Energy, Nutrini Peptisorb, Peptamen Kids... Alles nicht vertragen. Und jetzt wird selber gepanscht um irgendwie herauszufinden, was sie verträgt bzw. nicht verträgt.
Heute Nacht bekommt sie statt Wasser halb sondennahrung und halb Wasser. Ich hoffe, dass sie trotzdem gut schläft und nicht spuckt.
Die Nachsorge vom Kinderhospiz vermittelt uns an eine Ärztin, die sich sehr gut mit sondierung auskennt. Die die meisten Kinder von der Sonde entwöhnt und wieder zum essen bringt. Frau V.lée findet das nicht gut.
Anouk muss dicker werden, erst dann kann man über Entwöhnung nachdenken. Aber wie sie dicker werden soll, weiß sie auch nicht.
Anouk trägt immer seltener Maske. Nicht weil sie es "kann", sondern weil sie es nicht will. Es ist verrückt wie unterschiedlich die Ärzte das auffassen. Die kinderpneumologin, die erst meinte, wir sollten ganz langsam machen, war auf einmal begeistert, dass Anouk so viele Pausen schafft und verbucht es als Behandlungserfolg.
Dabei hat sich einfach nichts an ihrer Lunge verändert. Sie atmet genauso schnell mit Maske als auch Ohne. Sie hat immer noch diese fiesen Hustenanfälle. Heute ist mir sogar aufgefallen, dass die Einziehungen am Schlüsselbein sowohl mit als auch ohne Maske da sind. Der einzige Unterschied ist der, dass ich Anouk nicht mehr zur Maske zwinge.
Ich frage, wie die anderen Kinder im Alltag klarkommen, die tagsüber die NIV brauchen. Antwort: "Die, die es tagsüber bräuchten sind meist eh intubiert. Eigentlich kennen wir so einen Fall wie bei Anouk gar nicht." Prima.
Ich habe einen Kinderpneumologen in Starnberg ausgemacht, der dankenswerter weise mit einem Professor der TU über Anouks Fall drüberschauen wird. Ich hoffe, dass das mehr Erkenntnis bringt.
Es ist alles sehr zermürmbend.
Wenigstens sind wir immer noch daheim. Fast 4 Wochen! So lange waren wir das ganze Jahr 2024 nicht zu Hause.
Und: es war die erste Woche, in der wir nur einmal zur OTK mussten, statt zweimal.
Kleine "Erfolge".
Sa, 28.09.24
Kurze Zusammenfassung der Erkenntnisse der letzten Tage:
1) Anouk hustet mehr.
2) Anouk hat zwischen den Hustenanfällen ohne Dauersondierung und ohne Maske (also ohne nervige Gerätschaften/ Verkabelungen) deutlich mehr Spaß am Leben und versucht teilweise wieder zu krabbeln.
3) Anouk hat ohne Sondennahrung kaum Übelkeit/ Erbrechen und hat wieder mehr Interesse am Essen und hat sogar wieder ein paar bissen gegessen.
4) Anouk nimmt immer mehr ab und hat weniger Energie.
5) Anouks Magenkapazität fasst max. ca. 100 mL, egal welche Substanz. Alles darüber kommt wieder Retour.
5) lauter Verzweifelte Versuche ihr mehr Kalorien zuzuführen in Form von aufgewerten Nahrungsmitteln (Zuckerwasser, Fettemulsionen, überall Nussmuss/ Öl untermischen) und häufigeren Sondieren werden mit Erbrechen quittiert.
Ich habe also die Wahl zwischen einem glücklichen, sich weiterentwickelnden aber immer schwächer werdenen Mäuslein oder einem unglücklichen, dauerspuckenden ans Bett/Buggy gefesselten Mäuslein.
Ich bin ratlos.
So richtig sich mein Weg anfühlt...er geht leider auch nicht. Ich kann Anouk beim Abnehmen förmlich zusehen.
Gestern gab es die zweite Injektion vom Antikörper Dupilumab. Ob es wirkt? Keine Ahnung.
Mein Gefühl sagt mir, dass die Lunge aus 2 Baustellen besteht. Einmal die unklare Veränderung im CT mit der daraus resultierenden schnellen/flachen Atmung und hohen Herzfrequenz.
Und das andere sind die Anfallsartigen Hustenatacken. Ich glaube mittlerweile, dass diese zwei Probleme nicht unmittelbar miteinander im Zusammenhang stehen. Der Kortisonstoß hat an der Grundsituation der Lunge und dem schnellen Atmen nichts verändert. Dafür aber den Husten wirksam bekämpft. Pünktlich 2 Wochen nach Kortisonstoß und nachlassen der Wirkung begann der Husten. Er wird von Tag zu Tag zusehens mehr. Anouk inhaliert zwar 2mal täglich Kortison, aber das scheint nicht zu reichen.
Bekommt sie aber wieder Kortison in höherer Dosierung oral/iv bleibt ihr Immunstatus kritisch.
Es ist zum verzweifeln.
Sa,05.10.24
Seit Dienstag bekommt Anouk neue/alte Sondennahrung. Bisher haben wir Energea P nur als Kalorienanreicherung zu ihrer üblichen Sondennahrung gegeben. Jetzt aber mischen wir Energea P mit Wasser, wie es uns die Ernährungsberaterin der Hauner empfohlen hat. Anouk hat auf Anhieb 200mL geschafft. Das Zeug hat zwar nur halb so viel Kalorien aber wenigstens liefen ein paar Tage echt gut. Keine Übelkeit, kein Spucken und das Gefühl, dass Anouk langsam wieder zunimmt bzw nicht noch weiter abnimmt. 10,7 kg war der letzte stand.
Es waren schöne hoffnungsvolle Tage. Bis gestern. Seitdem spuckt sie wieder, klagt über Bauchweh und hängt total in den Seilen. Keine Ahnung warum. Ich lag heute die meiste Zeit des Tages nur neben ihr, Sauerstoffmaske vorgehalten, gestreichelt und gesungen. Sie stöhnt wieder wie zu KIPs Zeiten. Wieder mehr Sorgen. Wieder mehr Angst vor der Zukunft. Wieder mehr Angst um Anouk. Mein Sorgentank ist überfüllt. Es reicht wirklich!
Dienstag ist wieder Kontrolle in der Hauner. Wenigstens ist Prof. A. wieder aus dem Urlaub zurück. Das merkt man sofort. Es geht wieder etwas voran: Dienstag soll Anouk Kontrastmittel über die PEG bekommen und dann wird via Röntgenbilder geschaut, ob Anouk Reflux hat (was ja auch Husten und Erbrechen auslösen kann). Zudem wird so untersucht wie lange die Nahrung in ihrem Magen bleibt.
Endlich wird auch zumindest darüber diskutiert, ob man mal via Blutprobe Allergene bzw Antikörper ausfindig machen kann. Wir hatten das Thema Allergie und Asthma schon mehrfach bei den Ärzten angesprochen, aber jetzt scheinen sie doch mal zugehört zu haben. Ich hoffe so sehr, dass uns die Untersuchung am Dienstag weiterhilft.
Es ist nicht alles schwarz und es gibt auch schöne Momente und Gefühle. Z.B. Der Stolz auf Jakob, der über sich selbst hinausgewachsen ist und jetzt zum Fußballtraining geht. Oder sich traut alleine bei einem Schwimmkurs mitzumachen. Oder die Freude über einen kuschligen Pyjama. Eine liebevolle Umarmung einer Freundin. Das Verliebtheitsgefühl wenn man ein neues Instrument lernen darf. Oder einem die Lösung eines fast schon Jahrzehnte alten Problems in den Schoß fällt.
Der Moment, wenn ich mit beiden Kindern gleichzeitig kuscheln kann. Oder die Erinnerung an unsere Hochzeit. Ich bin froh, dass ich das noch spüren darf.
Di, 08.10.24
Heute musste Anouk den Schlucktest machen. Bini war mit ihr im Krankenhaus. Die Ärztin/ Schwester die den Test durchgeführt hat, hat bereits nach den ersten Aufnahmen schon gesehen, dass Anouk einen ausgeprägten Speiseröhrenreflux und wohl eine deutlich verlangsamte Nahrungs-Passage durch den Magen hat. Weitere Röntgenbilder wurden im Verlauf noch angefertigt. Als mich Bini anrief um mir das zu erzählen freute ich mich riesig, denn:
1) Es gibt ein Problem, das man kennt und lösbar ist (ein absolutes Novum in Anouks krankengeschichte)
2) Das erklärt auf jeden Fall Anouks starke Übelkeit/ Erbrechen und dass sie nicht zunehmen kann. Und es wäre eine durchaus logische Erklärung für Anouks Hustenatacken.
Sowohl das Brechen als auch die Hustenatacken, sind die Dinge die Anouk akut am meisten plagen und man könnte dagegen Medizin geben. Das akute Leiden hätte für meine Babymaus ein Ende.
3) Weil die Kortisonstöße auf der Kips nicht die zu erwartende Wirkung auf ihre Lunge hatten, es aber ihren Husten verbessert hat, stand wieder die Überlegung einer Kortisonbehandlung im Raum. Das allerdings würde ihrem eh schwachem Immunsystem wieder einen Dämpfer verpassen, sodass ein "normaler" Kindergartenbesuch in die Ferne rücken würde. Wäre der Reflux die Ursache, könnte man das Thema ad acta legen. Ihr Immunsystem könnte sich erholen und wir ein gutes Stück Richtung Normalität gehen.
Die kurzatmigkeit und die unveränderten Milchglastrübungen im CT sind eh längerfristige Baustellen, die auch einfach sehr viel Geduld erfordern.
Ein weiteres Gespräch gab es mit den Ärzten nicht. Es folgte ein "klassischer" OTK Termin: Wiegen (10,6 kg, also nochmal abgenommen), Blutdruck, Sättigung, Blutgas, etc. Nur die Assistenzärztin war anwesend. Sie meinte dann, dass man die Ergebnisse mit den Gastroenterologen durchsprechen müsste, "Wie man das jetzt mit der Dünndarmsonde handhaben würde" und dass wir am besten nächste Woche die Aufklärung dafür bekommen. Wäre nur ne kurze Narkose, dann könnte man an die PEG einen weiteren Schlauch anbringen und in den Dünndarm leiten. Dann könnte Anouk gar nicht mehr brechen. Dafür müsste sie aber dann dauersondiert werden, weil der Dünndarm gar nicht so viel Volumen schafft. Ergo, wieder ständig mit den Schläuchen/ Rucksack unterwegs sein. Im Aktionsradius stark eingeschränkt sein.
Bini erzählt mir das.
Ich bin sauer. Kein Rezept um Anouk zu helfen. Ergo keine Medizin. Lieber eine weitere Baustelle mit der Dünndarmsonde aufmachen ohne die eigentliche und jetzt sogar bekannte Ursache ihres Erbrechens/Gewichtsabnahme anzugehen? Ich bin wütend. Fassungslos. Wie sehr lässt man meine Maus schon leiden? Wie oft hatten wir den Ärzten gesagt, dass sich Anouks Magen so langsam leert? Dadurch, dass wir via peg den Mageninhalt mit einer Spritze abziehen können, ist es uns bereits vor fast 2 Monaten bewusst geworden, dass da was nicht stimmt. Wir haben das mehrfach angesprochen, aber es wurde nicht weiter beachtet. Reflux haben wir ebenfalls oft angesprochen. Da aber Herr A. im Urlaub war, hat man die letzten 3-4 Wochen ins Land ziehen lassen ohne irgendetwas zu tun. Bini ist sauer, dass ich so sauer auf die Ärzte bin und ich bin sauer, dass er nicht sauer ist.(welch ein Satz).
Weil ich nicht (schon wieder) wie eine Furie im LAF anrufen wollte, hat Bini das übernommen. Als er endlich jemanden an der Strippe hatte, hieß es, sie (= die Assistenzärztin) wäre heute allein für die Ambulanz und die Station heute zuständig. Daher gibt es heute keine Besprechung. Keine Entscheidung. Kein Medikament.
Wut, Unverständnis, Traurigkeit.
Di, 15.10.24
Heute war wieder OTK. Da heute unser Pflegedienst im Dienst war, hat sie Bini und Anouk begleitet.
Heute war auch der Gastroenterologe da und hat Bini gezeigt, dass Anouk einen zu flachen Winkel zwischen Speiseröhre und Magen hat. Daher Reflux. Die Entleerung ist wie bereits erzählt auch zu langsam.
Es ging über die Dünndarmsonde. Dass sie dadurch mehr zunehmen kann.
Das Problem verwächst sich vllt. Erst auf Nachfrage, dass es doch Medikamente gibt, meinte der Arzt, "ja das könnte man mal probieren". Er verschreibt Erythromycin. Das Medikament hatten wir vorgeschlagen. Nicht er. Er legt uns nur die Dünndarmsonde ans Herz.
Dass das Problem damit nicht behoben wird scheint nicht relevant zu sein. Sie hätte dann ja immer noch diese fiesen Hustenanfälle (wenn sie durch den Reflux wirklich bedingt sind) und sie würde immer noch schlecht verdauen. Im Prinzip wurde nur ein Problem mehr geschaffen und zwar, dass wir die Sonde in absehbarer Zeit womöglich gar nicht mehr loswerden. Wie vorhergesagt, wurde sich auf die Dünndarmsonde versteift. Alternativen werden gar nicht in Betracht gezogen. Es wäre ja nur ein kleiner Eingriff. Eine kurze Vollnarkose. Und wieder steh ich alleine als Depp da, der sich querstellt.
Anouk leidet seit ein paar Tagen extrem beim Inhalieren. Keine Ahnung warum. Wahrscheinlich ist die Nase nicht dauerhaft dafür ausgelegt. Sobald die Inhalation angeht weint und schreit sie"Aua Nase". Ich gab der Pflege und Bini mit auf den Weg, dass sie sich nicht mit einem "da muss sie dann halt durch" abspeisen lassen sollen. Es muss eine andere Lösung geben.
Ergebnis:"Atemmaske und Inhalieren so oft und so lang wie möglich". Aha. Ich lese, dass man Salbutamol auch oral nehmen kann. Nicht ganz so wirksam wie inhalativ, aber wäre ja ne Option.
Ich bin es so leid, ständig nach Möglichkeiten zu suchen, während gefühlt alle anderen Anouk einfach nach dem Schema "die Zeit wirds vllt schon richten" behandeln. Ich bin es so Leid ständig dafür kämpfen zu müssen, dass Anouk mehr Lebensqualität bekommt. Am Ende wird ja eh das gemacht was die Ärzte sagen. Ich stehe in diesem Kampf leider alleine da. Bini führt das aus, was die Ärzte ihm sagen.
Der Allergietest von Anouk war übrigens negativ. Also leider kein weiterer Ansatzpunkt.
Anouk ist heute Vormittag im Elternbett eingeschlafen. Da sitzt in unserem Schlafzimmer eine fremde Frau (=Pflege) und schaut ihr beim schlafen zu. Es fühlt sich dermaßen falsch an ihr sagen zu müssen, dass ich jetzt gerne mit meiner Tochter in meinem Bett alleine kuscheln will.
Die Frau ist nett, ja. Aber sollte sie nicht eine Erleichterung sein? Stattdessen hat mich der heutige Tag emotional an meine Grenze gebracht. Anouk ist mein Kind.
Bini findet die "Hilfe" gut. Er hätte aber auch damals nichts dagegen gehabt, wenn wir direkt nach der Geburt der Kinder wieder arbeiten gegangen wären und die Mäuse bei einer Nanny wäre. Manchmal frage ich mich, ob Bini nur Kinder hat, weil das halt so in der Gesellschaft erwünscht wird.
Bin ich zu antiquiert? Bin ich zu sehr auf alte Rollenbilder versteift?
Auch wenn ich mir vorgenommen hatte, niemals in einem ungeklärten Streit den Tag zu beenden, versuche ich dennoch jetzt zu schlafen. Es ist alles einfach zu viel.
Fr, 25.10.24
Kleines Update und mal positive Nachrichten. Anouks Immunstatus wurde getestet und zumindest die T-Zellen entsprechen dem erwarteten Zustand eines Kindes nach Transplantation. Bislang ist durch die Kortisonbehandlung alles unterdrückt worden, aber jetzt wachsen ihre Immunzellen und differenzieren sich weiter aus. Das heißt, wir konnten eines der vielen Medikamente absetzen (Aciclovir). Da vergessen wurde, auch die B-Zellen zu untersuchen, wurde Anouk erneut Blut abgenommen und wir hoffen nächste Woche auf ein ähnlich gutes Ergebnis (auch wenn ich mich Frage, wieso man sowas vergessen kann?!).
Es steht sogar zur Diskussion, ob Anouks Hicki gezogen werden kann. Aktuell braucht sie zwar noch einmal monatlich Immunglobuline iv, aber da gilt es abzuwägen: Entweder einmal im Monat Zugang legen (unangenehm!) aber dafür vllt wieder vermehrt in den Kindergarten gehen können. Wieder lockere Hygieneregeln.
Die onkologische Betreuung macht bei ihr eigentlich keinen Sinn mehr, sodass die Überlegung im Raum steht, dass wir von den Lungenfachärzten übernommen werden. Eventuell dürfen wir uns dann endlich mal von der Haunerschen entfernen und einen ambulanten Kinderpneumologen aufsuchen. Ich erwarte mir da eine viel bessere Betreuung von Anouk-vor allem im Bezug auf ihren Alltag. Zitat Frau Schön (Pneumologin der Hauner): "Eigentlich hatten wir noch nie ein Kind, das tagsüber an der NIV war". Ich hoffe, dass sich da neue Mittel und Wege auftun. Zudem hat sich der Kinderpneumologe aus Starnberg gemeldet, der sich mit dem ehemaligen Chefarzt (auch Kinderpneumologie) der TU beratschlagt. Am 4. November haben wir den Termin zur Besprechung. Auch darauf setze ich sehr viel (zu viel?) Hoffnung.
Generell gehts Anouk unverändert. Hustenatacken, Luftnot, Übelkeit und Erbrechen. Aber: sie nimmt minimal zu, sodass ich nach wie vor gute Argumente gegen die Dünndarmsonde habe.
Ob die Magenpassage durchs Erythromycin besser geworden ist, kann ich kaum sagen. Aber seit ein paar Tagen, geben wir es ihr häufiger und in einer höheren Dosierung. Mal sehen, ob wir da einen Unterschied merken.
Anouk hatte ja direkt nach der KIPs keinen Husten mehr. Die Atmung war bescheiden wie eh und je, aber die Anfälle waren weg. Es war ja die Überlegung ob es am Kortison lag. Allerdings hatte es ja nicht so einen einschlagenden Erfolg auf ihren gesamten Lungenstatus und doch erhebliche Nebenwirkungen - vor allem auf ihr Immunsystem. Und inhalativ bekommt Anouk ja eh 2x täglich Kortison.
Die Ärzte meinen, es läge wohl daran, dass Anouk so gut beatmet worden ist. Dass ihre Hustenattacken vermehrt nach Sondierung und Lagewechsel (Hallo Reflux?!?) auftreten wird gekonnt ignoriert. Hat Anouk nicht einen Magenschutz auf der KIPs bekommen während dem Kortisonstoß? Vllt hat der ja geholfen? Aktuell bekommt sie zwar 1x täglich Nexium, aber vllt ist das zu wenig? vllt schlägt ein anderes Mittel besser an?
Das gilt es herauszufinden. Aber leider kann Prof. A. nicht auf die Daten der KIPs zugreifen (Das zeigt mal wieder die grandiose Organisation der Hauner). Unsere Anfrage wurde zwar an die KIPs Kollegen weitergeleitet, aber noch kam keine Rückmeldung. Ich habe heute eine Asisstenzärztin der KIPs angeschrieben. Vllt hat die mehr Zeit ihre Emails zu lesen, als die Oberärzte.
Die vielen Eisen im Feuer tun gut. Meine wöchentlichen Saxophonstunden tun mir gut. Paartherapie mit Bini tut uns gut. Ich bin wieder etwas optimistischer.
Unsere Kinderkrankenpflege haben wir wieder abgesägt. 8 Stunden sind definitiv zu lange und zu unangenehm (für mich). Da lebt einfach ein weiterer Mensch bei einem mit. Den ganzen Tag lang! Stunden reduzieren ist aber leider nicht möglich. Es hat sich aber wohl eine Kinderkrankenschwester beim Pflegedienst gemeldet, die nur Teilzeit arbeiten möchte. Vllt wäre ja das was für uns. Gegen 4 Stunden hätte ich nichts einzuwenden.
Es tut gut, dass etwas vorangeht. Auch habe ich für mich geklärt, dass ich bei Anouk zu Hause bleibe -solange sie nicht in eine Betreuung gehen kann. Sie ist krank und sie braucht mich. Punkt.
Bini wird bald mit der Wiedereingliederung starten. Vllt schaffen wir es so das drohende finanzielle Loch zu umgehen.
Es bleibt spannend.
Fr, 01.11.24
Dienstag war OTK Termin. B-Zellen soweit "ok". Sie befürworten den Kindergarten, weil es für ihre Entwicklung schon sehr wichtig wäre in Kontakt mit anderen Kindern zu treten. Risiko bleibt natürlich trotzdem.
Hatte mich kurz gefreut, aber nachdem Bini heute einen Jungen von Anouks Kindergartengruppe mit ner riesen Rotzglocke gesehen hat, ist er am zweifeln. Noch dazu kommt: der Interferontest war positiv. Hat 2 monate gedauert bis das Ergebnis da war. Also könnte es vllt doch ne gvhd sein, die man gerne mit Ruxolitinib behandeln möchte. Allerdings ist das wieder Immunsuppressiv....
Was ich aber durchaus frustrierend und amüsant finde und froh bin, daß ich das hier so schön dokumentiere. Sonst würde man mir das womöglich nicht glauben.
Vor ein paar Wochen schrieb ich doch bereits, dass ich davon überzeugt bin, dass es eine gvhd ist und war sehr euphorisch ob den Therapieoptionen, welche die Uni Freiburg vorgestellt hatte. Ich hatte so Hoffnung auf das neue Medikament, was erst letztes Jahr zugelassen worden ist. Der Eintrag war vom 14.07!. Damals hieß es, dass sie immer noch nicht von einer gvhd ausgehen. Dass sie keine Immunsuppression möchten etc.
Tja und eben dieses Medikament welches ich vor x Wochen angesprochen habe, soll sie jetzt dann bekommen...
Wir werden bald ans iSPZ angebunden. Also weiterhin Fahrten nach München, nur nicht eben zur OTK. Wir hatten ja gehofft, dass wir vllt. ambulant in Geretsried oder Starnberg unterkommen, aber da Anouks Krankheitsgeschichte zu komplex ist und auch mehrere "Gewerke" an ihr beteiligt sind, will man lieber sie gut aufgehoben wissen. Im iSPZ sind neben den Pneumologen auch Gastroenterologen, was für sie natürlich sehr hilfreich wäre.
Ansonsten: der Hicki ist eigentlich nicht mehr nötig.
Die monatlichen Immunglobuline können wohl auch subkutan verabreicht werden. Allerdings befürchte ich, dass sie Immunsuppression bei Anouk wieder so stark reinhaut, dass sie wieder häufigere Blutabnahmen und ggf Transfusionen braucht.
Bini und ich sind auch mittlerweile für die Dünndarmsonde in Kombi mit der Magensonde, falls das ambulant und ohne vollnarkose gemacht werden kann.
Es bleibt weiterhin ungewiss und "spannend".
Die letzten Tage waren weniger gut bei Anouk, aber heute ist es wieder etwas besser.
Ich bete zu gott, dass Maus bald weiter Fortschritte machen darf, denn seit Wochen tut sich motorisch nichts. Sie hat keine Kraft und keine Luft um mehr als zwei Schritte an beiden Händen zu laufen.
Achja: der Teilzeitpflegedienst ist uns abgesprungen und aktuell ist auch nichts in Aussicht.
Und: leider hat auch die doppelte Dosis an Nexium (Mittel gegen Reflux), welches sie auf der Kips bekommen hatte, nur wenig Verbesserung gebracht.
Mo, 04.11.24
Heute war der Termin beim Lungenarzt.
Er hat sich mit 2 weiteren Ärzten besprochen (Pneumologe und Onkologe).
Leider gab es keine große Erkenntnisse.
Anouks Erkrankung ist extrem komplex. Er meinte, dass wir viel Geduld haben müssen. Weiter so viel NIV und Inhalieren wie möglich. So viel Atemübungen wie möglich. Mehr kann man nicht tun.
Es gibt keinen genauen Weg und es gibt leider auch kein genaues Ziel. Lungen sind gut regenerationsfähig, brauchen aber auch sehr lange. Ob es bei Anouk wieder besser wird, weiß man nicht. Er kann die Betreuung bei dieser Komplexizität in seiner Praxis nicht bewerkstelligen und rät uns auch zum iSPZ.
Die Entscheidungen bezüglich der Therapien (Pilztherapie ohne entsprechenden Nachweis, die Steroidtherapien etc, ) sind für ihn alle schlüssig.
Er meinte aber auch, dass zwingen gar nichts bringt. Also weiter immer wieder versuchen sie zum mitmachen animieren.
Das einzig neue für mich war, dass es keinen Nachweis gibt, dass die Lunge von der NIV profitiert. Es erleichtert Anouk die Atemarbeit, aber sorgt nicht dafür dass sich die Lunge besser oder in tieferen Schichten regeneriert.
Ich hatte so sehr gehofft, noch irgendeinen neuen Ansatz zu finden. Irgendetwas was Anouk helfen kann. Ich habe mir von diesem Termin zu viel erwartet und bin dementsprechend enttäuscht. Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass Anouk ein Wunder braucht, welches die Schulmedizin nicht leisten kann.
So, 17.11.24
Es ist mal wieder Zeit ein Update zu geben. Diesmal in Stichpunkten, sonst komme ich gar nicht mehr hinterher.
- der zweite Bluttest auf das Interferon war negativ, sodass man den neuen Antikörper doch nicht mehr geben wird.
-da im großen und ganzen keine Verbesserung mit dem Dupilumab eingetreten wird, bekommt Anouk jetzt gar keine Antikörper mehr.
-Seit Montag Abend/ Dienstag (zumindest ist es mir da aufgefallen; sonst liegt der hickibeutel ja immer drauf) hat Anouk eine Beule auf der rechten Brustseite. Sieht sehr komisch aus, also ob sie da mehr Rippen hätte, die nach außen stehen. Das Warten (5h!) auf die Aussage der Ärzte, dass es letztendlich von ihrer kaputten Lunge kommt und sehr wahrscheinlich kein Krebs ist, war der absolute Horror für mich. Ich dachte, dass ich Anouk wieder verlieren würde.
-Im Zuge dessen, hatte man auch ein Röntgenthorax angefertigt. Lunge sieht darauf noch schlechter aus. Man dachte an Mykoplasmen (Jakob hatte sie gerade). Aber eigentlich bekommt sie ja dagegen eine Prophylaxe. Sie hat jetzt täglich Antibiose gegen Mykoplasmen bekommen und die Ärzte haben erwartet, dass sich diese Beule wieder zurückbildet. Leider nein.
-Ein ehemaliger Mitpatient von Anouk hat ein Rezidiv. Solche Nachrichten ziehen einem den Boden unter den Füßen weg.
- Anouk geht es aktuell wieder deutlich schlechter. Sie ist schlapp, hat oft sehr große Luftnot und beruhigt sich nur, wenn der Sauerstoff Vollgas aufgedreht ist. Die Maske tut ihr wieder sehr weh (daher auch weniger Maskenzeit). Auch macht das Inhalieren Aua. Mittlerweile hat sie wieder oft Nasenbluten.
Jegliche Interaktion mit der Maske ist eine Qual. (Gestern Nacht saß Anouk bitterlich weinend vor mir und hat versucht die Maske abzubekommen. Dazu ein verzweifeltes "Mama hilf mir". Hab dann eine Runde mitgeweint. Die Maske blieb diesmal drauf, da sie die letzten 2 Tage so gut wie gar keine NIV hatte und man wirklich zusehen kann, wie es bergab geht.)
Fühle mich unglaublich hilf und machtlos.
-morgen soll Anouk die Dünndarmsonde bekommen und der hicki soll raus. Das letzte hicki-ex war ein Meilenstein. Diesmal ist es ein kleines fast unbedeutendes Puzzleteil. Wir dürfen Anouk dann regelmäßig einen subkutanten Zugang legen um ihr selbst Immubglobulin Infusionen geben.
Ihr Immunstatus ist nämlich immer noch sehr schlecht. Dennoch darf sie bald wieder unter Kinder und somit in den Kindergarten. Fühlt sich aber nicht nach Erfolg an, sondern vielmehr nach einer "Wir wissen nicht mehr weiter, aber lebenslang kann man dieses Kind ja auch nicht isolieren"-Entscheidung an.
-Sie versuchen den Eingriff morgen ambulant durchzuführen. Wir sollen uns aber lieber auf ein paar Tage KIPs Aufenthalt einstellen.
Ich hab solche Panik davor.
-bei der Dünndarmsonde müssen wir noch besser aufpassen. Der Button am Bauch darf sich nicht drehen und falls Anouk sich diesen selber zieht, können wir ihn nicht einfach wieder "reinschieben". Wäre dann wieder ein Eingriff in Narkose.
-die "aktive" haunerzeit geht vorbei und wir werden am Freitag an das sozialpädiatrische Zentrum angebunden, welches teilweise auch wieder im Hauner Klinikgebäude liegt. Also nichts gewonnen außer dem Gefühl "abgeschoben" zu werden.
So, 24.11.24
Anouk müsste nicht auf die KIPs und hat sowohl hicki ex als auch das Vorschieben der Sonde gut weggesteckt. Durch das viele Inhalieren und Absaugen unter Narkose, ging es ihr sogar nach extubation besser als zuvor. Sie spielt, sie lacht und singt und krabbelt teilweise sogar. Es tut ihr gut nichts bzw. Wenig im Magen zu haben. Sie hat sogar wieder Interesse am Essen gezeigt und ein paar Nudeln gegessen.
Über Nacht sondieren wir ihr 700mL über den Darm. Das klappt soweit ganz gut.
Leider hat sich in den letzten 3 Tagen ein Problem eingeschlichen, was wir nicht in den Griff bekommen und hoffen, dass wir am Montag mit jemandem darüber sprechen können:
Anouk spuckt seit 3 Tagen wieder, aber diesmal Galle. Das ist ihr so extrem unangenehm, dass sie danach weint, Aua Mund sagt und seitdem verständlicherweise wieder nichts essen mag. Die NIV scheint ihr noch mehr Übelkeit zu machen (trotz verringerter Druckparameter) und ist deshalb kaum im Einsatz.
Anders als die Monate davor, wird uns vom spz wieder zum pariboy geraten und dem Mundstück. Anouk mag nicht. Die Therapeutin meinte, dass man das schon mit liebevoller Konsequenz hinbekommt. Ich entgegnete ihr mit einem "Sie haben keine Kinder, oder?!"
Das Inhalieren über die NIV sollen wir dann einstellen, weil es nicht so effektiv sei.
Aktuell will man keine neuen Therapieansätze mit Antikörpern versuchen, sondern das optimieren was wir bereits haben: Niv, Inhalieren und hoffen, dass Anouk durch die neue Ernährungssituation zunimmt und Kraft bekommt.
Im Frühjahr wird man dann überlegen, ob Anouk nochmal eine Biopsie braucht und wie man weiter vorgeht.
Ab Montag startet die offizielle Kiga Eingewöhnung von Anouk. Wir schauen einfach wie sie sich so macht. Es wäre toll, wenn wir dadurch etwas Normalität gewinnen würden. Aber eine Zukunft aufzubauen traue ich mich nicht. Ich versuche den Moment zu genießen und hoffe, dass sich alles iwie ergibt. Es steht alles einfach auf zu wackeligen Beinen.
Leider kann uns unsere Paartherapeutin nicht mehr weiter begleiten: sie müsste ein 10 seitiges Gutachten für die Krankenkasse schreiben und ist ja genau wegen dieser bürokratie aus der kassenzulassung ausgetreten. Entweder wir zahlen selbst oder suchen uns einen anderen Therapeuten.
Den Blog hier werde ich vorerst schließen. Der Sinn war ja zum einen das erlebte irgendwie zu verarbeiten und zum anderen zu vermeiden, dass ich nicht ständigem schmerzhaften Nachfragen ausgesetzt bin.
Jetzt treten wir in hoffentlich ruhigere Fahrgewässer ein, sodass ich unser Privatleben wieder ins Private bugsiere. Es können also wieder die normalen kommunikationswege genutzt werden.
Macht es bis dahin gut.
Auf dass ich nie wieder schreiben muss: "Anouks Abenteuer Teil 3".